Filmreihe

,,Wunder“ – eine Komödie für den Kopf

Eine Buchverfilmung über einen nicht normschönen Jungen, die der breiten Masse Dankbarkeit lehrt. Mit viel Liebe für Wortspiele  und vielseitigen Perspektivenwechseln stellt Stefen Chbosky  (wunderbare) Herzensmenschen vor. 

Von Leonie Stoll

Kinder können grausam sein, Erwachsen werden ist kein Zuckerschlecken und der Schulhof sicher kein Ponyhof. Diese unschöne Realität ist eine Thematik, die in vielen Filmen behandelt wird. Die Coming-of-Age Komödie ,,Wunder“  beruht auf dem gleichnamigen Bestseller von Raquel J. Palacio aus dem Jahr 2012. Die Handlung dreht sich um die Leiden des jungen August Pullmann (Jacob Tremblay) während seinen ersten Tagen auf der Middle School – und scheint somit vergleichbar mit vielen bekannten Werke des vorherigen Jahrzehnts wie ,,Boyhood“ oder ,,Gregs Tagebuch“

Der unbeholfene, tollpatschige Nerd, welcher von den angehenden Starfootballern seiner Jahrgangsstufe gehänselt wird, war also keine Neuerfindung. „Wunder“ überzeugt aber trotzdem mit inhaltlicher Einzigartigkeit. 

Denn im Laufe des Films lernt der Zuschauer nicht nur Auggies Gedankenwelt kennen, das Werk ist unterteilt in mehrere Abschnitte: mal erzählt seine Schwester Via (Izabela Vidovic), die neben ihrem Bruder nur die zweite Geige innerhalb der Pullmann Familie spielt, oder auch Klassenkamerad Jack Will (Noah Jupe) dem Zuschauer von prägenden Geschehnissen.

Schon ein Blick auf das Werbeplakat der Hollywood-Verfilmung zeigt:  Auggies Gesicht ist stark deformiert. Aufgrund vieler Operationen wurde der Junge vor Beginn der Erzählung von seiner Mutter Isabel (gekonnt in ihrer Paraderolle als liebende Löwen-Mutter – Julia Roberts) zuhause unterrichtet. Die Handlung des Films setzt ein, als Auggie seine sichere Familienidylle in Upper Manhatten verlassen und eine öffentliche Middle School besuchen soll. Aufmerksame Freunde und oberflächliche Feinde, Gemeinschaft und Mobbing warten dort auf ihn. Natürlich durchleben Auggie und auch seine fürsorglichen Eltern eine Achterbahn der Gefühle. Doch im  rührenden Finale scheinen einige schwere Hürden endlich überwunden: Unser wissbegieriger Held gewinnt einen Forscherwettberb am Schuljahresende, wird von seinen Mitschülern akzeptiert und integriert. So beschließt Auggie, weiterhin seine Bildungsstätte zu besuchen.

DIE LIEBE LIEGT IM DETAIL

Ton und Licht bestechen mit hoher Qualität, genauso wie die Leistung des Casts –  es handelt sich um eine hoch professionelle Hollywood – Produktion.. Egal wie düster die Thematik, Farben und Licht sind dennocheher hell gehalten und machen den Film somit kinderfreundlich. Der wechselnde Erzähler spricht als Stimme aus dem Off mit dem Zuschauer. Dieses Stilmittel schafft definitiv eine intime Grundstimmung und hält die Aufmerksamkeit hoch. Die Nominierung für den Oscar in der Kategorie Bestes Make-up und Beste Frisuren ist mehr als verdient – einige Szenen des Films spielen an Halloween und hier ist jedes Kostüm mit Liebe gewählt und gestaltet. 

Die größten Kritiken an dem Film behaupten, der Zuschauer würde sich in einer seichten Scheinwelt langweilen. Ja, der Tiefgang der Handlung kann angezweifelt werden, nachdem die meisten Probleme aller Charaktere innerhalb  von fünf Minuten Spielzeit gelöst werden. Dennoch – die kleinen Dinge machen „Wunder“ sehenswert. Der  Lehrer, der Lebensweisheiten im Klassenzimmer aufhängt, die Tränen der Überforderung in den Augen der Mutter. Der Fakt, dass Jack Will Angst davor hat, zuzugeben, dass er sich diesen Winter keinen Schlitten leisten kann. Und all dies untermalt von fesselnder Hintergrundmusik. Hier sollte  jeder empathische Homo sapiens tiefe Dankbarkeit für Gesundheit, Freunde und Familie spüren.

(NICHT NUR) FÜR DIE LESERATTEN

Das Buch zu lesen empfiehlt sich, denn hierbei kann man sich wirklich in jeden Nebencharakter verlieben, der im Film eher klischeebehaftet und pauschalisiert erscheint. Zum Beispiel Vias Kindheitsfreundin Miranda (Danielle Rose Russell), die vorbildliche Cheerleaderin, die eigentlich lieber nur skaten würde. Die niveauvolle, stilistisch ausgeschmückte Sprache von Wortakrobat und Buchautor Palacio hat Chbosky aber zum Glück übernommen.  Zitate wie ,,We all have marks on our face. This is the map that shows where we’ve been and it’s never, ever ugly.“ von Isabel sorgen schließlich dafür, dass der Film und seine moralische Botschaft lange im Gedächtnis bleiben. Es gebührt allen Beteiligten Respekt und Wertschätzung für diesen Input, denn wie Auggie passend klargestellt:  ,,Jeder von uns hat mindestens einmal im Leben Applaus verdient.“

Wunder ist kostenlos auf Joyn sowie auf Google Play, Apple TV und Prime Video verfügbar, sowie als DVD zu kaufen.

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