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Das Theater als Gastraum

Zum Auftakt der Lesungsreihe zu Lion Feuchtwangers Erfolg an den Münchner Kammerspielen

Johan Simons bringt den 1930 erschienenen Roman Erfolg, in Form einer Lesung – Lesefassung von Koen Tachelet – Monat für Monat und Kapitel für Kapitel, mit dem gesamten Ensemble auf die Bühne des Schauspielhauses. Ein Einstieg in die Lesungsreihe ist bei jeder Etappe möglich. Zum Auftakt am 9. Oktober wurde das Theater zum Gastraum. Wer wollte, hatte die Möglichkeit, einen Platz im Parkett einzunehmen und genoss die Lesung bei einem gemeinsamen Essen.

Der Regisseur Johan Simons, setzte Lion Feuchtwangers Erfolg in einer Folge von Kapiteln um, wodurch der Zuschauer das Gefühl hatte, das Buch selbst zu lesen und hautnah mitzuerleben. Im Mittelpunkt der Betrachtung stand Dr. Martin Krüger, ein Münchner Kunsthistoriker, der als Direktor der staatlichen Gemäldesammlungen mit der bayerischen Regierung in Konflikt gerät, weil er moderne und umstrittene Kunstwerke anschafft und im Museum ausstellt. Zu diesen Kunstwerken gehört unter anderen auch Joseph und seine Brüder oder Gerechtigkeit. Im weiteren Verlauf des Stücks wird gegen Dr. Krüger ein Sittlichkeitsverfahren eingeleitet. Vor dem Gericht wird er durch gekaufte Zeugen des Meineids bezichtigt, den er mit drei Jahren Zuchthaus büßen soll. Seine Freunde setzen alle Hebel in Bewegung, um ihn zu rehabilitieren, doch sie scheitern. Als einem reichen Amerikaner, der die bayerische Regierung mit einem beachtlichen Darlehen milde stimmt, die Revision des Urteils gelingt, ist es bereits zu spät, denn Krüger liegt tot in seiner Zelle.

Auf einer schlichten Bühne, die mit einigen Perserteppichen dekoriert wurde, befanden sich kleine schwarze Tischchen und Stühle im vorderen Teil der Bühne und eine Sitzbankreihe im hinteren Teil. Im mittleren Bereich befanden sich einige Bongos sowie andere Musikinstrumente. Nach der Einleitung des Buches, die von Stefan Hunstein vorgetragen und mit dem Gesang Wiebke Puls’ untermalt wurde, betrat das gesamte Ensemble die Bühne. Immer mehr Rezitatoren traten nach vorne und lasen zum Teil nur wenige Sätze vor. Dies geschah im ständigen Wechsel. Diese Art des Vortragens erscheint sehr gelungen durch ihre Lebendigkeit und Abwechslungsreichtum. Besonders aufgefallen sind Brigitte Hobmeier und vor allem Wiebke Puls, durch ihre schauspielerische und nicht nur rezitierende Leistung, Ausdrucksstärke und Humor. Carl Oesterhelts musikalische Untermalung war auch mehr als passend. Durch zum Teil sehr wirre, unharmonische, aber auch idyllische und sanfte Töne, wurde die Emotion der einzelnen Szenen sehr gut eingefangen. Zu bemängeln wäre bloß die Idee des Gastmahls, was das Stück zu einem außergewöhnlichen Restaurantbesuch degradierte. Die sehr gelungene Darbietung der Schauspieler wurde durch das lautstarke Catering während der Vorstellung unterbrochen und die damit verbundenen, nicht angesagten Pausen störten die Theateratmosphäre und den Genuss des Stücks sehr. Witzig erscheint in diesem Zusammenhang nur die Tatsache, dass Stefan Hunstein ebenfalls auf der Bühne aß. Von der anderen Seite betrachtet, könnte man das Mahl, das nur im Parkett zu sich genommen wurde und nicht im Balkonbereich, auch als Anspielung auf den Titel des Stücks sehen – denn wer erfolgreich ist, sitzt unten und isst, doch wer es nicht zu Erfolg gebracht hat, der für Dr. Martin Krüger eines der essentiellsten Dinge im Leben war, durfte dieses Gefühl in vollen Zügen auskosten.

(Bild: LSD | Lenore Blievernicht)

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