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„Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!“

Die Hermann-Hesse-Nacht auf der 53. Münchner Bücherschau

 

Es ist schon spät. Es ist zehn nach sieben. Doch für Hermann Hesse ist es wohl nie zu spät. Anlässlich dessen 50. Todesjahrs haben sich im Rahmen der Münchner Bücherschau am Freitag drei bekannte Persönlichkeiten auf der Bühne des Carl-Orff-Saals im Gasteig zusammengefunden, um Hesse zu feiern: Liedermacher-Urgestein Konstantin Wecker, Autor und Journalist Gunnar Decker und Schauspieler Robert Stadlober.

Das „Event“ klang viel versprechend. Konstantin Wecker eröffnet den Abend mit einer eigenen Auswahl an Poesie, die er „nicht germanistisch“ vorgenommen habe. Er sei schließlich zum Vorlesen da – und das kann er. Gewaltig ist die bekannte Stimme, differenziert die Intonation. Eine erstaunliche Bühnenpräsenz hat er auch. Wecker lockert den Abend gekonnt auf, auch, als er Anekdoten aus seinem eigenen Leben einstreut. Es funktioniert. Die Leute lachen. Das macht nicht nur die Veranstaltung angenehm, es eröffnet dem Publikum einen Zugang zu Hesse. Das ist eine Kunst. Denn auch wenn Hesses Bücher unter den Sammelbegriff „all-age-Bücher“ fallen, ist seine Person nicht für jedermann durchsichtig. Er war ein Mann von Format: Mystiker, Feind aller Ideologien, ständig auf der Suche nach sich selbst, unfähig, eine ernsthafte Liebesbeziehung zu Frauen zu führen. Er ist es, bei dessen Worten wir auch auf die Suche nach uns selbst gehen können.

Alles ein wenig durcheinander

Während Decker immer wieder aus seiner Hesse-Biographie rezitiert, nimmt Stadlober seinen Platz in der Mitte der Veranstaltung mit einer langen Passage aus dem „Kurgast“ ein. Der Übergang zu seinem Vortrag ist eher hölzern, unbeholfen. Decker übergibt mit den Worten: „Ich habe das Gefühl, ich lese schon ziemlich lange. Ich würd jetzt gerne aufhören.“ Auch wenn kein direktes Chaos herrscht, sehnt man sich als Zuschauer nach einem roten Faden im Programm. Stadlobers Vortrag überzeugt mit voller Präsenz von Körper und Stimme; er gibt die schönen Worte Hesses wieder, ohne zu kommentieren, was er vorliest. Auch er ist ja nur zum Lesen da. Das sagt er zwar nicht, das merkt man aber an seiner Schweigsamkeit. Erst als Wecker ihn fragt, wie er zu Hesse stehe, entgegnet er mit ein paar Schauspieler-Anekdoten und gibt zu, sich von der Meinung anderer Menschen, Hesses Literatur erinnere an „Räucherstäbchen und Glöckchen“, habe beeinflussen lassen. Dass dem in der Tat nicht so sei, das fügt er noch hinzu. Und, dass er „kein Hesse-Experte“ sei, was Wecker und Decker sofort nutzen, um sich anzuschließen. „Ich bin kein Germanist – ich bin Fan“, erklärt Wecker. Da Hesse „nichts so suspekt war wie Experten“, so Decker, macht es ja auch nichts, dass keiner der drei auf der Bühne einer sein möchte. Zumindest kein Hesse-Experte.

Ständig auf der Reise

Doch auch ohne Experte zu sein, ist zu erkennen, dass dieser Abend nicht notwendig mehr Organisation braucht: Hesse schickt uns immer wieder auf seine eigene Reise, ins Innere, in die Einsamkeit, in uns selbst. Eine Reise also, deren Ziel in uns liegt, eine Suche vielleicht, die einen steinigen Weg vor sich hat. Deshalb darf die Vorstellung, dieser „Wegweiser“ von Hesse holprig sein. Hesse-Fans verstehen das. Sie bleiben Fans. Und suchen weiter, weil sie sich erinnern: „Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!“ So schließt der Abend mit den „Stufen“ und hebt uns damit hinein in die Nacht, die unsere Suche nach erlebtem Wohlklang von Hesses Worten beflügelt. Weil sie einfach weitergeht. Das hätte Hesse auch besser gefallen als ein professorales Fazit.

Münchner Bücherschau
„Liedermacher-Urgestein Konstantin Wecker, Autor und Journalist Gunnar Decker und Schauspieler Robert Stadlober.“ (© Bücherschau)

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