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Keinen Politiker braucht das Land

Ein Kommentar zum Rücktritt von Horst Köhler und zur Nachfolgersuche

Horst Köhler war und ist kein Politiker. Weder entstammte er der aktiven Parteipolitik, noch beherrschte er die Spielregeln des politischen Konkurrenzkampfs. Er ist ein Mann mit Visionen und Idealen. Mit Argumenten wollte er überzeugen, klare Statements wollte er setzen. Ein integrer Bundespräsident, eine moralische Autorität, der großer Respekt gebührt, das war sein Selbstverständnis.

War es also nur konsequent authentisch von Köhler, von seinem Amt mit sofortiger Wirkung zurückzutreten. Oder fühlte sich hier ein Mann durch die Kritik der Opposition in seinem Stolz verletzt?

Der Rücktritt Köhlers war der Würde seines Amtes unangemessen. Ein Bundespräsident, der den mahnenden Finger für sich beansprucht und die Kraft des sachlichen Arguments schätzt, muss auch die Gegenargumente der Opposition respektieren.

Der Bundespräsident vertritt Deutschland nach außen. Er ist das Staatsoberhaupt der gesamten Nation, auch der Opposition und derjenigen Bürger, die durch sie vertreten werden. Köhler sah sich in seinem Stolz verletzt, als eine kontroverse Debatte über die Motive und Wirkung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr gerade in Gang kam. Die deutsche Bevölkerung schätzte ihn als bürgernahen und überparteilichen Bundespräsidenten. Nun misslang ihm die Integration der Gesellschaft auf eine eklatante Weise. Er brüskierte sie dadurch, dass er sie in Zeiten der Krise so plötzlich verließ. Gerade jetzt hätte Deutschland die Visionen und die ehrliche Einschätzung seines Bundespräsidenten benötigt.

Dennoch braucht Deutschland als Nachfolger für das Amt des Bundespräsidenten wieder einen Seiteneinsteiger, kein Mitglied des aktuellen Kabinetts und auch keinen Ministerpräsidenten. Dieser scheinbar wahllose Ämtertausch fördert das Vertrauen des Volkes in einen neuen Bundespräsidenten keinesfalls. Dieses Land braucht keinen Politiker und schon gar keinen, der direkt aus der aktiven Politik kommt.

Es ist eine Utopie zu glauben, dass eine Ursula von der Leyen oder ein Christian Wulff sofort die Ellenbogen einfährt und überparteiliche Integrationskraft entfaltet. Die Kampfeslust für die Parteiziele und -programme ist bei den aktiven Politikern noch zu frisch. Ein plötzlicher Tausch von Krallen gegen Rhetorik muss misslingen. Daher ist ein Seiteneinsteiger mit hoher moralischer Integrität die Idealbesetzung für das Amt des Bundespräsidenten.

Auch wenn Köhler dem Druck schließlich nicht mehr Stand halten konnte, darf er nicht als Negativbeispiel in die Geschichte der Bundespräsidenten eingehen. Denn keinen Politiker braucht das Land.

(Foto: Antonia Lachner)

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