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Drama im Audimax

Ein Kommentar

Hollywood hätte das Showdown des vorgestrigen Plenums (24.11.09) im besetzen Audimax nicht spannender inszenieren können: Es war der Abend der großen Entscheidung, er hätte das klägliche Ende einer nun zweiwöchigen Besetzung bedeuten können.

Unterlaufen worden war das Plenum von Studierenden der BWL und VWL, die gekommen waren, um mit dem basisdemokratischen Abstimmungsmodus der Besetzung eine Auflösung zu erwirken.

Auslöser für Auflösungswünsche waren nicht der Unmut über den Protest an sich oder die so oft angeprangerte vermeintlich linke Ideologie hinter den Forderungen, sondern der Ausfall von BWL- und VWL-Vorlesungen, die regulär im Audimax stattfinden würden. Man kann es der Geistesgegenwärtigkeit der Redeleitung des Abends verdanken, dass die obligatorische und alles entscheidende Frage „Wollen wir die Besetzung bis morgen Abend aufrecht erhalten?“ nicht zu Beginn des Plenums gestellt wurde, sondern einer langen und erregten Suche nach Kompromissen Vorrang gewährt wurde. Die zahlreichen Redebeiträge konnten nicht nur viele der Gegenprotestler besänftigen, sondern scheinbar auch überzeugen.

Ganz im Sinne Hollywoods erkämpften sich die BesetzerInnen mit den besseren Argumenten ein eindeutiges Happy-End für ihren Widerstand. Die Besetzung bleibt nicht nur bestehen, sie bleibt als konsequente Besetzung bestehen. Der vorgebrachte Kompromissvorschlag, für fünf der ca. 14 ausfallenden Vorlesungen das Audimax frei zu geben, wurde eindeutig abgelehnt. Eine Besetzung ist per definitionem keine Besetzung mehr, wenn man dem normalen Vorlesungsbetrieb Einlass gewährt. Unmut hin, Unmut her. Zumal für Ausweichmöglichkeiten realistische Vorschläge von den BesetzerInnen gemacht worden sind: das Audimax der TU um die Ecke stünde für 700 Euro pro Veranstaltung zur Verfügung, Lifestreaming und Internetübertragungen sind eingerichtet und zur Not könnten, wie an einigen anderen besetzen Unis bereits geschehen, Kinosäle angemietet werden.

Neben dem schlagenden Argument des finanziellen Drucks, der auf die Universitätsleitung ausgeübt werden könnte, müsste diese Räumlichkeiten als Ersatz fürs Audimax anmieten, wurde viel über die Verhältnismäßigkeit der Klage diskutiert: Sollten nicht partikulare Interessen (ein paar ausgefallene Vorlesungen) vor Gesamtinteressen (eine bessere Bildung) zurückstecken können?

Naturgemäß braucht ein Protest, der sich länger als zwei Wochen halten will, eine breitere Basis, vor allem bei den eigenen Kommilitonen. Viel wurde vom „Arme öffnen“ und „Händereichen“ gesprochen. Ist aber nicht allein die Tatsache, dass es diesen Protest, überhaupt gibt, die eigentliche „Handreichung“ an alle skeptischen Mitstudierenden? Dadurch, dass dort im Audimax seit Tagen Menschen ihre Prüfungen aufs Spiel setzen, ihre sozialen Beziehungen vernachlässigen und einem konstanten Schlafmangel frönen, geben sie allen anderen die Chance, mit ihnen gemeinsam ihre Stimme laut werden zu lassen, eine Chance, die ihnen vorher vielleicht noch nie jemand in dem Maße gegeben hat. Viele von den BesetzerInnen sind Magister- oder Diplomstudenten, haben demnach nicht mit Problemen der BA/MA-Regelungen persönlich zu kämpfen und werden sehr wahrscheinlich auch nicht mehr persönlich von einer Abschaffung der Studiengebühren „profitieren“ können. Trotzdem finden sie jeden Tag aufs Neue die Kraft weiter zu machen.

Der eigentliche Sieg des gestrigen Abends ist nicht die Aufrechterhaltung der Besetzung (Räume lassen sich wieder und wieder und wieder besetzen), sondern die Klarstellung, dass die Besetzung eine Chance für alle ist. Eine Chance, mitzumachen, laut zu werden und zu lernen, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Die Besetzung braucht nicht irgendeine breite Masse. Was die Besetzung braucht, sind solidarisch denkende und handelnde Individuen, mögen sie aus der BWL, VWL oder sonst wo her kommen. Wenn alle im Widerstand vereint, gemeinsam „nicht mehr mitmachen“, ist der wirkliche Etappensieg errungen.

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