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Kein Platz mehr für Kolumbus?

„Cambio“ bedeutet Veränderung und genau die möchte eine Gruppe aus München bewirken. CAMBIO setzt sich für die Umbenennung des Kolumbusplatzes und der Kolumbusstraße ein. 

Die Kolumbusstraße in der Au. Geht es nach den Mitgliedern von CAMBIO soll sie umbenannt werden. Foto: Sabrina Möbius

Von Sabrina Möbius

 „Nächster Halt: Kolumbusplatz“, tönt es blechern aus der Lautsprecheranlage. Einige steigen aus, andere steigen ein in die U2 Richtung Messestadt Ost – für viele ein typischer Montagmorgen. Kaum jemand wird da noch über den Namen der U-Bahn-Station nachdenken – und noch weniger über den Namensgeber. Die Aktivist*innen von CAMBIO tun genau das. Die Mitglieder hinterfragen die Bezeichnung des Platzes und der Straße seit Sommer 2020 kritisch und sind sich sicher: Der Kolumbusplatz, aber auch die Kolumbusstraße müssen umbenannt werden! 

Die Gruppe CAMBIO

Die Gruppe CAMBIO mit Philtrat im Zoom-Interview. Foto: Screenshot/philtrat

Den Kern der siebenköpfigen Truppe bilden die Studentinnen Sicarú, Citlali und Amanda. Die Drei sind durch ihre Wurzeln verbunden – sie alle haben einen Elternteil, der aus Lateinamerika stammt. Darüber hinaus haben sie seit einiger Zeit die fixe Idee, die Überwindung kolonialer Kontinuitäten voranzutreiben, indem sie über Kolonialverbrechen informieren. Beispielsweise haben die Aktivist*innen bereits vor Lockdown-Zeiten eine Kundgebung veranstaltet, um mit den Menschen in Kontakt zu treten und durch den Diskurs einen Denkanstoß bei den Münchner*innen zu bewirken.

„Gedenktafel reicht nicht aus“

Kritik am Kolumbusplatz wird bereits seit Jahrzehnten geübt. 1992 wurde an der Hauswand der Kolumbusstraße 33 eine Gedenktafel angebracht, die an die Opfer der Kolonialisierung Amerikas erinnern soll. Diese Tafel stelle einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung dar, reiche aber noch nicht aus. „Eine Umbenennung ist wichtig, da sich Gedenktafeln kaum jemand durchliest“, heißt es vonseiten der Gruppe. Sprache besitze unheimlich viel Macht und gerade bei Straßennamen würde häufig nicht über deren Hintergründe nachgedacht. Dadurch, dass die Bezeichnung von Straßen oder Plätzen in unserem Alltag, im Bus oder der U-Bahn immer präsent sind, würde die „falsche Verehrung“, wie sie die Gruppe nennt, zunehmend normalisiert. 

Reinigung der Gedenktafel. Foto: Erika Pellicci

Wie sich CAMBIO engagiert

Die von den Aktivist*innen organisierte Kundgebung hat neben der Reinigung der Gedenktafel unter anderem Raum für einige Reden geboten und wurde von Live-Musik begleitet. Pandemie-bedingt gehören derartige Aktionen allerdings erstmal der Vergangenheit an. Das Engagement der Gruppe mündete in der Petition Kolumbusplatz/-Straße umbenennen! und obwohl diese bislang etwas schleppend läuft, lässt sich CAMBIO nicht verunsichern. Gerade auch weil sie auf der Straße oder in der Uni zu Corona-Zeiten keine Unterschriften sammeln können, freuen sie sich umso mehr über jede digital hinzugekommene Stimme. 

„Keine falsche Verehrung!“

Banner von der Kundgebung der Gruppe im vergangenen Jahr. Foto: CAMBIO

Die Frage, warum der Kolumbusplatz noch nicht umbenannt wurde, beantworten die Aktivist*innen mit der mangelhaften Aufklärung über dieses doch eigentlich so wichtige Thema. „In der Schule wird das Wirken Kolumbus‘ nicht ausreichend kritisch hinterfragt“, erklären sie im Interview, was dazu führe, dass sich ein unreflektiertes Bild von Kolumbus etablieren konnte. CAMBIO fordert: „Keine falsche Verehrung!“ Die Mitglieder der Gruppe haben außerdem den Eindruck, andere Umbenennungen von Straßen oder Plätzen, etwa aus der nationalsozialistischen Zeit, stünden momentan noch eher im Vordergrund. Sie wünschen sich eine stetige parallellaufende Entwicklung: Umbenennungen, sowohl von Straßen aus der NS-Zeit als auch von durch den Kolonialismus geprägten Straßennamen.

Alternativvorschläge für die Bezeichnung von Platz und Straße 

Sollte es in der nächsten Zeit doch zu einer Umbenennung kommen, hätte die Gruppe einige Vorschläge für alternative Namen. „Geschichte soll nicht ausradiert, sondern von einer anderen Seite beleuchtet werden: Die Seite der Betroffenen soll angesprochen werden“, erläutern die drei Aktivistinnen im Interview. Die Gruppe fände eine Umbenennung des Platzes in Anacaonaplatz nach der letzten Taíno-Königin von Jaragua sinnvoll. Es existieren darüber hinaus noch einige weitere Ideen für alternative Bezeichnungen, wobei nicht alle von den Aktivist*innen selbst stammen. Jede Person, die sich für das Thema interessiert, sei herzlich dazu eingeladen, Anregungen und Ideen mit der Gruppe zu teilen. 

Vernetzungsabsichten der Gruppe

Auch auf ihrem Instagramaccount @cambio.muc setzen sich CAMBIO für die Umbenennung ein. Illustration: CAMBIO

CAMBIO versucht sich derzeit mit verschiedenen Gruppen von Aktivist*innen zu vernetzen. Unter anderem stehen sie im Austausch mit München Postkolonial und suchen darüber hinaus nach weiteren Antirassismus-Gruppen in München, die Lust auf eine Zusammenarbeit haben. Auch hier steht die Corona-Pandemie Sicarú, Citlali und Amanda im Wege. Gruppen zu finden, „wo’s passt“, gestalte sich schwierig, da durch die stetige Online-Kommunikation der persönliche Kontakt fehle.  

Blick in die Zukunft

Für die Zukunft plant die Gruppe – sofern pandemie-bedingt wieder möglich – weitere Kundgebungen, Diskussionsrunden und eventuelle Aktionen mit anderen aktivistischen Gruppen aus München. Interessierte, die sich aktiv an der Initiative beteiligen wollen, seien immer willkommen. 

Ob die vertraute Stimme in der U-Bahn irgendwann „Nächster Halt: Anacaonaplatz“ sagen wird, bleibt abzuwarten. Für die Aktivist*innen wäre es aber ein zeitgemäßer Schritt in Richtung Dekolonialität der Stadt München. 

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