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Ein Fest der Möglichkeiten

Interaktive Ausstellung mit Blick auf Produktion und Konsum

Das ist Kunst: bunt, erlebnisgeladen, spannend und rätselhaft! Jeder kann sich nun darauf einlassen. Denn vom 2. bis 3. April 2010 findet in der Dachgalerie der Domagkateliers (U6 – Alte Heide) ein großes, interaktiv gestaltetes Kunstfest statt. Philtrat sprach darüber mit Dominik Tresowski (28), Organisator des Festes und nebenher Student der Theaterwissenschaften an der LMU. Mit dabei war Niko Abramidis alias EmsorEscapo (22), der an der Münchner Kunstakademie lernt und auf dem Fest eine Installation präsentieren wird.

Wie kommt man als Theaterwissenschaftler darauf, ein Kunstfest zu veranstalten?
Dominik:
Ich habe festgestellt, dass es mir Spaß macht, Leute zusammen zu bringen oder etwas für andere Leute zu organisieren. Ich bin ein theatraler Mensch, der die Dinge aus einer Distanz heraus sieht. Auch Kunstwerke. Ich mag vor allem Räume. Wenn man sich eine Ausstellung anschaut, ein Bild, eine Installation, hat das alles auch einen theatralen Aspekt. So hat es sich entwickelt – und irgendwann bin ich auf die Dachgalerie in den Domagkateliers gestoßen. Die Dachgalerie hat mich erst einmal als Raum fasziniert. Sie ist einfach riesig. Du kommst rein und bist eigentlich verloren. Es hat mich unglaublich gereizt, diesen ganzen Raum zu füllen. Und zwar nicht nur mit Bildern, sondern eher Richtung Spielplatz. Als sozialen Raum, wo man Brennpunkte schafft und sich dann auf der künstlerischen Ebene auseinandersetzen kann, mit seiner eigenen Wahrnehmung vielleicht.

Das deutet schon der Titel an: Prosume – Conduce.
D: Der Titel ist ein Spiel mit den Begriffen Produktion und Konsum. Der Prosumer ist selbst Konsument, kann aber auch jederzeit Produzent werden. Das ist durch die vielen technischen Neuerungen unserer Zeit erst möglich geworden. Jeder kann ganz leicht Schöpfer von künstlerischen Werken werden. Zum Beispiel hat jeder eine Digitalkamera, jeder kann über Myspace und Youtube Videos posten. Wenn du auf eine Party gehst und fotografiert wirst, kannst du Darsteller sein… Es ist allgegenwärtig.

Soll die Ausstellung Ausdruck dieser Lebenswirklichkeit sein?
D: Es traut sich nicht jeder als Konsument aus sich herauszugehen, um als Produzent etwas zu schaffen und in die Welt zu setzen. Die Ausstellung ist ein Ansatz. Sie ist keine Verwirklichung einer Utopie. Aber man darf Utopien wagen!

Wäre das dein Anliegen: Mehr Mut zu schöpferischer Tätigkeit?
D: Das ist kein Anliegen, das ist einfach mein eigener Wunsch. Ich versuche Leute zusammenzubringen, die denselben Wunsch teilen.

Warum die Interaktion?
D: Ich denke es gibt ganz viele Menschen, die in Galerien gehen, einfach nur, um zu schauen, ob ihnen die Bilder gefallen oder nicht. Es geht dann gar nicht mehr so um die Auseinandersetzung damit. Diese Auseinandersetzung ist mir aber sehr wichtig und die möchte ich eben durch die Interaktivität betonen. Sie soll in den Vordergrund gerückt werden. Deshalb dauert das Fest auch nur zwei Tage und nicht einen Monat. Dadurch wird das Erlebnis intensiver.

Niko, du bist interaktiv beteiligter Künstler.
Niko: Ja, die Frage ist, was „interaktiv“ eigentlich bedeutet. Heißt es wirklich nur, dass man selber etwas produziert? Oder ist Interaktion auch, dass man insofern Teil des Kunstwerkes wird, wie man mit seinen Gedanken und seiner Kommunikation das Kunstwerk erst konstruiert? Es stellt sich nicht nur die Frage nach Interaktion, sondern auch danach, was das Kunstwerk eigentlich ist. Hängt das Kunstwerk da an der Wand und genügt sich selbst oder entsteht das Kunstwerk erst dadurch, dass der Betrachter zu einem Gedanken angeregt wird und mit den anderen Menschen um sich herum ein Kunstwerk generiert? Das ist das Spannende an so einem Kunstfest. Wie Dominik schon gesagt hat: Sie wird intensiv, die Auseinandersetzung. Die Menschen sollen sich dabei konstruktive Gedanken machen. Um selber für sich zu definieren, worin jetzt diese Kunst hier besteht.

D:
Wir legen das schon sehr breit an. Es gibt Performances, es läuft Musik, es werden Getränke verkauft. Es geht nicht mehr darum, dass man mit seiner Freundin antanzt, einen Sekt trinkt und sich irgendwie gepflegt über Kunst unterhält, sondern dass es einfach menschlicher wird. Dass auch Empfindungen Platz haben dürfen, die in einem persönlicheren Kontakt zustande kommen können, als wenn nur ein Bild da hängt.

 

Was wird uns speziell bei deiner Installation erwarten?
N: Interessant, dass du mich jetzt nach der Erwartung fragst. Es ist wichtig, hinzugehen und sich die Sachen anzuschauen. Die meisten Sachen, die dort ausgestellt werden, kann man nicht in konzeptualem Rahmen beschreiben, die muss man sich wirklich anschauen. So ist es auch bei meinem Objekt, das ich dort konstruieren werde. Es wird wie eine Chiffre im Raum stehen. Dabei ist es mehr als eine Skulptur, die mitten im Raum steht, es wird sprechen und literarisch agieren. Der Betrachter und Teilhaber daran wird auf jeden Fall das Ganze nur insofern verstehen können, wenn er sich darauf einlässt und seine eigenen Gedanken für den Einfluss öffnet. Es ist hier ganz wichtig, dass du nicht im Vorfeld einen fertigen Konzeptentwurf erhältst, wo drinsteht, was genau Sache ist, sondern dass wie bei einem rätselhaften Gedicht durch dein eigenes Nachdenken darüber erst das Verstehen passiert.

Wie ist das Feedback?
D: Wir haben letztes Jahr schon einmal ein Kunstfest in der Dachgalerie gemacht, ein bisschen kleiner angesetzt. Die Resonanz war durchweg positiv. Jeder hat genervt mit der Bitte, ich solle das doch unbedingt wieder machen.

Es war wohl eine gelungene Party!
D: Die Party ist natürlich ein wichtiges Element.

Die Kunst als großes Fest: wo bleibt da ihre kritische, mahnende Funktion?
N: Nein, nein, so darf man das nicht sehen. Es ist eindeutig heute so, dass Kunst in einem gesellschaftlichen Rahmen Eventcharakter hat. Dass die Leute es als Highlight betrachten, das gilt für junge und ältere Menschen. Kunst ist etwas, was sie aus dem Alltag heraushebt, wo sie etwas erleben können. Wo neuer Input auch für ihr Leben gegeben wird. Deshalb suchen die Menschen auch die Auseinandersetzung mit Kunst. Wie jemand beschaffen ist, prägt das Ganze natürlich: wenn jemand hingehen möchte, um dort gehoben mit anderen über Kunst, Musik und Literatur zu sprechen ohne sich näher darauf einlassen zu wollen, dann empfindet er das Event schon ganz anders. Wenn er sich dann nicht öffnen und Neues erfahren will, wird er sich zum Beispiel in der Dachgalerie fehl am Platz fühlen. Aber ich denke, in einem gewissen Sinn öffnet man sich immer ein bisschen. Genau das wollen wir unterstützen und das ist das, was uns von anderen Galerien unterscheidet.

Also, ihr wollt, dass die Besucher wie Kinder auf einen Spielplatz kommen und erst einmal einfach nur staunen.
D: Ja! Lacht. Du sprichst mir aus dem Herzen!

N: Ja, aber es geht nicht darum, dass wir nur eine tolle Party haben. Der gesellschaftliche Rahmen von Party und Event ist einfach wichtig, um eine gewisse Atmosphäre zu schaffen, eine Basis, die Platz bietet für Kritik, Kommunikation und Vernetzung untereinander. Für Sachen, die innerhalb dieses Rahmens entstehen. Es soll eine produktive Atmosphäre sein, die meinungsbildend ist, und im Idealfall sowohl Mitwirkende und Teilhabende weiterbringen soll. Ganz ungezwungen und nicht von starren Vorstellungen geprägt.
Deshalb unbedingt: Hingehen und mitmachen!

https://prosumeconduce.jimdo.com/

(Fotos: Anna Sophia Hofmeister)

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