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„Freie Bildung für alle!“

Tausende Schüler und Studenten gehen auf die Straße – Aktionstag 17. November

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Einen „heißen Herbst“ hatten die Veranstalter des Bildungsstreiks in München für den 17. November angekündigt – und tatsächlich strahlt die Sonne wie schon lange nicht mehr, als sich massenweise Studenten und Schüler am Geschwister-Scholl-Platz vor der Uni versammeln. Es sind wirklich sehr viele, rund 7 000 nach Schätzungen der Polizei. Das erstaunt sogar die Organisatoren. Von der Ladefläche eines gemieteten Kleinlasters herab sind die begeisterten Rufe zu hören. „Das ist die größte Studentendemo seit den 60er Jahren“, meint die junge Studentin von der AG Presse, einer Arbeitsgemeinschaft die extra den Fragen von Journalisten zur Verfügung steht und die Demo in regelmäßigen Abständen begleitet. „Bildung für alle – und zwar umsonst!“ skandieren die umstehenden Schüler. Mesut und Paul sind dreizehn und zwölf Jahre alt und würden jetzt normalerweise in der Schule über Geschichte und Geographie sitzen. „Aber unser Lehrer hat uns erlaubt, hierher zu kommen.“ Es macht ihnen vor allem großen Spaß. Aber der Meinung, dass in der Bildungspolitik etwas falsch läuft, sind sie schon lange. „Man muss schon jung anfangen“, sagt Paul voll Inbrunst. Der Meinung ist wohl auch der zehnjährige Leon, der einen riesigen Schulranzen schleppt und dessen zweite Frage ist, ob das Gymnasium wohl sehr schwer sei. Die Schüler schlängeln sich zwischen den mobilisierten Polizeiformationen hindurch und skandieren begeistert mit. „Bildung ist keine Ware – und wir sind kein Produkt!“ Gegen viele Dinge wollen die jungen Leute hier ein Zeichen setzen. „Unsere Bildung krepiert, weil Dummheit regiert!“ Die Studenten denken da vor allem an die Studiengebühren, die Ökonomisierung von Bildung durch Bachelor/Master und ihr mangelndes Mitbestimmungsrecht. Zusätzlich mischen sich weitere Gruppen und Grüppchen unter den Zug. Für die linksradikale Ecke ist die Demo eine willkommene Plattform, Kommunistensternchen und Che Guevara ein schickes Accessoire: Die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend SDAJ, die Deutsche Kommunistische Partei (DKP), der Deutsche Sozialistische Studentenverbund (SDS), die Antifa, der linke Jugendverband Rebell und die Marxistisch-Leninistische Partei MLPD tummeln sich hier und schwelgen in 68er Nostalgie. „Kein Gott, kein Staat, kein Rektorat!“ heißt es da. Nicht wenige Studenten stört das: „Wir laufen jetzt mal so mit, weil uns die Sache an sich am Herzen liegt, aber mit denen in einer Reihe stehen wollen wir eigentlich nicht.“ Mit Trillerpfeifen, Rasseln, Ratschen, Hörnern, steinchengefüllten Plastikflaschen und anderen phantasievollen Instrumenten geht es zur Münchner Freiheit und über die Arcisstraße wieder zur Uni zurück. „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut.“ Die Stimmung ist bunt und laut, es wird viel gelacht über die quietschenden Schülerinnen, die auch mal was durchs Mikro kreischen dürfen und deren Stimmen sich überschlagen. Bier ist dabei, in den umliegenden Supermärkten wird für Nachschub gesorgt. Man will positiv rüberkommen, es soll Grund zur Party geben. Aber ob die Demo wirklich „etwas bringt“, davon ist kaum jemand so richtig überzeugt. „Wir wollen einfach für Aufmerksamkeit sorgen“, sagen ein paar Medizinstudenten in weißen Kitteln. Das mit der Aufmerksamkeit hat geklappt. Die zahlreichen Presseleute mit Kamera und Mikrofon machen das öffentliche Interesse deutlich, Professoren solidarisieren sich mit den Studenten und Bands sorgen für gute Laune mit Spontankonzerten. Wie die Politik wohl reagiert? Vorerst bleiben die Hörsäle besetzt…

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