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„Booksmart“: subtile Highschooldramatik

Dieses Gefühl, etwas verpasst zu haben, und das darauffolgende Bedürfnis, möglichst viel aufzuholen, solange es noch geht: In „Booksmart“ erleben zwei junge Frauen am Ende ihrer Highschoolzeit genau das und beschließen, etwas zu unternehmen, bevor es zu spät ist.

Von Gözde Çelik

Amy (Kaitlyn Dever) und Molly (Beanie Feldstein) sind beste Freundinnen, jung und dabei, einer erfolgreichen Zukunft an den besten Colleges entgegen zu gehen. Das letzte Jahr der High School und somit auch des Entsagens und Lernens ist vorbei; jetzt zahlen sich all die Mühen und Nächte aus, die sie mit Lernen statt Partys verbracht haben. Denken die beiden jedenfalls, bis sie entsetzt feststellen, dass auch ihre Mitschüler*innen, die ein scheinbar sorgenfreies Leben geführt haben, ebenso in diese erfolgreiche Zukunft schreiten werden. Auch sie werden von den besten Colleges umworben und haben nebenbei all die Partys genossen, denen Amy und Molly entsagt haben. Nun, wild entschlossen, an ihrem letzten Abend vor dem Abschluss alles nachzuholen, was sie verpasst haben, stürzen sich die beiden ins Nachtleben und wollen eine unvergessliche erste und letzte Party erleben.

Zwischen den Klischees

Das Regiedebüt von Olivia Wilde erinnert erst einmal stark an andere Filme über wilde Partys und unvergessliche Nächte voller Erkenntnisse sowie witzigen Verwicklungen. Nur dass „Booksmart“ sich auf einer Ebene zwischen solchen unterhaltsam aber klischeebeladenen Filmen und dem gleichzeitigen Brechen dieser immer wiederkehrenden Motive befindet. Gerade erst wurde der Film mit dem Gilde-Filmpreis in der Kategorie „Bester Jugendfilm“ des deutschen Filmkunsttheaters ausgezeichnet.

Die Musik ist peppig, das Bild voll mit Glitzer und Farben. Die Referenzen sind popkulturell beladen und die Charaktere plagen sich mit den Problemen und Dramen herum, die den meisten wohl noch aus der eigenen Schulzeit bekannt sind. Es gibt den unerreichbaren Schwarm, der dann aber auch wieder ein Idiot ist; es gibt die diffuse Angst, etwas zu verpassen; und es gibt über allem noch die Grüppchenbildung, die die Schüler*innenschaft in die „Beliebten und Gefeierten“ sowie in die vermeintlichen „Streber“ und „Loser“ unterteilt und jeglichen Austausch unmöglich macht. Nur, dass die Charaktere an diesem Punkt, anders als in anderen Highschooldramen, nicht eindimensional bleiben.

Amy und Molly sind in ihrem Außenseiterinnentum nicht perfekt und über jeden Fehler erhaben und die ach-so-gefeierten Party-Mitschüler*innen sind keine hohlen Unsympath*innen ohne jegliche Tiefe, wie zu Beginn angenommen werden könnte. Gezielt werden diese Klischees unterlaufen und es wird aus einem Vorrat an Themen geschöpft, die höchst relevant sind: Feminismus, Slutshaming, aber auch sexuelle Orientierung und das Einordnen in Geschlechtlichkeit jenseits von Binaritäten sind Motive, die mal mehr mal weniger ernst wie nebenbei eingestreut und auf eine Weise bearbeitet werden, welche weit entfernt von den oft plumpen und problematischen Filmen sind, die das Genre der Komödie hervorbringen kann.

Eine neue Generation: informiert, sensibel, gebildet

Hier wird eine Jugend repräsentiert, die informiert, sensibel und gebildet ist. Amy und Molly, aber auch die anderen Schüler*innen gehen mit den Themen, die die Erwachsenenwelt in Krisen und Streitereien stürzt, souverän um und praktizieren Vielfalt auf eine Weise, die zeigt, dass hier eine Generation an Menschen heranwächst, die zwar auch ihre Probleme hat, aber immerhin nicht mehr vom Weltuntergang ausgeht, wenn ein Junge beschließt, dass er keine Lust auf Fußball hat, aber für glitzernde Kostüme und Theater lebt. Die Dialoge unterstreichen diesen Eindruck und sprechen von einem großen Verständnis über popkulturelle, aber auch popkulturelle Aspekte der Gegenwart.

Natürlich kommt ebenso unweigerlich eine gewisse Überhöhung der Highschoolerfahrung zum Tragen und die Zuschauer*in fragt sich an einigen Stellen, wo denn diese schäumenden und extravaganten Poolpartys in der eigenen  Schulzeit zu verorten waren. Das Setting ist eines, welches eher von einer gut situierten Gruppe an Jugendlichen ausgeht und mögliche Schattenseiten einer Schulzeit außer Acht lässt, die mit Mobbing, einem unzureichenden Schulsystem und Bildungsungleichheit zu tun haben könnte. Am Ende des Tages haben sich natürlich alle lieb und die Schule war super. Doch diesen Anspruch hat der Film auch nicht und macht dafür in seinem Rahmen einiges richtig.

Klar darf noch gelacht werden

Diese Balance zwischen teilweise bekanntem Humor und dem Ausblick in eine neue Generation mit einem Witz, der ohne den faden Beigeschmack durch den oft inflationären Gebrauch von schlechten Pointen auf Kosten von anderen sexuellen Orientierungen, anderen Ethnien, Frauen … (die Liste ist leider echt lang) auskommt, ist das, was mehr Filme heutzutage brauchen. Und es ist ein Beispiel dafür, wie den ewigen „Dann darf man ja über gar nichts mehr lachen…“-Nörgler*innen entgegengehalten werden kann: Doch, es kann immer noch darüber gelacht werden, wenn Molly theatralisch darüber redet, dass die Zeit der „straight white men“ abgelaufen ist und auch Erbrochenes oder Pornos können einen humoristisch sehr aufgeladenen Effekt hervorrufen, wie im Laufe der Handlung klar wird. Aber es muss gut und reflektiert gemacht werden und nicht den Film tragen.

So bricht „Booksmart“ mit einigen Klischees, bedient sich dafür anderer auf eine gelungene Art und spricht so wahrscheinlich zum einen seine Zielgruppe der Teenager*innen sowie jungen Erwachsenen an, ist aber insgesamt auch für ältere Generationen sehenswert. Das Gefühl, mit dem man aus dem Kino geht, liegt jedenfalls irgendwo zwischen einem wohligem „Die Welt ist in Ordnung“ und einem aufatmenden „Zum Glück muss ich nie mehr so jung sein“.

 

„Booksmart“ (USA, 102 Minuten) läuft ab dem 14. November in Deutschland im Kino.

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