Podiumsdiskussion in der besetzten Akademie der Künste
Um 8 Uhr war der Saal fast leer. Keine zwanzig Minuten später war er dann so voll, dass viele im Flur Schlange stehen mussten. Anlass für diesen Auflauf an Studenten am Dienstagabend (10.11.09) war die Podiumsdiskussion „Best of Bologna“, zu der die Akademiebesetzer im Rahmen ihrer Protestaktion geladen hatten. Neben den Professoren Klaus vom Bruch, Stephan Dillemuth, Matthias Wähner und Hermann Pitz von der Akademie hatten sich auch die Grünen-Abgeordnete Ulrike Gote (MdL) sowie Dr. Robert Stockhammer, Professor für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der LMU, eingefunden, um den Bolognaprozess kontrovers zu diskutieren.
Dabei waren sich zwar alle Teilnehmer einig, dass der Bolognaprozess in seiner jetzigen Form allen Anlass zur Beschwerde gibt, dennoch gingen die Meinungen bei der Bewertung der Umstellung auf das Bachelor/Master-System massiv auseinander.
So stehen Grünen-Abgeordnete Gote und LMU-Professor Stockhammer dem Prozess prinzipiell positiv gegenüber, bemängeln aber die ihrer Ansicht nach ungenügende Umsetzung.
Hierbei wird der schwarze Peter aber unterschiedlichen Instanzen zugeschoben: Gote macht die „Unterfinanzierung und Ökonomisierung von Bildung“ – also die Politik von Bund und Ländern verantwortlich. Dazu komme es durch geförderten Wettbewerb zu einer zunehmenden Spezialisierung der Universitäten, was statt zu mehr eher zu eingeschränkter Mobilität führe.
Stockhammer hingegen sieht die Probleme auf anderer Ebene: „Es gibt viele zwischengeschaltete Instanzen, die außerordentlich kontraproduktive Vorgaben machen.“ So habe beispielsweise die Verwaltung der LMU dafür gesorgt, dass ein funktionierender, akkreditierter Studiengang in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft, abgeschafft wurde und ein neuer, „nicht-akkreditierbarer“ eingeführt wurde.
Die Frage, ob der Bachelor nur als „Abschluss zweiter Klasse“ gelte und damit Studenten den Weg zu einem guten Job verbaue, beantwortet Stockhammer damit, dass spätestens ein schlechter Bachelor-Abschluss, der nicht zum Master qualifiziert, bezeuge, dass das gewählte Fach für den Studenten nicht unbedingt das richtige sei. Und hier liegt wohl auch einer der Vorteile des neuen Systems: Studenten bekommen viel früher die Möglichkeit, sich neu zu orientieren oder statt der Theorie die Praxis für sich zu entdecken – aber mit qualifizierendem Abschluss, nicht mit abgebrochenem Studium.
Leider nur am Rande kam der Gedanke auf, worum es beim Studium überhaupt geht: Geht es wirklich um die Struktur und den Abschluss? Oder ist ein Studium nicht vielmehr eine Möglichkeit, uns unabhängig von Strukturen und Anforderungen des Marktes zu bilden – sowohl fachlich als auch persönlich? Wie Prof. Dillenmuth treffend sagt: „Freiheit entsteht auch im Kopf.“ Vielleicht wäre es dementsprechend für uns Studenten sinnvoll, einmal über unsere eigene Geisteshaltung nachzudenken, bevor wir äußere Umstände für unsere Misere verantwortlich machen: Wir beklagen uns darüber, dass unser Studium immer marktabhängiger gestaltet wird, aber sind wir es nicht selbst, die wir heute unser Studium nicht mehr ausschließlich nach dem Kriterium Interesse, sondern auch danach auswählen, welche Kombination von Fächern und/oder Kursen uns die besten Chancen auf dem Arbeitsmarkt bietet?
Im Endeffekt ist man sich wohl einig: Der angefangene Bolognaprozess kann nicht mehr aufgehalten werden. Er kann lediglich eingefroren, verändert oder sinnvoller gestaltet werden, aber das sollte nicht allein der Politik überlassen werden! Hochschulen wie Studenten müssen, sofern man etwas verbessern will, mit eingebunden werden, um einen Konsens zu finden. Und dies darf nicht an Bürokratie oder fehlender Gesprächsbereitschaft scheitern.