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Mission Impossible 1862 – von Dagersheim nach Dharwad

Eine Vier-Kanal-Videoinstallation von Medienkünstler Chris Ziegler im Muffatwerk


Im Schatten des Literaturfestes in München finden auch noch andere Veranstaltungen in der Muffathalle statt: Der Münchner Künstler Chris Ziegler setzt sich als Medienkünstler und Regisseur mit der Verbindung der Neuen Medien mit den Darstellenden Künsten auseinander. Und mit der Vergangenheit.


Das Tagebuch war ausschlaggebend. 700 Seiten, eng beschrieben, dazwischen ein paar Zeichnungen. Chris Ziegler hatte nichts davon gewusst, dass sein Ur-Ur-Großvater Jakob Friedrich Ziegler vor 150 Jahren – seit 1862 – in Indien arbeitete, als Missionar der Schweizer „Basel Mission Church“. Und das ganz in der Nähe der Orte, an denen Chris Ziegler selbst in Indien mit einem Tanz-Projekt tätig war.

Chris Zieglers Vater hatte die Tagebuchblätter entdeckt, aber nicht entziffern können: Sie sind in Sütterlin geschrieben, der alten deutschen Schreibschrift. Im Internet fand Chris Ziegler schließlich ein Altersheim in Hamburg, das Sütterlin-Übersetzungen anbietet.

Eigentlich ist Chris Ziegler kein Detektiv, schon gar kein Ahnenforscher, aber die Geschichte dieses Missionars hat ihn gepackt, denn es ist auch die Geschichte eines Austauschs, der Verständigung. Mit vier einfachen Digitalkameras, im Rechteck auf eine Frisbee-Scheibe montiert, macht er sich wieder auf den Weg nach Indien, diesmal auf den Spuren seines Ur-Ur-Großvaters. Richtung Ost, Nord, Süd und West zeichnen die Kameras auf, was ihm dort begegnet: neugierige Kinder und Erwachsene, träge Kühe, heilige Bäume. Aber auch eine Universität, die sein Ur-Ur-Großvater vor 150 Jahren gegründet hat und die noch heute die einzige im Umkreis ist. Ein Englisch-Kanaresisches Wörterbuch, das von ihm damals verfasst worden war und noch heute in Gebrauch ist. Jakob Friedrich Ziegler hatte auch Krankenstationen aufgebaut und Schüler-Hospize errichtet, die noch heute seinen Namen tragen. Jakob Friedrich Ziegler war als Missionar im „Bekehren“ nicht sehr erfolgreich, hat aber für die ihm anvertrauten Menschen sehr viel Nützliches getan.

A journey into the past with the means of 21th Century

Chris Ziegler hebt nun diesen Faden auf, um ihn auf eigene Faust weiterzuspinnen. Aus seinen Kameraaufzeichnungen ist ein eigenes Videotagebuch entstanden, das er in einer Performance der besonderen Art mit den Tagebuchseiten seines Ur-Ur-Großvaters verknüpft.

Vier große Leinwände hängen von der Decke herab, jeweils zwei einander gegenüber. Sie bilden eine Art „Raum“, in dessen Mitte ein Tisch steht. An dem Tisch sitzen Jakob Friedrich Ziegler, verkörpert von dem Karlsruher Schauspieler Heinz Röser-Dümmig, und Chris Ziegler selbst. Während der Schauspieler aus dem alten Tagebuch liest, laufen über die Leinwände Chris Zieglers Videoaufnahmen ab. Als Zuschauer auf den Stühlen unterhalb und um die Leinwände herum hat man das Gefühl, tatsächlich vor Ort zu stehen und in jede Himmelsrichtung zu blicken.

Das Ziel dieser ungewöhnlichen Performance geht über einen schönen, informativen Abend hinaus, denn das Projekt soll auf Reisen gehen. Gerade werden die Texte noch ins Englische übersetzt, dann sollen sie auch in Indien aufgeführt werden. Chris Ziegler will dem Land wieder etwas zurückgeben, einen Dialog schaffen, der auf gemeinsamen Erinnerungen basiert.

(Foto: Chris Ziegler)

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