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„Ich bin kein Schauspieler, ich bin eben Otto“

Seine Entschuldigungen, wenn ihm das Mikro runter gefallen war, kamen bei Auftritten besser an als seine Lieder. Otto Waalkes ist Kult. Wie seine Karriere begann, wieso er, der sich weder als Synchronsprecher noch als Schauspieler sieht, dennoch mit beidem die Massen begeistert, und wie er seine jüngste Sprechrolle als Grinch bewertet, erzählt der einzig wahre Friesenjung im Interview.

Foto: DanielReinhold © RuesslMusikverlagGmbH

Das Gespräch führte Murilo Macena

Herr Waalkes, Sie haben mal ein Kunstpädagogikstudium angefangen, jedoch nie abgeschlossen …
Leider! Ich bin während des Kunststudiums in Hamburg an der Akademie der bildenden Künste in den Siebzigern immer in kleinen Clubs aufgetreten, um mein Studium zu finanzieren. Und das kam erstaunlich gut an. Trotz oder gerade wegen meines Lampenfiebers. Dauernd fiel mir das Mikro runter – ‚Oh Entschuldigung, tut mir leid!‘ – und die Entschuldigungen sind besser angekommen als die Lieder, deshalb bin ich dann dabeigeblieben. Das war dann der erste Schritt von der bildnerischen zur darstellenden Kunst. Es ging enorm schnell: Ich wurde immer populärer in Hamburg. Schon trat ich vor Tausenden auf, Live im Audimax, daraus haben wir eine Platte gemacht. Und daneben mein Lehrer-Praktikum, das weiß ich noch ganz genau, da war meine erste LP schon draußen. Da kam ich in die Klasse rein und dann hieß es nur ‚Otto, mach den Tarzanruf!‘. Ein ordentlich geregelter Lehr- und Lernbetrieb, der war unter den Umständen einfach nicht möglich, ne. Alle wollten den Otto von der Bühne haben, na gut, den haben sie ja bekommen, bis jetzt! Also schon ziemlich lange.

Waren Sie dann auch ­–
Du siezt mich ja schon wieder!

Entschuldigung! Wir sind ja hier in einem Kino: Bist Du damals gerne ins Kino gegangen?
Ja, immer! Meine ersten Filme waren so „Hercules“ und „Kalle Blomquist, der Meisterdetektiv“, irre spannend. Dann die ganzen Filme mit Peter Kraus und Conny Froboes, „Der Pauker“ mit Heinz Rühmann, und „Freddy – die Gitarre und das Meer“. Der hat ja auch mal Musik gemacht, mit Gitarre! Genau wie Peter Kraus. Das war meine erste, die Peter-Kraus-Gitarre. Ja, das war zu der Zeit der 50er und frühen 60er Jahre. Während des Studiums hab’ ich natürlich andere Filme gesehen, ich war begeisterter Kinogänger, ich liebte immer das Gemeinschaftserlebnis da in dem dunklen, großen Raum.

Wie meinst Du das?
Du musst nicht alleine über irgendwas lachen, wenn alle mitlachen. Da konnte man erfahren: ‚Aha, so geht das‘. Bis ich dann 1985 selbst meinen ersten Film gedreht habe, „Otto – der Film“. Und der Produzent, der ließ mich alles machen, meine eigenen Scherze einbinden, mein Privatleben sozusagen auf die Leinwand transportieren. Und das hat gut funktioniert.

60x45cm © Otto Waalkes

Du warst in vielen Filmen als Schauspieler, hattest aber auch viele Synchronrollen in Animationsfilmen. Was macht Dir mehr Spaß?
Ich bin kein Synchronsprecher, auch kein Schauspieler. Ich bin eben Otto, und ich versuche, meine Komik auf die Leinwand zu bringen – oder auf die Bühne. Meist funktioniert das ganz gut. Es gibt nur eine Alternative für mich: Ich male nebenbei noch, klassische Malerei, wie ich’s gelernt habe. Ich hab’ gerade eine Ausstellung in Hamburg, dafür male ich bekannte Vorbilder nach und setze ein paar Ottifanten rein, um das Publikum ein bisschen zu amüsieren. „Identifikation und Irritation“ laufen parallel. Aber das ist eine andere Geschichte.

Wie kam es, dass Du dennoch mit dem Synchronsprechen angefangen hast?
Synchronsprechen hab’ ich  zusammen mit Cosma Shiva Hagen bei dem Disney-Film „Mulan“ angefangen. Sie war Mulan und ich war der kleine Drache Mushu. Und das hat Spaß gemacht. Daraufhin kamen die Amerikaner mit „Ice Age“. Die dachten sich: ‚Da ist doch so ein Deutscher, der hat mit Elefanten zu tun.‘ Und sie haben mir die Rolle von Manni, dem Mammut, angeboten. Und ich sagte, ‚Ich bin kein Synchronsprecher, aber wartet mal – das Faultier … das liegt mir, lasst mich doch mal dafür vorsprechen!‘ Also habe ich mir ‘ne Stimme überlegt, so gezuzelt. Das habe ich denen geschickt, das fanden sie gut.

„Ice Age“ wurde dann sofort ein Kassenschlager.
Der erste Film war in Deutschland sehr erfolgreich, erfolgreicher als in Amerika. Daraufhin haben sie mich eingeflogen nach New York, die ganzen anderssprachigen Synchronsprecher waren da. Von Stund’ an mussten alle so sprechen, und das Lispeln hat sich dann weltweit durchgesetzt. Und jetzt kam diese Grinch-Geschichte. Derselbe Chef von Illumination Entertainment, damals noch Fox, Chris Meledandri, hat mich gefragt, ob ich interessiert wäre. Ich dachte nur: ‚Liegt mir das überhaupt?‘ Aber immerhin hat der Grinch ein paar schöne Facetten, ein Versuch war also nicht reizlos. Außerdem hat er mir ein Angebot gemacht, das man nicht ablehnen konnte – ich zumindest nicht … Ich bin ja so käuflich! Und dann fing die ganze Sache an, mir auch noch jede Menge Spaß zu machen.

© C. Lechtenbrink

Wie hast Du dich auf die Rolle vorbereitet?
Ja, um den Charakter genau kennenzulernen, muss man erstmal die Originalversion anhören, die wird gesprochen von Benedict Cumberbatch, der ja sehr sophisticated spricht. ‚Ohh, I’m gonna steal their Christmas persistently …‘ oder was weiß ich, wie der sich ausdrückt. Das klang schon sehr oberklassig. Ich dachte: ‚Da muss mehr Otto-Einfluss da rein, so’n bisschen Lautmalerei.‘ Und dann machte ich das. Mit ‘nem kleinen Jodelahihii~ oder einem kleinem *Ottolachen*, und das hat die Produktion zugelassen, mit Kusshand, und das ist daraus geworden.

Wie kann man sich das vorstellen?
Ich sitze im Synchronstudio und das hat ein großes Innenfenster, der Tonmeister sitzt dahinter und noch ein Boss von der Filmgesellschaft. Dazu kommt noch eine Lippensynchron-Regie. Und dann versuchst du, jede Lippenbewegung genau auf die Vorlage zu legen, weil der Film ja schon englisch synchronisiert ist. Das ist schwierig. ‚Ähmmm ich glaube.‘ – Mannomann. – ‚Ich glaube.‘ – Nein, nein. – ‚Ich glaube *Ottolachen*‘ – Ja perfekt! Und das dann Schritt für Schritt, 1200 Takes. Das dauert ziemlich lange. Du sitzt da im Studio deine zehn Stunden Einzelhaft ab, aber irgendwann wird dann alles zusammengefügt, und am Ende denkt man sich: Wow, gar nicht schlecht.

Du hast die Vorlage, den Realfilm, auch gesehen. Wie beurteilst Du den realen gegenüber dem Animationsfilm?
Die ältere Fassung mit Jim Carrey fand ich schwer umzusetzen. Die Grinch-Geschichte ist ja in Amerika sehr geläufig. Dr. Seuss ist da zu vergleichen mit Grimms Märchen hier. Das Original ist ein bisschen gruselig, eher unheimlich und nicht so kindgerecht. Der Animationsfilm geht eher in Richtung Familienspaß: angenehm, freundlich mit dem Gesinnungswandel am Schluss fürs gemeinsame Weihnachtsfest. Diese Version ist harmonischer, das gefällt mir.

Trotzdem ist der Charakter, im Gegensatz zu Deinen bisherigen fröhlichen Rollen, anfangs eher griesgrämig.
Griesgrämig, grummelig, grün – aber man merkt: Immer wieder blitzt da was durch, sein grundgutes Herz halt. Zum Beispiel, wenn er nett zu seinen Tieren ist. Wie sie darum betteln, bei ihm im Bett schlafen zu dürfen, und ihn mit ihren treuen Hundeaugen erweichen. Das geht ans Herz. Auch wenn er das Buch durchblättert mit dem Weihnachtsmann und sich lange das Lebkuchenhaus anschaut. Da merkt man, dass er gewisse Sehnsüchte hat, aber er zeigt sie nicht, versucht sie hinter einer rauen Schale zu verstecken. Am Schluss kommt es natürlich raus, das Gute, was in ihm steckt – und der vermeintlich Böse ist im Grunde nur einsam gewesen und zu allein.

Ein Happy End also?
Das Ziel ist eben nicht, Weihnachten zu stehlen, sondern das Alleinsein zu überwinden. Das ist eine weihnachtliche Botschaft, und die hat mir gut gefallen. Und trotzdem bleibt man nicht ganz unkritisch dem Weihnachtsfest gegenüber, das macht Dr. Seuss ganz geschickt. Er verteilt so kleine Denkanstöße: Zu Weihnachten, zum Fest der Liebe, soll man Liebe schenken. Konsum darf nicht der erste Reflex sein – nur kaufen, kaufen, kaufen und schenken, schenken, schenken, bis der Beschenkte alles hat, bis auf das, was nicht käuflich ist: Liebe. Oder, wie die Beatles schon sangen: And in the end the love you take is equal to the love you make … Das war ein guter Schlusssatz.

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