Kulturphilter Online Politikus Rezension Stadtplan

Im Kriegsgebiet zu Hause

In der Berichterstattung der westlichen Medien ist für Annäherungen an die kurdische Kultur kein Platz. Der Verein zur Förderung ethnischer Minderheiten legt den Fokus auf die Zivilbevölkerung, veranstaltet eine Filmreihe und Spendenaktionen und nimmt sich der gemarterten Kultur der Kurden an.

Von Magdalena Pistorius

Weite, sandbraune Hügellandschaften, zerklüftete Bergregionen von rauer Schönheit, steinerne Dörfchen inmitten von sonnengebleichtem Grün, belebte Städte entlang träger Flüsse. Die Gegend, wie sie der Film „Close-up Kurdistan‟ zeigt, entspricht so gar nicht dem Bild von Krieg und Zerstörung, das derzeit von den Medien vermittelt wird. Vergangene Woche zeigte der „Verein zur Förderung ethnischer Minderheiten‟ jeden Abend eine Dokumentation aus und über Kurdistan. Dass die Veranstaltung ausgerechnet in eine Periode fiel, in der im Mittleren Osten Peshmerga gegen fanatische Islamisten kämpfen, ist Zufall, die Idee der Filmwoche nicht neu. Zuletzt machte der Verein die Ethnie vor drei Jahren zum Schwerpunkt seiner Filmtage. Die  Filmreihe, die jetzt gezeigt wurde, war schon Monate, bevor in Nahost die ersten Bomben fielen, in Planung. So drehen sich die Filme auch nicht in erster Linie um den Kampf zwischen IS und Peshmerga, sondern um das Leben vieler Kurden, das von Angst und Unsicherhheit, aber auch von der Hoffnung auf eine bessere Zukunft gezeichnet ist. Freilich aber verleihen die aktuellen weltpolitischen Geschehnisse den Filmen eine neue Brisanz. In den vergangenen Jahren gedreht, ist ihre Botschaft aktueller denn je.

Fotograf: Dûrzan cîrano , via Wikimedia Commons
Fotograf: Dûrzan cîrano , via Wikimedia Commons

Ehrlich und Beeindruckend – Dokumentationen über das Krisengebiet

In „Close-up Kurdistan‟ etwa begleitet die Kamera den Regisseur Yüksel Yavuz auf einer Reise von Berlin durch die Südosttürkei und den Nordirak. Zu teils melancholischen, teils mitreißenden Klängen kurdischer Musik lässt der Film eine endlos erscheinende, unerwartet facettenreiche Landschaft am Betrachter vorüberziehen. Immer wieder macht er dabei Halt, um die leisen Stimmen des Landes und seiner Bewohner einzufangen. Die Frau, die Mann und Söhne an den Guerillakampf verloren hat, zum Beispiel. Oder der Schriftsteller, der jahrelang in türkischen Gefängnissen gefoltert wurde, weil er es wagte, sich für die kurdische Sprache und Kultur einzusetzen. Oder der vertriebene Dorfbewohner, der nun in einer provisorisch reparierten Baracke lebt – sie alle sind Teil der exemplarischen Schicksale, die der Film beleuchtet. Die vermutlich größte Leistung, die der Film vollbringt: Er bildet ab, ohne zu stigmatisieren, richtet den Blick aber dennoch schonungslos auf die gewaltsame Unterdrückung der kurdischen Kultur. Was nicht vergessen werden darf: Im kurdischen Unabhängigkeitskonflikt mit der Türkei wird kein Kampf von Gut gegen Böse geführt.  Auf beiden Seiten sterben Menschen, hier wie dort leidet vor allem die Zivilbevölkerung.

Jenseits der westlichen Berichterstattung

Das macht „Close-up Kurdistan‟ deutlich. Ohne Wertung schenkt er den Betroffenen Gehör, lässt sie von ihren Erfahrungen und  von ihrer Handlungsunfähigkeit im Angesicht sinnloser Gewalt erzählen. Neben den in Zeitung und Fernsehen allgegenwärtigen Bildern von Bomben und Massakern zeichnet er ein sanftes Porträt von einem Land, das auch ganz anders sein könnte, friedlich und schön. Und er ruft in Erinnerung, dass Kurden nicht nur Vertriebene oder Peschmerga sind, sondern vor allem: Menschen. Mütter und Väter, Alte und Kinder. Menschen, die trotz Angst und Gewalterfahrungen die Hoffnung auf ein friedvolles Zusammenleben mit Türken, Syrern und Irakern nicht aufgegeben haben. Weil sie in  Ländern wie der Türkei, in Syrien und im Irak zu Hause sind.

 

Veranstaltungen:

Der Verein zur Förderung ethnischer Minderheiten führt kommende Woche (20.10. -24.10., Montag – Freitag je 17 bis 21 Uhr) eine Kleiderspende für Flüchtlinge im Irak und in Syrien durch. Kleider, Schuhe, Decken und Spielzeug können in der Bergmannstraße 35 abgegeben werden.

Am 25. Oktober, 13 Uhr, gibt es außerdem eine Kundgebung auf dem Odeonsplatz: Gefordert wird internationale Unterstützung für die vom IS bedrohten Kurden im Irak und in Syrien.

Für dich vielleicht ebenfalls interessant...