Schon zum achten Mal hat vergangenen Mittwoch die Philharmonie die Münchner Studenten zum jährlichen Unikonzert im Gasteig zusammengetrommelt – und selbstverständlich ist auch Philtrat dem Ruf gefolgt: Impressionen eines nun schon traditionsreichen Abends.
Das musikalische Programm beim diesjährigen Unikonzert war – man kann es nicht anders sagen – himmlisch. Dabei waren die Themen der Stücke so dezidiert irdisch wie selten: Den Auftakt bildete Dvořáks ergreifende Konzertouvertüre Othello, die sich mit der Widersprüchlichkeit der Liebe beschäftigt. Die Thematik von Shakespeares Stück eignet sich natürlich bestens, um die Licht- und Schattenseiten der Liebe in Musik zu fassen. Hin- und hergerissen zwischen Zuneigung und brennender Eifersucht gerät Othello schließlich in eine solche Raserei, dass er seiner Frau Desdemona den Garaus macht.
Dementsprechend kontrastreich ist Dvořáks Interpretation: Mit träumerisch-romantischer Emotionalität hebt das Liebesthema an, das jedoch schon früh von grellen Geigenstrichen gestört wird, die sich nach und nach zu wilden Ausbrüchen steigern. Mit fast unheimlicher Präzision führt Daniel Hardings gefühlvoller Taktstab die Philharmoniker durch die Ouvertüre und treibt das Orchester zu einem intensiven Finale, bei dem sich die Streicher in eine Ekstase spielen, die so Manchen an Hitchcocks Psycho-Soundtrack erinnern mag.
Ähnlich diesseitig kommt das nun folgende Geigenkonzert daher, wiederum von Dvořák: Die für den tschechischen Komponisten so typischen böhmischen Klangfarben bestimmen die Stimmung des Stücks, das der renommierte Sologeiger Frank Peter Zimmermann mir routinierter Virtuosität und großer Spannung gestaltet. Melancholische Volksmelodien, die selbst einem Nicht-Tschechen wehmütiges Heimweh nach Böhmen zu bereiten vermögen, geben in dem dreisätzigen Konzert folkloristisch-lebensbejahenden Tanzrhythmen die Hand. Trotz der überwältigenden Präzision von Orchester und Solist will hier der Funke jedoch nicht so recht überspringen – ob die Schuld daran bei den bisweilen zu wenig emotional gespielten Einschüben des Orchesters liegt oder der akustisch unbefriedigende Konzertsaal des Gasteigs bei dem leiseren Geigenkonzert seinen Tribut fordert, sei dahingestellt.
Das ganze Spektrum der Emotionen deckt dagegen nach der Pause die vierte und letzte Symphonie des Romantikers Johannes Brahms ab, die der junge und energiegeladene Daniel Harding mit vollem Körpereinsatz dirigiert. Zu seinem körperbetonten, ja manchmal rudernden Dirigierstil äußerte sich Harding gegenüber der Zeit wie folgt: „Man braucht Schamlosigkeit, ich muss meine Hemmungen vergessen, dann kann ich mit den Armen magische Dinge vollbringen.“ Genau das hat er an diesem Abend geschafft: Die Musik von Brahms entfaltet unter seiner Führung eine magische Energie.
Der herausragenden Leistung von Dirigent, Solist und Orchester zollt das junge Publikum denn auch ausgiebig Anerkennung (sogar zwischen den Sätzen, was eine gewisse Grünohrigkeit der studentischen Konzertbesucher verrät). Nur schade, dass Harding und seine Philharmoniker ihren wohlverdienten Applaus nicht etwas länger genießen wollten; die begeisterten Studenten hätten gerne noch ein wenig weiter geklatscht.