Kulturphilter

Wer mit der Muse tanzt

Das Bayerische Staatsballett feiert zur Ballettfestwoche seine beste Tänzerin

Terpsichore“ heißt die griechische Muse des Tanzes und auch eine jährlich im Rahmen der Ballettfestwoche stattfindende Gala mit vielen internationalen Gästen. Dieses Mal ehrt das Bayerische Staatsballett die Solistin Lucia Lacarra: Seit 10 Jahren ist sie Mitglied des Ensembles. Vor kurzem wurde sie zur Tänzerin des Jahrzehnts gekürt.

Nicht nur Lucia Lacarra strahlt an diesem Abend, viele Gäste aus Russland und Holland und sogar aus dem weit entfernten Kambodscha begeistern die Zuschauer bei der Ballettfestwoche im Nationaltheater. Die Gala ist das Chamäleon in der Ballettwelt. Von ganz klassisch (Grand Pas classique) bis avantgardistisch (Two Times Two, Sarkasmen) ist alles vertreten.

 

Cyril Pierre und Lucia Lacarra beim AGON Pas de deux

Eröffnet wird die Terpsichore-Gala mit einem Pas de deux, getanzt von Lucia Lacarra und ihrem früheren Partner Cyrill Pierre, der ebenfalls Solist im Münchner Ensemble ist. Darauf folgt das berühmte und gerühmte Stück „Birthday Offering“ von Frederick Ashton; zum ersten Mal in Deutschland aufgeführt und von Christopher Carr einstudiert. Sieben Solistinnen und ihre Partner führen verschiedene Variationen vor, die das Publikum unterhalten, aber nicht überfordern, was dieses Stück als besonders gelungen herausstellt. Lisa-Maree Cullum nimmt dabei die ganze Bühne ein. Ihre Ausstrahlung ist die einer selbstbewussten und um ihr Talent gepriesenen Tänzerin. Ivan Liska (Direktor des Staatsballetts) deutet dies auch in seiner Rede am Anfang der Gala an.

Die darauf folgenden Gäste aus Berlin, die das Pas de deux aus Romeo und Julia tanzen, sind wohl die Publikumslieblinge des Abends: Iana Salenko und Marian Walter. Sie, eine hinreißende Julia mit ihrer schmalen Statur und ihrem liebreizenden Gesicht und er, ein perfekter Romeo, voll überschwänglicher Energie eines bis über beide Ohren verliebten Jungen, dessen Ausstrahlung bis zur hintersten Reihe präsent ist. Die Technik der beiden Tänzer ist auch wirklich hervorragend. Iana Salenko, trotz der eher passiven Rolle im Pas de deux, ist bemerkenswert leicht und biegsam. Marian Walter, der den Hauptpart hat, scheint die schwierige Choreographie ohne jede Anstrengung zu bewältigen; als würde er über der Bühne fliegen, angetrieben von der Begeisterung für seine Julia.

Unter dem schallenden Applaus des Publikums bei der Verbeugung kann Marian Walter nicht anders und gibt seiner überraschten Partnerin einen kleinen Schmatzer, was die Tänzer dem Publikum natürlich noch sympathischer macht. Die Beiden sind nicht nur auf der Bühne zusammen – sie sind verheiratet und haben seit 2008 einen Sohn.

„Matrix“ mit übermenschlich wirkenden Tänzern

Es folgt „Two Times Two“, getanzt von Lucia Lacarra und ihrem Mann und Solisten des Staatsballetts, Marlon Dino. Die unglaubliche Biegsamkeit der Tänzer geht in der modernen Choreographie und der minimalistischen, rhythmischen Musik von Andy Cowton auf. Das Ganze erinnert ein bisschen an „Matrix“ mit Menschen, die fast schon übermenschlich wirken und wird unterstützt durch Lichteffekte. Wenn die Musik schneller wird, werden auch die Bewegungen der Tänzer schneller, meistens ruckartige Armbewegungen, und schneiden förmlich das Licht, das dann aufblitzt. Ursprünglich als Solo gedacht, wird „Two Times Two“ mit zwei so hervorragenden Tänzern nur noch besser.

Abgelöst wird das avantgardistische Stück durch eines mit sehr langer Tradition: „Apsara“ mit der Choreographie der ehemaligen kambodschanischen Königin Kossomak Sisowath, getanzt von Chan Sotheavy Tin. „Apsara“ ist in der mündlichen Tradition der Khmer die Bezeichnung für die Tänzerin, die Botin der Götter und Ahnen auf der Erde ist. Es ist ein Wunder, dass diese Tradition überliefert werden konnte, trotz des Regimes Pol Pots, das zwei Millionen Kambodschaner und darunter auch fast alle Tänzerinnen des königlichen Balletts auslöschte.

Dieses Ballett ist eine andere Welt. Die langsamen Bewegungen wirken sehr kontrolliert. Die ausgesprochen hübsche Tänzerin spielt sehr bewusst mit der Mimik, vor allem mit den Augen, was einen unglaublich betörenden Effekt hat. Man befindet sich in einer Art Trance, unterstützt durch das ausgefallene Kostüm mit seinen goldweißen Farben, dem asymmetrischen Schnitt und dem Schmuck an Armen, Beinen, sowie dem Kopf. Eine riesige, turbanartige Krone scheint rasche Bewegungen unmöglich zu machen.

Weitere Gäste und Publikumslieblinge kommen aus Holland, aus dem Het Nationale Ballet Amsterdam. Igone de Jongh und Alexander Zhembrovsk führen ein sehr komisches, spannendes und emotionsgeladenes Stück auf, nämlich Hans von Manens „Sarkasmen“. Dieses Stück ist eine beeindruckende Vorführung des Kampfes der Geschlechter, mit allen Emotionen, die ihn begleiten. Es ist aufregend, erotisch, brutal und vor allem sarkastisch. Genauso beeindruckend sind die Darsteller. Alexander Zhembrovsky wurde für diese Performance sogar als Tänzer des Jahres 2010 nominiert. Begleitet werden die Tänzer von Mikhail Murach mit der Musik von Sergei Prokofieff am Klavier.

Die Leidenschaft der Kameliendame

Oksanna Skorik und Timur Askarov aus dem Mariinsky-Theater St. Petersburg glänzen mit ihrer Technik. Sie führen den Grand pas classique auf und das tun sie mit absoluter Perfektion: Feierlich und ohne einen einzelnen Fehler.

Den krönenden Abschluss bilden Lucia Lacarra und Marlon Dino mit dem Pas de deux aus der Kameliendame mit der Choreographie von John Neumeier. Lucia spielt die sterbenskranke Marguerite mit Bravur, wie auch Marlon Dino den verwirrten Armand Duval. Sie demonstrieren Leidenschaft auf dieser Bühne.

Alles in Allem ist die Gala eine großartige Veranstaltung, besonders für diejenigen, die verschiedene Stile, genauso wie verschiedene Tänzer des Balletts sehen wollen. Der gelungene Abend verspricht viel für die nächste Gala.

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