Online Philterchen

„There’s never enough time to do all the nothing you want“

Geht man nach ihren Bürotüren, dann sind viele LMU-Dozenten Fans des Kult-Comics „Calvin & Hobbes“. Wann gibt es eigentlich ein Seminar zu ihnen? Note 1,3 wäre dem philterchen-Autor sicher. Er hat sie schließlich verdient.

Von Fabian Dilger

Warum lernen? Warum sich anstrengen? Wieso nicht träge, phlegmatisch, teilnahmslos bleiben? Warum nicht draußen spielen, und Mathe den Maschinen überlassen. Es gibt schließlich andere Methoden, um zum Erfolg zu kommen – unverdientes Glück zum Beispiel. Diese und viele andere Einsichten propagierte von 1985 bis 1995 der leicht anarchistische Zeitungscomic „Calvin & Hobbes“, in dem ein nihilistisch-zynischer sechsjähriger Junge zusammen mit seinem Stofftiger sich oftmals tiefschürfenden Betrachtungen über die Welt der Erwachsenen hingab. Dass die gezeichneten Bilder zum Kult-Comic für Akademiker avanciert sind, kann man zum Beispiel bei einem Hausspaziergang durch die Institute der Geisteswissenschaften beobachten. Auch während man auf Sprechstunden wartet, sollte man sich die Eingangstüren zu den Zimmern der Dozenten einmal näher ansehen – gewissermaßen eine Visitenkarte für den Eintretenden. Gefühlt jede dritte Tür der Anglisten, Germanisten, Amerikanisten und Historiker ziert nämlich ein kleiner ausgeschnittener Comic-Strip mit Calvin und Hobbes. Beliebte Motive sind etwa die Strips mit den Schlussgags „You can present the material, but you can’t make me care.“ oder „I go to school, but I never learn what I want to know.“

Es ist kein Wunder, dass Calvin und der Tiger, die sich mit missgelaunten Eltern, Babysittern, Lehrerinnen
und Rektoren herumärgern müssen, die ihre Ausflüge abseits der Schul- und Benimm-Norm nie so ganz verstehen wollen, auch zwanzig Jahre nach der Einstellung immer noch so populär unter den Middle-Agers sind. Einerseits hat es der Schöpfer Bill Watterson geschafft, seine klugen Gags mit einem Schuss Ernst und gewisser Resignation zu präsentieren, so dass auch Erwachsene sich angesprochen fühlen. Andererseits ist es Watterson als einem der wenigen Comic-Schöpfer dabei gelungen, so unpathetisch und unprätentios wie möglich zu bleiben: So bleibt auch nach gleichermaßen bekannten wie nachdenklichen Zeilen („Manchmal glaube ich, der beste Beweis dafür, dass es anderswo im Weltall intelligentes Leben gibt, ist der, dass noch niemand versucht hat, Kontakt mit uns aufzunehmen“) kein moralinsaurer Geschmack oder behäbige Gelehrigkeit zurück. Watterson hat es schlicht sehr gut verstanden, die Dynamik seiner 3 bis 5-Bilder-Strips so auf den Punkt genau treffend zu inszenieren, dass der Schlussgag wie die logische Konsequenz wirkt und nie überheblich scheint. Auch die Konsum-Verweigerungshaltung des Schöpfers Bill Watterson, der sich gegen jede weitere Kommerzialisierung seiner Figuren verwahrte, mag sein Scherflein dazu beigetragen haben, dass Calvin & Hobbes immer noch die unangefochtenen und keineswegs peinlichen Könige des Erwachsenen-Comics sind.

Vielleicht sollte man seinem Dozenten bei der nächsten schlechten Hausarbeit-Bewertung also folgendes entgegenhalten: „I realized that the purpose of writing is to inflate weak ideas, obscure poor reasoning, and inhibit clarity.“ Man kann sich eigentlich sicher sein, dass das Zitat den meisten Lehrberechtigten zumindest ein wissendes Lachen entlocken wird.

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