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Der Beginn einer Freundschaft

LMU und University of Leeds – ein akademischer culture clash

Die neue Erasmus-Partnerschaft des Instituts für Deutsche Philologie der LMU mit der University of Leeds bietet nicht nur die Gelegenheit, Sprachkenntnisse zu verbessern und Land und Leute kennen zu lernen, sondern auch, das akademische System der beiden Universitäten zu vergleichen.

„Hi, Love!“ – So wird jede und jeder in Nordengland begrüßt. Kommt man aus dem eher raubeinigen München in das zwar windig raue, aber menschlich warme Klima West Yorkshires, ist dies die erste Konfrontation mit einer anderen Kultur. Egal, ob von der Kassiererin im Supermarkt oder dem Hausmeister im Studentenwohnheim – man wird im singenden Ton und mit northern accent willkommen geheißen. Und wo der Akzent dem klaren British English weicht, bleibt doch der lockere Umgangston: Im akademischen Betrieb der University of Leeds tritt die aus Deutschland bekannte Ehrfurchtsdistanz hinter eine Kommunikation auf gleicher Ebene zurück. Die teachers und lecturers sind Helen und Carl – nicht Mrs. Finch oder Mr. Baker. Hilfsbereitschaft von Verwaltung und Lehrpersonal zeigt, dass der Fokus auf der Ausbildung der Studenten liegt, nicht auf die Präsentation der eigenen Forschungseffizienz und der dazugehörigen Autorität.

Support oder overprotection?

„Jedem Studenten wird ein personal tutor, ein Dozent aus seiner Fakultät, zugeteilt, der Ansprechpartner ist. Man trifft sich mindestens einmal pro Semester mit ihm, um sich entweder über ernsthafte Probleme bezüglich seines personal wellbeings oder seiner financial situation zu unterhalten oder um sich Reisetipps für den nächsten Wochenendtrip zu holen“, sagt Jenny Keim, deutsche Biologie-Studentin und im Rahmen von Erasmus in Leeds. „Zugebenen, ich fühlte mich manchmal ein wenig overprotected, meint Jenny.

Die Selbstständigkeit, die an der LMU verlangt wird, ist den britischen Studenten eher fremd. Detaillierte Arbeitsblätter und vorgefertigte Sekundärliteratur-Listen machen die Konzentration auf bestimmte Aufgaben leichter; das unabhängige Auffinden von Problemen und Lösungsversuchen scheint dagegen so eher nicht gefördert zu werden. Zum Ausgleich gibt es Gruppenarbeit – in jeder Veranstaltung. Ob das funktioniert, hängt auch davon ab, wie man das Wochenende zuvor verbracht hat. Man fühlt sich etwas in die Schulzeit zurückversetzt. Zu Beginn des Auslandsjahres motivieren Arbeitsblätter und Gruppendiskussion zur Vorbereitung; die Arbeit scheint effektiver als in den vergleichsweise unstrukturierten Seminaren der LMU. Bald jedoch wird klar, dass auch dies nur funktioniert, wenn die Studenten und Dozenten aktiv zusammenarbeiten. Sonst laufen sämtliche Lehrangebote ins Leere.

Zwischen Schule und Shopping

Der Eindruck, den Deutsche mit dem Hintergrund unseres Schul- und bisherigen Universitätssystems erhalten, scheint sich vom Empfinden der local students zu unterscheiden. „At University, we stay with the same people much more than I did in High School or College, so I don’t feel it is so much like School”, erklärt Rosie Louise Thompson, Britin und Studentin an der School of German.

Weniger wie in Schule oder Uni fühlt man sich auf dem Campus der University of Leeds. Wie in einem Stadtteil sorgen Buchladen, Vintage-Läden, Clubs und Leeds Student (Guardian Student Newspaper of the Year 2009) für aktives und kreatives Studentenleben.

Manchen mag das deutlich strukturiertere und geführtere Studieren im Rahmen von Bachelor und Master helfen; andere wird es in ihrer Hoffnung auf selbstständiges und offenes Studieren enttäuschen. Für das year abroad in Leeds allerdings ist es ein Vorteil: Es ist leicht, sich in das System einzufinden, man erhält klare Leitlinien und gute Hilfen. So bleibt Zeit für die Angebote des Campus und Reisen durch Nordengland.

(Foto:  Sophie Rohrmeier; Parkinson Building, Campus Leeds)

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