Kulturphilter

Exit Through the Gift Shop

Mockumentary oder doch die reine Wahrheit?

Dieser Film erzählt die Geschichte einer Subkultur. Es soll eine Dokumentation über die Entstehung der modernen Graffiti-Kunst und über ihre wichtigsten Vertreter sein. Die beiden prägnantesten unter ihnen sind wohl Shepard Fairey, der für sein Obama-Bild berühmt wurde, sowie der ominöse Unbekannte, genannt Banksy. Letzterer sorgte schon in aller Welt mit seinen Wandgemälden für Aufsehen, unter anderem, als er den israelischen Grenzzaun verzierte. Seine Bilder verkaufen sich zu aberwitzigen Preisen und seine Artshows sind jedes Mal ein Erfolg.

Aber eigentlich ist Exit Through the Gift Shop auch eine Erzählung über Thierry Guetta, einen französischen Auswanderer und Geschäftsmann, der in LA lebt. Das Besondere an diesem Mann: Er ist besessen davon, jede einzelne Sekunde seines Lebens zu dokumentieren. Permanent ist er mit der Videokamera unterwegs. Und so stößt er schließlich auch auf die Szene der Sprayer (oder Street-Artists, wie man sie heute nennt), in die er eintaucht und in der er sich verliert.

Zwar erzählt Guetta den Künstlern, er sei Dokumentarfilmer, doch wer im Publikum sitzt, weiß ab der ersten Kameraeinstellung, dass daran nicht viel Wahres sein kann. Auch Banksy findet das irgendwann heraus und übernimmt daraufhin die Regie eines Filmes, der mehr und mehr von Guetta allein handelt. Denn plötzlich wird auch er künstlerisch aktiv unter dem Pseudonym Mr. Brainwash.

Was am Ende bleibt, ist die Frage: War das alles echt oder ist es lediglich der neueste Streich des Künstlers Banksy? Vieles spricht dafür, dass hier das Publikum und die Presse vorgeführt werden sollten. Denn zu oft erinnert Exit Through the Gift Shop an Michael Moores Dokumentationen, die vor Augen führen sollen, was in Amerika/dem Kapitalismus/etc. alles falsch läuft.

Die Kunst ist tot, es lebe der Künstler!

Trotz aller Mutmaßungen und Theorien bleibt diese Frage offen. Shepard Fairey schwört zwar bei Gott, alles sei die Wahrheit, aber ein greifbarer Beweis ist auch das natürlich nicht. Am besten wäre es wohl festzustellen, dass es zumindest zum Besten der Menschheit wäre, wenn alles nur ein gut durchdachter Scherz Banksys ist. Denn die Alternative wäre einzugestehen, dass ein Geschäftsmann, der sich selbst gerne als recht simpel und einfach gestrickt bezeichnet, eines Tages einfach ein paar Dutzend echte Künstler engagiert hat, welche seine absurden Ideen und Vorstellungen umsetzen, damit er sie dann gewinnbringend unter die (wohlgemerkt: reichen und berühmten) Leute bringen kann.

Es wäre die Auferstehung des Märchens vom Kaiser, der keine Kleider an hat.

Aber unabhängig davon zeigt der Film ein entscheidendes Problem der Postmoderne auf: Man kann den Begriff der Kunst beziehungsweise des künstlerisch Wertvollen nur bis zu einer gewissen Grenze dehnen. Banksy selbst sagt im Film “Andy Warhol was replicating images to show they were meaningless and now, thanks to Mr. Brainwash, they’re definitely meaningless.” Ab einem gewissen Punkt scheint die wahre Kunst nun lediglich darin zu bestehen, industriell gefertigten Schrott als Kunst zu verkaufen. Die Postmoderne frisst ihre eigenen Kinder oder gebiert Monster. Beides passt auf diesen Film, Wahrheit hin oder her.

Das Fazit hier ist, dass Exit Through the Gift Shop entweder ein brillanter Streich eines unbekannten, postmodernen Prometheus im Sinne Goethes ist oder einfach nur die deprimierende Geschichte einer Gesellschaft, die auf ihrer Suche nach Sinn den Bezug zur Realität so vollständig verloren hat, dass einem geistig gesunden Menschen zum Weinen zumute ist.

Am besten, man sieht sich dieses Machwerk gar nicht erst an, denn entweder fällt man auf das Genie Banksy herein oder vergällt sich die moderne Kunst auf alle Zeit mit der Erkenntnis, dass der Kaiser schlichtweg nackt ist und Mist, auch wenn er im Museum landet, eben immer noch Mist bleibt.

Wer den Film dennoch sehen möchte, begibt sich am besten ab dem 21. Oktober über den Souvenirladen zum Ausgang des Kinos.

(Bild: Paranoid Pictures)

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