Wer im Bereich Film auf dem Laufenden bleiben will, findet sich freitags um 23:15 Uhr im CINEMA OV in der Nymphenburgerstraße ein. Jede Woche wird dort ein Film im englischen Original vorgeführt, der hierzulande noch nicht veröffentlicht ist und erst in den nächsten Wochen und Monaten seinen Weg in die deutschen Kinosäle findet. Ende März war A Single Man zu sehen, der seit dem 8. April in den deutschen Kinos läuft.
A Single Man – Albtraum und Tragödie
Ein Auto ist in einem Schneesturm von der Straße abgekommen und hat sich überschlagen. Der Fahrer liegt mit toten, glasigen Augen neben dem Wagen. Langsam tritt Colin Firth in einem edlen schwarzen Anzug ins Bild und geht wie in Trance zu dem Toten. Er fällt auf die Knie, beugt sich über ihn und gibt ihm einen sanften Abschiedskuss.
Aus diesem Traum erwacht George Falconer (Colin Firth) und findet sich in seinem realen Albtraum wieder. Er ist Professor für Literatur im Los Angeles der 1960er Jahre. Die Kubakrise erhebt ihr drohendes Haupt, Krieg scheint heraufzudämmern. Aber Außenpolitik ist in dem Regiedebüt von Designer Tom Ford nur eine Fußnote. Im Mittelpunkt steht allein der trauernde Falconer: Nach einer 16 Jahre währenden glücklichen Beziehung verlor er seinen Lebensgefährten bei einem Autounfall und findet sich nun einsam im gemeinsamen Haus wieder, durch die strengen Normen von der Gemeinschaft ausgegrenzt. Der einzige Ausweg, der ihm in seiner Trauer in den Sinn kommt, ist, einem Leben ein Ende zu bereiten.
Der Zuschauer ist Zeuge jenes Tages im Leben von George Falconer, den dieser als seinen letzten eingeplant hat. Man begleitet ihn an seine Universität, zu seiner besten Freundin Charlotte (Julianne Moore), sieht die Erinnerungsfetzen aus glücklicheren Tagen und über allem liegt die Erwartung des drohenden Endes.
A Single Man ist etwas ganz Besonderes und das nicht nur wegen Colin Firths unglaublicher Performance, die definitiv einen Oscar wert gewesen wäre und nicht bloß eine Nominierung. Firth lässt das Publikum den enormen Druck der Gefühle, die unter der schönen Fassade brodeln, in all ihrer Intensität spüren. Aber auch der Regisseur Ford trägt seinen Teil zur Atmosphäre bei, indem er den Zuschauer durch das Setting in eine Zeit zurück versetzt, in der Homosexualität noch geächtet wurde, ohne dabei jedoch so politisch zu werden, dass man die persönliche Tragödie des Protagonisten aus den Augen verliert. Das ist nicht zuletzt der gleichnamigen Buchvorlage von Christopher Isherwood zu verdanken. Besonders beeindruckend ist auch, wie Ford den Verlust Falconers symbolisch darstellt, nämlich durch eine geminderte Farbsättigung der Bilder: Falconers Alltag ist buchstäblich grau geworden. Subtil schleicht sich die Farbe nur zurück, wenn er etwas sieht, das sein Leben lebenswert macht, von einer blühenden Rose bis hin zum Körper eines schönen jungen Mannes. Dann triefen die Bilder nur so vor Farben, die so übersatt sind, dass sie an Technicolor erinnern.
Tom Ford ist sein Debüt gelungen ist. A Single Man besticht durch die Intensität der Atmosphäre, die bewegende schauspielerische Leistung Colin Firths und nicht zuletzt durch das tragisch-schöne Leben des fiktiven George Falconer. Dieser Film ist nicht nur eine wunderschöne Tragödie, sondern ein Muss!
(Illustration: Felix Fuchs)