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Wonach wir streben

Der Dalai-Lama führt in Indien das Unterrichtsfach „Glück“ ein. Die Uni Yale beweist mit ihrem bislang populärsten und öffentlich zugänglichen Kurs „The science of well-being“, dass die Suche nach der Lebenslust längst Einzug in die Wissenschaft gefunden hat. Gibt es eine Anleitung zum Glück?

Symbolbild

Von Svenja Nückel

Es ist etwas völlig Subjektives und doch kommen wir bei der Frage „Warum tun wir etwas?“, fast immer auf die Antwort: „Weil wir glücklich sein wollen.“ Da es bei 7,6 Milliarden Menschen wohl auch genauso viele verschiedene Definitionen von Glück gibt, einigt sich die Glücksforschung darauf, mit dem Begriff des „subjektiven Wohlbefindens“ zu arbeiten. Martin Seligman etablierte dabei 1998 die Forschung, die relevante Faktoren und Steigerungsmöglichkeiten des Glücks untersucht.

Vom Missverständnis über das Glück

Morgens ins Fitnessstudio für den Traumbody, weiter Richtung Arbeit, um 75.000 Euro zu scheffeln, nachdem man sich im Studium für seinen 1,0 Schnitt abgearbeitet hat und schließlich von dem verdienten Geld sein langersehntes materielles Glück, wie die neue Mercedes C-Klasse zu kaufen, welche mit einem Preis von 35.000 Euro das fünftmeist gekaufte Auto in Deutschland ist. Wir tun viel für diese Errungenschaften, welche uns nach dem Yale-Kurs The science of well-being und den darin genannten Studien allesamt nur geringfügig glücklicher machen. Dabei bleiben die Rufe der Wissenschaft scheinbar unbemerkt, sodass Kursleiterin Laurie Santos nur das Urteil bleibt: „Etwas ist schiefgelaufen. All diese Dinge, von denen wir glauben, dass sie uns glücklich machen, tun dies nicht.“

Vom Verständnis über das Glück

Die gute Nachricht ist: Es gibt Dinge, die uns glücklich machen. Laut der Glücksforscherin Sonja Lyubormirsky sind vermutlich 50 Prozent der Lebenszufriedenheit durch die Gene bestimmt. Manche Menschen haben genetisch eine höhere Aktivität der linken Gehirnhälfte, welche für unsere positiven Gefühle zuständig ist. Hat man glückliche Vorfahren, kann man also hoffen, von diesen zu profitieren.

© Foto: Kim Höhnle

Nur etwa zehn Prozent unseres Glücks sind durch äußere Lebensumstände bedingt. Selbst die dramatischsten Schicksalsschläge haben nur bedingt Einfluss auf uns. Würdest du lieber eine Million im Lotto gewinnen oder den Rest deines Lebens querschnittsgelähmt sein? Eindeutig die Million bitte. Ironisch, dass es für unsere langfristige Zufriedenheit keine Rolle spielt; laut Studien des Psychologen Philip Brickman hielten beide Gruppen ein Jahr nach dem jeweiligen Ereignis wieder ein durchschnittlich gleiches Glücksniveau.

Bleiben noch 40 Prozent. Die liegen in unserer Hand. Wir können unser Glück aktiv beeinflussen: Durch Achtsamkeit oder auch Aktivitäten wie Sport können wir glücklicher werden. Auch die eigene Wahrnehmung spielt eine Rolle, denn das Gehirn hat eine Menge Strategien entwickelt, um uns (un-)glücklich zu stimmen.

Vom Leben und Erleben

Unsere Glücksgefühle entstehen bekanntlich im Gehirn. Äußere Reize kommen als elektrische Nervensignale ins Gehirn, wo diese interpretiert werden. Die daraus resultierende subjektive Wahrnehmung hat Einfluss auf unsere Gefühle. Wenn mal etwas nicht so läuft, wie wir das wollen, und sofort denken: „Ich bin ein Versager“, lernt unser Gehirn, auf ähnliche Situationen ähnlich zu reagieren. Je öfter das geschieht, desto mehr verfestigt sich dieser Interpretationsstil. Missmut kann somit zur Gewohnheit werden; Fröhlichkeit aber auch. Ändern wir die Sichtweise und interpretieren Situationen als gut, wird unser Gehirn schon bald automatisch das Gute darin sehen.

Vom Nutzen des Glücks

Glücklichsein lohnt sich. Glückliche Menschen sind leistungsfähiger, kreativer und haben bessere Beziehungen. Wichtig zu bedenken ist aber, dass die Glücksforschung das Geheimnis wirklicher Zufriedenheit finden will. Gedanken wie: „Ich sollte optimistischer sein, ich sollte die Dinge positiver sehen“, sind Ausdruck der allgemeinen Optimierungsbestrebungen. Es geht hier um die Zufriedenheit mit sich, die Lust am Leben, und nicht darum, nach außen hin eine rundum optimistische und zupackende Persönlichkeit abzugeben.

© Illustration: Bianca Isack

Der Artikel ist ein Auszug aus der 28. Printausgabe von Philtrat, die zwischen dem 15. und 19. Juli 2019 verkauft wird, jeweils von 10 bis 18 Uhr in der Schellingstraße 3 in München.

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