Interview Politikus

„Gender stoppen!“

Über Antifeminismus in der AfD

Die AfD zeichnet sich im besonderen Maße durch ihren Antifeminismus aus. Doch wie macht die AfD eigentlich damit Politik? Unsere Autorin hat darüber mit Juliane Lang vom Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus gesprochen, bei dem sie seit mehreren Jahren tätig ist. Juliane Lang beschäftigt sich mit dem Thema Geschlechterverhältnisse und Rechtsextremismus.

Inwiefern zeigt sich Antifeminismus im verabschiedeten Programm der AfD?

Vielleicht sollte ich erst kurz etwas zum Begriff Antifeminismus sagen: Ich finde ihn analytisch wichtig, er führt allerdings manchmal in die Irre, weil antifeministische Inhalte sich nicht zwangsläufig auf feministische Politiken beziehen. Es gibt auch einen Antifeminismus, der ohne jeden Bezug auf Feminismus auskommt, bei dem sich Akteure normativ auf sexuelle und geschlechtliche Lebensweisen beziehen. Beispielsweise taucht im Programm der AfD der Begriff Feminismus nur an wenigen Stellen explizit auf. Antifeministische Positionen lassen sich an den Punkten pro familia und Anti-Gender festmachen:
Bei der Familienpolitik geht es darum, dass die AfD bestimmt, welche Lebensweise keine Familie ist und welche schon: die heterosexuelle Gemeinschaft zweier Menschen unterschiedlichen biologischen Geschlechts mit möglichst zahlreichen biologischen Kindern.
Bei Anti-Gender geht es wenig darum, wofür die Feststellung der sozialen Verhandelbarkeit von Geschlecht tatsächlich steht, sondern es wird das Feindbild „Gender“ geschaffen, von dem man sich abgrenzen muss.

Die AfD hat personelle Verbindungen zu antifeministischen Strömungen und Maskulisten. Wie sehen diese Verbindungen aus?

Die Person, an der es relativ greifbar wird, ist Beatrix von Storch. Aus der von ihr initiierten Zivilen Koalition heraus ist eine Vielzahl antifeministischer, familienpopulistischer Initiativen in den letzten Jahren entstanden. Diese waren bis zuletzt Teil der Organisation der Demo für alle in Stuttgart, woran von Storch sich heute nicht mehr erinnern mag.
Von den einflussreicheren Maskulisten sind nur wenige bei der AfD in führenden Positionen, allerdings wird deren Beteiligung mit einem Blick auf die Wahlprogramme in den einzelnen Ländern deutlich: Beispielsweise bezieht sich die AfD im Berliner Wahlprogramm auf eine angeblich verfehlte Männerpolitik und eine Förderung von Jungen und Jungenarbeit wird verlangt. Gemeint ist keine kritische Jungenarbeit, denn das wäre „Genderwahn“.
Das gibt Hinweise auf eine Form des Antifeminismus, bei der Feminismus noch als das Feindbild gesehen wurde, das Männer unterjocht, was Jungen in ihrer Entwicklung hemmt und so weiter. Heute haben wir das Feindbild „Gender“ eher in Bezug auf die Familie. Aber diese Interessensgruppe von Männerrechtlern findet sich eben auch in der AfD und ihrem Umfeld und prägt dementsprechend die einzelnen Programme, die verabschiedet werden.

In der AfD werden zwei führende, populäre Positionen von Frauen besetzt. Woher kommt es, dass auch Frauen sich so stark für sexistische Inhalte einsetzen?

Ich bekomme diese Frage oft gestellt, für mich stellt das eigentlich keinen Widerspruch dar. Worum es der AfD letztendlich geht, ist nicht eine Interessenspolitik für Frauen oder Männer, sondern es geht in Bezug auf Wertepolitik viel eher um die Stabilisierung traditioneller Verhältnisse, in denen Privilegien und Machtverhältnisse eine große Rolle spielen. In diesen Verhältnissen haben Männer und Frauen einen ganz bestimmten Platz innerhalb der Geschlechterordnung. Wir haben es heute mit einer gelebten Pluralität zutun, die bestimmte Machtverhältnisse infrage stellt. Hier setzt die AfD an und will die traditionell heteronormativen Verhältnisse restabilisieren.

Gleichzeitig finde ich die stattfindende Auseinandersetzung mit Beatrix von Storch, Frauke Petry oder anderen sehr problematisch, nämlich dann, wenn davon ausgegangen wird, Frauen denken weniger sexistisch, antifeministisch oder rassistisch. Frauen haben nicht per se mehr Empathie oder sind die sozialeren Wesen. Mir fällt auf, dass wir von männlichen AfD-Politikern fast nichts über ihr Privatleben wissen, während wesentlich mehr über die Lebensentwürfe von Frauke Petry und Co. gesprochen wird. Sie werden nicht an ihren politisch fragwürdigen Inhalten gemessen, sondern an ihren Lebensentwürfen und das ist das sexistische daran.

Die AfD vereinnahmt auch teilweise feministische Argumente für sich. Wie funktioniert das? 

Ein Beispiel dafür ist der Bezug auf Frauen- und Homosexuellenrechte immer dort, wo es Ausgrenzungspolitiken gegenüber Männern (und Frauen) nicht-deutscher Herkunft oder gegenüber „des Islams“ gibt. Dieser wird absolut gedacht, jeder Unterschied muslimischer Gesellschaften negiert und ein rückwärtsgewandtes Geschlechterbild bescheinigt – das in Abgrenzung zum eigenen funktioniert. Die angebliche Rückwärtsgewandtheit „des Islam“ gilt dann schnell als Garant des eigenen Fortschritts.
An dem Punkt wird Geschlechtergleichstellung genutzt, um zu suggerieren, hier wären die Menschen zivilisiert, während sie beispielsweise im Nahen oder Mittleren Osten barbarisch seien. Diese Argumentationslogik ist bereits anderenorts als Homonationalismus beschrieben worden und trifft hier auch auf die AfD zu.

Wie gehen Geschlechterpolitik und rassistische Argumentation bei der AfD Hand in Hand?

Die AfD setzt heute sehr viel stärker Familienpolitik mit Einwanderungspolitik in Verbindung. Im Programm heißt es „Mehr Kinder statt Masseneinwanderung“: Es wird von einer demographischen Krise geredet und behauptet, dass die herrschende Politik dem mit einer Masseneinwanderung begegnet. Dieser Zusammenhang ist de facto so nicht gegeben, wird jedoch populistisch behauptet, um die soziale Absicherung von Familien gegen die von Zugewanderten auszuspielen.
Zum einen in den gerade skizzierten homonationalistischen Argumentationen um Frauen- und Homosexuellenrechte in Abgrenzung zum bedrohlichen Fremden. An anderer Stelle in der Verzahnung von familienpopulistischen Forderungen nach der Besserstellung heterosexueller „deutscher“ Familien mit einer repressiven Anti-Asyl-Politik.

Vielen Dank für das Interview!

Gerne.



Demo für alle: Die Demo für alle hat sich ursprünglich in Frankreich entwickelt und ist vor ein paar Jahren nach Deutschland gekommen. Zum Ziel hatte sie in Deutschland die Verhinderung des Bildungsplans in Baden-Württemberg, der in Bezug auf Geschlechterverhältnisse und Sexualität sensibilisiert werden sollte. Die Demos ziehen ein breites Spektrum an: Sowohl Personen aus Parteien, als auch radikale Rechte und einen christlichen Fundamentalismus Vertretende beteiligen sich an den Märschen.



 

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