Kulturphilter

Megamind

Die Renaissance des Superschurken

Einem fremden Planeten droht die Vernichtung und nur Megamind (Will Ferrell) wird von seinen Eltern gerettet und in die Sicherheit einer fernen Galaxie geschickt. Der Beginn des neuesten Dreamworks-3D-Filmes zeigt, wie der brillante Oberschurke überhaupt auf die Erde gekommen ist und unterscheidet sich dabei kaum von Supermans Exodus. Jedoch ist dies kein bloßes Kopieren des Urvaters der Superhelden, denn die Anspielungen auf den Veteranen der DC Comics sind eher humorvolle Insider-Gags. Gemeinsam mit Megamind wird auch noch das Baby eines der Nachbarplaneten zur Erde geschickt: der spätere Metro Man (Brad Pitt). Während Letzterer buchstäblich im Villenviertel landet, verschlägt es Megamind direkt in ein Gefängnis. Von den Insassen aufgezogen, begegnet er dem anderen „Alien“ erst wieder, als man ihn zur Schule schickt. Doch so sehr er sich auch bemüht, sein Rivale ist mit seinen diversen, erstaunlichen und übermenschlichen Fähigkeiten der Liebling aller, während der Sonderling mit der blauen Haut und dem übergroßen Schädel trotz seines Intellekts immer bloß der Buhmann bleibt. Das Unheil nimmt seinen Lauf, als er sich deswegen trotzig in seine Rolle fügt und beschließt, zum Schurken und Erzfeind Metro Mans zu werden, um so allen seine Überlegenheit zu beweisen.

Megamind steht damit in der Tradition einer neuen Generation von Superhelden-Filmen, die in letzter Zeit populärer zu werden scheinen. Der Protagonist ist auf einmal nicht länger der aalglatte Schönling von Superheld, sondern sein Gegenspieler, der sich schließlich als sympathischer, wenn auch etwas verkorkster Underdog entpuppt. Schon Despicable Me erforscht diese Art der Verkehrung des Genres. Dass mit Megamind nun schon der zweite Film dieser Art im Jahr 2010 erscheint, könnte man als Hinweis auf eine gewisse Heldenmüdigkeit der Branche interpretieren. Womöglich müssen wir uns in nächster Zeit auf die Renaissance des Superschurken gefasst machen.

Von Baby-Robben und Zynikern

Die Anspielungen auf Superman sind zahlreich in dieser intelligenten 3D Animations-Komödie. Allerdings ist die Entsprechung des wohlbekannten Helden in Megamind nicht länger der zentrale Charakter. Seine moralische Integrität scheint heute nicht länger von Interesse, seine Unbesiegbarkeit wirkt geradezu langweilig. Viel interessanter ist es da, einen etwas überdrehten, tollpatschigen Superschurken dabei zu beobachten, wie er vergeblich versucht, die Oberhand zu gewinnen. Besonders gut ist dies hier gelungen, da der Film sich durch 3D-Effekte und Detailreichtum genauso auszeichnet wie durch gelungenen Wortwitz und erfrischende Situationskomik. Für Comic-Fans ist außerdem die Superman Persiflage ein zusätzlicher Spaßfaktor.

Megamind an sich ist durch und durch überzeugend. Der Protagonist ist sympathisch und urkomisch, wodurch ihm sogar die obligatorische Läuterung zum Superhelden ohne Verlust seines Charmes gelingt. Was jedoch im Film witzig ist, sollte zivilisationstechnisch wieder einmal zu denken geben, ähnlich wie die immer drastischer werdende Gewaltdarstellung in anderen Filmen. Sicher, Sätze wie: „Oooh, I’m shaking in my custom baby seal leather boots!“ sorgen für Wellen von Gelächter im Kinosaal, aber wenn man bedenkt, dass sich solche Animationsfilme auch und vor allem an Kinder richten, wirken sie fast schon zynisch.

Zu erörtern, woran das genau liegt, würde jedoch den Rahmen dieser Rezension sprengen und sollte ohnehin eher den Theoretikern der Sozial- und Kulturwissenschaften überlassen werden. Man kann darin nämlich genauso eine toleranter werdende Filmindustrie gespiegelt sehen, die versucht, sich endgültig vom früheren Schwarz-Weiß-Denken westlicher Ideologien des Kalten Krieges zu lösen, wie auch einen beunruhigenden Werteverfall einer Gesellschaft, die im Rahmen der Postmoderne nicht länger eine klare Grenze zwischen Falsch und Richtig zu ziehen vermag.

Unabhängig davon könnte man aber auch einfach argumentieren, dass Megamind eine wundervolle Komödie für die ganze Familie ist, die sich nicht nur durch technische Überlegenheit, sondern eben auch einen etwas anderen Protagonisten von der Masse abheben möchte.

So oder so: Sehenswert! Ab dem 2. Dezember bricht Megamind auch in den deutschen Kinosälen eine Lanze für das verkannte Genie des netten Superschurken von nebenan.

(Bild: Dreamworks)

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