Wenig am universitären Leben hat mich so irritiert wie meine eigene Magisterabschlussfeier. An dieser Schwellensituation hat man ohnehin sehr viel mit Irritationen zu kämpfen: Mal kommen sie als Zukunftsangst daher, mal als Angst vor der großen, weiten Erwachsenenwelt und mal auch nur als schlichter Zweifel daran, ob man die richtige Entscheidung getroffen hat. Kurzum: Man hat zu viel um die Ohren – da ist es durchaus denkbar, dass einen schon so ein kleines Ritual überfordert.
Die Semester darauf habe ich aber immer wieder Magisterfeiern von Freunden besucht und festgestellt: Nein! An mir lag’s nicht, es liegt an den Feiern selbst, die fast schon grotesk daherkommen. Ein fröhlicherer Kafka hätte daran seine helle Freude gehabt.
Unbekannte Personen sprechen auf der Bühne. Eine davon ist der Dekan, der etwas von weißen Blättern vorliest, ja selbst die Witze. Ich habe ihn noch nie in meinem Leben gesehen und ich schätze, 99 Prozent aller Studierenden geht es ähnlich. Er könnte nun in seiner Rede etwas von diesem Umstand erzählen. Dass das merkwürdig ist, dass man sich kaum kennt. Dass man an einer Universität, zumal einer so großen wie der LMU, trotz der vielen Menschen auch vereinsamen kann. Dass dies trotzdem die Zeit ist, an der man die bis dato schönsten Erfahrungen gemacht hat.
Aber: Fehlanzeige. Stattdessen gibt es irgendwas über den Bologna-Prozess zu hören und dass früher, im guten alten Magister, auch nicht alles Gold war, was glänzt. Gähn? Ist es zu viel verlangt, sich einmal im halben Jahr ein paar neue Sätze auszudenken? Klar, bei den Massen an Studenten macht das vielleicht kaum Sinn und die Leute haben ja Besseres zu tun. Aber dann braucht sich niemand wundern, wenn die Beteuerungen nicht ernst genommen werden, dass sich die Fakultät so für die berufliche Zukunft aller Absolventen interessiere.
Das übermäßige Interesse (Achtung, Service-Overkill!) seitens der Uni spiegelt sich auch noch an anderer Stelle wider: Kein einziger der Dozenten, denen die Studenten so viel zu verdanken haben und denen mehrfach gedankt wird, ist gekommen. Finde ich auch nicht schlimm, aber muss man dann so tun, als wären alle eine große Familie? Überschwänglich gedankt wird auch den Mitarbeitern des Prüfungsamts, die es wieder mal geschafft haben, ihren Job zu machen, und die Zeugnisse alphabetisch sortiert haben. Was soll’s, es ist der einzige Augenblick, der die Studenten dann doch rührt: Die Besuche im Prüfungsamt gaben dem Leben Struktur und waren überdies immer informativ, teilweise sogar persönlich.
Bei der Zeugnisverleihung selbst wird dann durch die Bank, also etwa eineinhalb Stunden lang, trauriger Blues gespielt. Assoziationen zu klischeehaften Resozialisierungsmaßnahmen in amerikanischen Gefängnissen, zu Pickel, Mundharmonika und Steinbrüchen werden geweckt. Und ganz zum Schluss gab’s dann für alle noch die akademische Insignie der heutigen Zeit: einen schönen, letzten Evaluationsbogen. Ach, irgendwie wird sie mir schon fehlen, die alma mater.