Kulturphilter

Von der Antike bis zur EU

Der Master in Europäischer Geschichte an der Universität Luxemburg

Natalia-Ioana Costea studiert Europäische Zeitgeschichte im Master an der Universität Luxemburg. Als sie in das Land kam, wusste sie noch nicht einmal, dass es dort eine Universität gibt. Ein Professor und das Studienangebot überzeugten sie, länger zu bleiben als eigentlich geplant.

 

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Natalia Costea im Seminarraum an der Universität Luxemburg, Campus Walferdange. / Foto: Mechthild Herzog

Eigentlich sollte es es eine kurze Zwischenstation sein, das letzte Großherzogtum der Welt. Ein paar Monate arbeiten, die Internationalität und Vielsprachigkeit genießen, die zentrale Lage nutzen, um ein wenig mehr von Europa zu sehen: Als die Rumänin Natalia-Ioana Costea 2011 nach Luxemburg kommt, weiß sie wenig über das Land. Sie hat einen Kunst-Bachelor in ihrer Heimatstadt Bukarest gemacht, nun ist sie auf der Suche nach einem geeigneten Master. Freiburg im Breisgau ist lange Favorit. Doch dann ziehen ein paar Freunde nach Luxemburg, Natalia geht mit – und bleibt. Denn wie sie kurz nach ihrer Ankunft erfährt, hat auch das kleine Großherzogtum eine eigene Universität.

Geschichte interessiert die Rumänin nicht nur persönlich, sie hält sie auch für eine sinnvolle Wissensgrundlage in vielen Berufsfeldern. Besonders Zeitgeschichte liegt ihr, die Europäische Union, die Entwicklung der Gemeinschaft – eine vertiefende Beschäftigung damit bietet der Master in Europäischer Zeitgeschichte. Im September 2012 nimmt sie das Studium auf.

Die Internationalität, die sie überhaupt erst ins Land gelockt hat, spiegelt sich auch in dem guten Dutzend Studierenden des Jahrgangs wider: Neben Rumänien und Luxemburg sind etwa auch Portugal, Deutschland, Griechenland und Algerien als Herkunftsländer vertreten. Das Masterstudium ist, so wie die ganze Universität, offiziell dreisprachig – gelehrt, gefragt, gelernt und geprüft wird auf Französisch, Englisch und Deutsch. Innerhalb der meisten Seminare wird mehrfach zwischen den Sprachen gewechselt. Wer zwei der drei beherrscht, hat keine Probleme, seinen Abschluss zu machen. Natalia beginnt das Studium mit sehr rudimentären Deutschkenntnissen, die sie schon innerhalb des ersten Semesters deutlich ausbaut.

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Campus Limpertsberg mit Studierenden. / Foto: David Laurent

Nicht nur die Studierenden, auch die Dozenten kommen aus verschiedenen Ländern: aus Frankreich, Luxemburg, Belgien, Deutschland, Italien. Zu den verschiedenen Sprachen kommen dadurch verschiedene Standpunkte. Das macht die Debatten um europäische Integrationsprozesse sehr vielfältig. Diskutiert wird häufig, die geringe Größe des Masters bietet das an. Generell gibt es kaum klassischen Frontal-Unterricht. Schon im Studium soll Wissen angewendet werden, durch Brücken zu neuen Bereichen wie den digital humanities, dem Vermitteln verlässlicher Fakten und Hintergründe über neue Medien.

Hauptthema des Studiums ist nicht zwingend die Europäische Integration. Zu Beginn des ersten Semesters entscheidet jeder für sich, ob er den inhaltlichen Schwerpunkt auf europäische Geschichte von der Antike an legen oder eher die letzten 100 Jahre vertiefen möchte. Vom Verständnis der Krise im antiken Griechenland über verschiedenste europäische Visionen im Zweiten Weltkrieg bis zur Wirtschafts- und Finanzpolitik der 1970er Jahre und der Bildung der heutigen Europäischen Union wird die Geschichte eines Kontinentes, eines Kulturraumes, einer kaum zu fassenden Einheit aus verschiedenen Blickpunkten besprochen und hinterfragt. Nicht nur im Seminar: Zum Master gehören außerdem eine Reihe von Konferenzen und Gastvorträgen sowie mindestens eine Exkursion. Zudem sind etliche EU-Institutionen, darunter der Europäische Gerichtshof und das Archiv des EU-Parlaments, in der Hauptstadt des kleinen Landes untergebracht.

Als Natalia in Luxemburg zu studieren beginnt, fürchtet sie, an der jungen Universität – sie ist gerade zehn Jahre alt – an Grenzen zu stoßen. Die gibt es tatsächlich: Das Bibliothekssystem ist im Aufbau, der Campus noch an drei Orten dezentral untergebracht. Aber der Staat investiert: Schon für 2014 ist die Zusammenlegung aller Standorte geplant. Zunächst fürchtet die Rumänin zudem, die Universität sei ihr zu klein. Doch sie lernt die nahezu familiäre Stimmung und die kurzen Wege zu den Professoren zu schätzen. Nicht zuletzt, da Letztere ihr einen guten Nebenjob verschaffen: Gerade weil die Universität noch im Auf- und Ausbau begriffen ist, werden viele Forschungsstellen für Studierende angeboten. Um Bereiche zu erweitern und um in neuen Gebieten wissenschaftliche Grundlagen zu schaffen.

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Der Grund, eines der idyllischsten Viertel der Stadt Luxemburg. / Foto: Luc Deflorenne

Auch rund um das Studium hat Luxemburg einiges zu bieten: Der Schritt aus der Uni führt hier meistens ins Grüne – Hügel, Auen, Kühe prägen das kleine Land. Natalia sucht nicht nur Ausgleich in der Natur: In Luxemburg leben Menschen aus über 150 Nationen. Entsprechend vielfältig ist die Kulturlandschaft. Und wenn das Land doch einmal zu klein wird, sind Brüssel und Paris nur zweieinhalb Zugstunden entfernt.

Eineinhalb Jahre stehen der Rumänin noch bevor – zwei Semester lang Kurse, ein Semester für die Masterarbeit. Was danach kommt, weiß sie noch nicht sicher. Luxemburg bleibt aber definitiv eine Alternative – die Universität bietet neben Forschungsstellen für Studierende auch etliche Promotionsstellen an. Die sind nicht nur den relativ hohen Lebenshaltungskosten im Land angepasst und infolgedessen ziemlich gut bezahlt. Sie sind durch den Ausbau und die zeitgleiche Unbekanntheit der Universität recht einfach zu bekommen.

 

Allgemeine Informationen

Website der Universität Luxemburg: www.uni.lu

Website des Masters: http://mahec.uni.lu/

Unterrichtssprachen: Französisch, Englisch, Deutsch

Voraussetzungen: Bachelor- oder vergleichbarer Abschluss in Geschichte oder einem naheliegenden Fachbereich; gute Kenntnisse in mindestens zwei der drei Unterrichtssprachen

Semestergebühren: 200 Euro

Dauer: 2 Jahre

Abschluss: Master of Arts (120 ECTS-Punkte)

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Der Campus Walferdange, Hauptaufenthaltsort für Studierende des Masters in Europäischer Zeitgeschichte. / Foto: Michel Brumat

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