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Let’s swing!

Bei der Jazznacht der HMT München wird ein bunter Strauß Musik dargereicht

„Jazz bietet mir die einzige Möglichkeit, frei zu sein, zu schweben, zu träumen“, sagte einmal der französische Musiker Michel Portal. Dass das auch den Zuhörer betreffen kann, bewies die diesjährige Jazznacht der Hochschule für Musik und Theater München. Das „sommerliche Highlight“ im Jahresprogramm des Jazz-Instituts wurde von verschiedenen Ensembles gestaltet und enttäuschte die Zuhörer nicht. Nicht nur verschiedene Stile und Ensembles trugen zum gelungenen Hörerlebnis bei, auch die eindeutige Differenz zwischen den Kompositionsstilen.

Fabian Böglsack Oktett (Foto: Mike Gangkofner)

Mit drei Ensembles, die jeweils zwei Stücke zum Besten gaben, bildete die erste Hälfte des Abends einen doch beträchtlichen Teil des Ganzen. Den Anfang machte das Fabian Böglsack Oktett. Eine runde Mischung unter Leitung von Fabian Böglsack, der an der Trompete seinen Abschluss an der HMT bereits hinter sich gebracht hat. „Ich war zufrieden“, lobte Professor Claus Reichstaller, der an diesem Abend die musikalische Gesamtleitung übernahm und gekonnt locker durchs Programm führte. Er fügte noch hinzu, dass Fabian Bögelsack auch ein Stipendium erhalten hat, was die Erwartung natürlich steigen lässt. Allein die Zusammenstellung der vielen Instrumente, darunter Percussion, Drums, Posaune, Tenorsaxophon und Trompete, ließen einzelne Passagen nicht mehr klar durchsickern. Hier hätte man sich ein bisschen weniger gewünscht. Dem Ganzen hat das aber, auch in Anbetracht der gekonnten Soli, gerade von Bögelsack an der Trompete und Martin Seitz am Tenorsaxophon, wenig Abbruch getan.

Kleines Ensemble, große Töne

Mit KELZOO, dem zweiten Ensemble unter der Leitung des Gitarristen Claas Krause, wechselte der Stil zugunsten einer weniger überladenen Zusammenstellung. Nicht nur Krause selbst zeigte sein Können und machte sein Solo zur virtuosen Einlage mit stimmigen Passagen, auch an den Drums gab Samuel Dick sein Bestes. Mit eher sanften Bewegungen und nicht so sehr auf Lautstärke setzend wie Manuel Di Camillo vom Fabian Bögelsack Oktett, streichelte er sein Instrument schon fast und zeigte so, dass rhythmische Soli nicht immer in einem Fortissimo enden müssen. Die geradlinige Rhythmik, die er gekonnt zu durchbrechen wusste, konnte er bis zum Ende des Solos aufrecht erhalten. Leider wusste das Publikum das weniger zu würdigen als Di Camillos Einsatz.

KELZOO (Foto: Mike Gangkofner)

Abschließend für den ersten Teil zeigt das Josef Reßle Quintett mit einer ganz innovativen Variante dem Publikum, dass an diesem Abend auch neuartige Hörerfahrungen ihren Platz bekommen. Nathalie Elwood (Gesang) und Matthieu Bordenave (Saxophon) leiteten den Auftritt des Ensembles ein mit einem Unisono der etwas anderen Art. Gesang wird hier nicht melodisch über die instrumentale Ebene gelegt, er wird Teil von ihr. Das mag auf den ersten Blick ungewohnt sein, das Ganze jedoch ohne große Patzer zu vollführen, erfordert großes technisches und rhyhtmisches Können. Genau dieses beweisen die beiden. Josef Reßle am Klavier gibt sich eher bescheiden. Sein Solo bleibt noch länger in den Ohren und bringt auf den Punkt, was das Unisono verschleiert hat.

Orient meets Jamaika

Nach der Pause ging es weiter mit den heiß erwarteten Uraufführungen der verschiedenen Kompositionsklassen. Beginnend mit der Komposition von Maruan Sakas (Klavier), der aus der Klasse von Andreas Kissenbeck kommt, wurde der Zuhörer eingetaucht in eine Mischung aus abendländischer Melodik und jamaikanischem Beat. Das verspriach schon der Titel „Dance Hall – Arab Call“. Hier zeiget die Komposition, dass Musik verbinden kann, wo die Politik versagt. Das Publikum würdigte den Kombinations-Versuch und ließ keinen Zweifel daran, dass das Unterfangen gelungen ist. Leicht kam die arabische Melodie daher, legte sich fast tänzeld über den sogenannten Dancehall-Riddim, der vom Bass einschlägig zum Besten gegeben wurde.

Monika Roscher (Foto: Mike Gangkofner)

Das hochschuleigene U.M.P.A. Jazzorchester (U.M.P.A. = University for Music and Performing Arts, d. Red.) und Monika Roscher mit ihrer Komposition namens „Illusion“ mischten den Abend anschließend gehörig auf. Durchbrochen von Texteinlagen gab sich das Stück weniger illusorisch getränkt als vielleicht erwartet. Hier wurde richtig geswingt, aber nicht im traditionellen Sinne wie etwa bei Count Basie. Der Aufbau mit Soli und weiträumiger Harmonik ist dem Jazz zwar noch sehr nahe, einen eigenen Stil zeigte Roscher aber genauso wie Sakas. Ihrer besteht nun nicht aus der Mischung nicht-europäischer Stile. Sie verbindet heterogene Stile, wobei die Komposition nicht konstruiert wirkt. Die Erwartungen stiegen vor dem Auftritt, da Roscher bereits beim Münchner Jazzlabel enja records unter Vertrag ist. Wer sich darauf einließ, das Aufbäumen und Abschwächen der Parts auf sich wirken zu lassen, der konnte nicht umhin festzustellen, dass da bestimmt noch mehr möglich sein wird. Roscher legte sich mit ganzer Hingabe hinein in die Musik und lud ein, sich einfach zurückzulehnen und zu genießen.

Bevor die Professoren noch als Abschluss etwas zum Besten gaben, war Andreas Unterreiner an der Reihe. Mit der „I God Rhythm Suite“ [sic] forderte er das U.M.P.A. Jazz Orchestra plus Strings. Dieses große instrumentale Unterfangen hat sich seine Berechtigung in der Komposition geholt. So zeigt Unterreiner, dass er nicht nur gekonnt instrumentieren kann, sondern auch, dass er sich im kompositorischen Aufbaue einer „Jazz-Suite“, vielleicht in der Tradition Schostakowitschs, zu Hause zu fühlen scheint.

Vielfältige Geschmäcker wurden angesprochen, worin genau die Stärke des Abends lag. Die ausgewählten Ensembles und Uraufführungen boten teils neue Hörerfahrungen und innovative Verbindungen verschiedener Stile. Es wird spannend sein, zu beobachten, wer sich von den jungen Künstlern im schwierigen Jazz-Business zu behaupten weiß.

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