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Wie es euch gefällt

Das Interview zum Artikel: In der druckfrischen Ausgabe von Philtrat feiern wir das 100-jährige Jubiläum der Münchner Kammerspiele. An sie angebunden ist die Otto-Falckenberg-Schule, an der Anna Drexler und Moritz von Treuenfels Schauspiel studieren. Ein Gespräch über dieTheaterschmiede“, gefährliche Gewöhnungseffekte und den Drang zur Entfesselung.

Wie kamt ihr zu dem Berufswunsch, „Schauspieler“ zu werden, Schauspiel zu studieren?

Anna: Meine Eltern waren Schauspieler und ich hab deswegen relativ viel Kontakt mit der Welt des Theaters gehabt. Hab das aber erst mal abgelehnt. Als ich 18 war, haben wir in der Schule ein Stück aufgeführt, Kasimir und Karoline, und danach hab ich mich dazu entschieden, dass ich vorsprechen möchte.

Anna Drexler und Moritz von Treuenfels studieren Schauspiel an der Otto-Falckenberg-Schule.

Bist du heute zufrieden damit?

Anna: : Ja! Mir macht sehr viel Spaß. Ich kann mir vorstellen, dass ich sehr lange Kraft dafür und Freude daran haben werde.

Und bei dir, Moritz? Wie hat es für dich angefangen?

Moritz: Bei mir war das anders, ich hatte keine Ahnung von Theater oder wie diese Institution läuft, und meine Eltern machen auch was ganz anderes. Aber mich hat es immer sehr interessiert und mir ging es so, dass mich im Theater immer eine unglaubliche Sehnsucht ergriff: Entweder ich war total enttäuscht über das, was ich gesehen habe oder, wenn ich ein gutes Theatererlebnis hatte, war es das Tollste überhaupt. Ein absolutes Gefühl also: Entweder pure Ablehnung oder das Allergrößte. Das geht mir heute immer noch ähnlich, aber ich kann mich dann im negativen Fall beherrschen, schlafe ein, oder so. (lacht)

Und warum hast du dich bei der Otto-Falckenberg-Schule beworben?

Moritz: Ich hatte hier von Anfang an den Eindruck, dass man so sein darf und soll, wie man ist und nicht in dem Sinne geformt oder verbogen wird. Der Schatz für dein Schauspiel ist der, den du in dir trägst und nicht das, was du dir aneignest. Das hat sich für mich bisher auch so bewahrheitet.

Nun ist es ja bei euren Inszenierungen auch so, dass jede Aufführung eine potentielle „Empfehlung“ für euer Können und für eure Karriere ist. Wie geht ihr mit Druck und Erwartungshaltungen um?

Moritz: Der Druck stellt sich von alleine her. Allein schon, weil es am Ende unserer Ausbildung ja immer mehr darauf ankommt. Trotzdem mache ich mir am Abend der Aufführung keine Gedanken darüber, sondern blende das weitestgehend aus. Das Publikum ist für mich auch etwas Positives, Dankbares – ich teile es nicht in Prüfer oder Gönner oder so ein.

Anna: Den Druck mache ich mir am ehesten selbst. Wenn ich spiele und das jemandem nicht gefällt, ich aber das Gefühl habe, ich hätte es nicht besser machen können, dann bin ich zufrieden.

Habt ihr ein „hartes Fell“, was Kritik angeht?

Moritz und Anna (einträchtig): Nein, überhaupt nicht.

Anna: Als Schauspieler trittst du ja auch nie auf der Stelle oder hast ein Ideal, das du anstrebst oder gefunden hast.

Moritz: Und wenn du glaubst, so etwas erreicht zu haben, gerätst du in die Falle, nicht mehr den Mut aufzubringen, was Neues zu spielen, auszuprobieren.

Anna: Das sollte man auch selbst immer wieder reflektieren, weil es sein kann, dass dir das andere Leute nicht sagen. Wenn du eine eigene Spielart entwickelst, die begeistert, kann es sein, dass das anfänglich gefeiert wird und ein paar Male anhält, aber sich irgendwann ein „Gewöhnungseffekt“ einstellt.

Wenn ihr in der Geschichte seid, habt ihr dann eine Art „Tunnelblick“ und blendet alles andere aus?

Anna Drexler auf der Bühne.

Moritz: Es geht eher um eine besondere Offenheit. Der Idealfall ist, finde ich, dass man den Kosmos dessen, was man zeigen will, schon gefunden hat, sich darin aber ganz frei bewegen kann. Natürlich spielt man eine Rolle, muss aber alle Sender offen haben. Dazu braucht man schon eine gewisse Konzentration, aber keine Introvertiertheit.

Habt ihr vor einer Aufführung Angst, den Text zu vergessen oder euren Einsatz zu verpassen? Ist euch schon einmal so etwas wie ein „Black Out“ passiert?

Anna: Eigentlich hatte ich noch nie Angst davor, dass ich den Text vergesse. Es ist mir aber einmal passiert, dass mir ein Monolog entglitten ist. Weil wir den lange nicht mehr gespielt hatten und ich zwischendurch was anderes geprobt hatte und da war der Text wie verschüttet. Ich fing dann an zu irgendwas zu reden, um den Inhalt zu transportieren. Aber selbst in diesen Momenten merkt man, dass grundsätzlich alles denkbar ist an Katastrophen: es kann noch so schlimm sein, das Licht kann ausfallen, es kann dunkel werden, ein Protagonist nicht erscheinen und trotzdem wird es irgendwie gehen. Sobald Leute da sitzen, wirst du es nie komplett vermasseln, weil du etwas geben willst.

Das kostet sicherlich viel Kraft, ihr seid ja sehr energetisch. Wie geht ihr mit eurem „Energiehaushalt“ um?

Anna: Das hat wenig mit Energie oder Erschöpfung zu tun. Manchmal hast du die beste Probe, wenn du nur zwei Stunden geschlafen hast und total verkatert bist. Das hängt natürlich immer von der Tagesform ab und kann sich ständig ändern. Manchmal ist die erste Vorstellung schlecht, die zweite schon besser und die dritte dann sehr gut, weil du Zeit zum „Warmlaufen“ gebraucht hast. Es kommt auch auf die Rolle an: Wenn du eine Figur spielen sollst, die erotisch und schön ist, du dich aber gerade wenig danach fühlst – es gibt Tage, da möchte man noch nicht einmal das Haus verlassen- dann wird es schwierig. Die Spielform ist wenig berechenbar.

Wie sieht euer Zeitplan und Biorhythmus aus?

Moritz: Das ist jede Woche unterschiedlich. Aber viel, oft jeden Tag von neun bis elf Uhr, wenn eine aktuelle Produktion wie „Virgin Suicides“ ansteht und die Schule noch parallel dazu – das ist schon sehr zeitintensiv.

Anna: Das Schlimme ist daran, du hast entweder sehr viel oder nichts. Du kannst dich nie wirklich an einen Plan halten. Es kann sein, dass du non-stop beschäftigt bist und auf einmal – Nichts. Mir ist es persönlich lieber, wenn der Tag sehr voll ist.

Wie die Atmosphäre in eurem Jahrgang, in eurer Gruppe: familienähnlich? Ihr müsst ja naturgemäß schnell intensive Beziehungen eingehen.

Moritz:  Ja, wir kennen uns sehr gut, fast schon zu gut. Und es ist wohl ein generelles Phänomen am Theater, dass man sehr viele intensive Begegnungen hat. Man sich schnell auf eine intime Ebene begibt, aber auch viel dabei ausgelassen hat. Man kennt sich eigentlich nicht, es fühlt sich aber so an. Deswegen ist es auch oft so, finde ich, dass dann nicht mehr viel davon übrig bleibt.

Anna: Das ist trügerisch, ja. Aber es braucht genauso lang, einen echten Freund im Theater zu finden, wie außerhalb. Viele Leute sind auch nicht so offen oder interessiert daran, ständig neue Menschen kennenzulernen. Im Gegenteil: Die meisten Schauspieler erlebe ich eher als zurückhaltend oder scheu. Das hat viel mit Körperlichkeit zu tun. Wenn man sich den ganzen Tag anfasst, in sich wühlt, braucht man auch einfach mal die Zeit, für sich zu sein.

Wie sehen die Hierarchien zwischen Regie und Schauspiel aus? Kriegt ihr „von oben“ Anweisungen, etwas so oder und nicht so zu spielen?

Anna: Es kann schon sein, dass der Regisseur etwas anderes möchte oder dir etwas vorschlägt. Aber man hat die Figur eigentlich selbst in der Hand. Letztendlich stehe ich dann ja auf der Bühne und muss es umsetzen. Aber ich habe noch so wenig Erfahrung, dass das für mich natürlich schwer einzuschätzen ist. Bisher habe noch nie einen Regisseur getroffen, der dogmatisch vorgibt, wie ich es machen soll.

Moritz: Und man trägt auch dafür die Verantwortung, sich mit dem Stoff, den Figuren auseinander zu setzen. Du kannst ja nicht unvorbereitet in die Probe kommen, wenn es darauf ankommt, ein solches Angebot zu machen. Es ist sehr wichtig, dass man immer weiß, was man tut und das auch vertreten kann.

Anna, wie kam es dazu, dass du die Rolle der „Sonja“ in Tschechows Onkel Wanja bekommen hast? Das Stück wird ja derzeit von den Münchner Kammerspielen aufgeführt und sogar die SZ hat erst kürzlich dein Spiel und fulminanten Auftritt gerühmt.

Anna: Die Regisseurin ist abgesprungen, die Besetzung der „Sonja“ ist abgesprungen und so stand die ganze Inszenierung zur Debatte: Ob man das ganze Stück aussetzt oder versucht, es irgendwie hinzukriegen. Für mich war das ein großes Glück, dass es funktioniert hat.

Konntest du spielerischer an diese Herausforderung rangehen, weil du „nichts zu verlieren“ hattest?

Anna: Nein, gar nicht. Im Gegenteil, ich dachte eher, das Stück steht und fällt mit mir. Die Arbeit war großartig, alle haben miteinander gearbeitet.

Eine gewisse Rivalität und Konkurrenz spürt ihr in eurem Jahrgang aber schon?

Moritz: Die Rivalität wird nicht ständig ausgelebt, und dennoch ist sie da. Man steht aber nicht im ständigen Vergleich, da alle sehr unterschiedliche Dinge tun, man andere Einstellungen und Vorstellungen hat und wir ja letztendlich auch alle sehr unterschiedlich sind.

Anna: Man muss sich klar machen, dass wir eigentlich viel zu viele für die Theater, d.h. den „Markt“. Insofern ist es schon ein Kampf.

Moritz von Treuenfels in „Es war auf einer Lichtung da sie zum ersten Mal Geld dafür nahm“

Wie läuft das Selektionsverfahren bei euch? Wie wird man angeworben? Suchen die MK nach Besetzungen aus den eigenen Reihen?

Anna: Im Prinzip haben wir da keinen genauen Einblick. Wir wissen, dass die Dramaturgen deutschlandweit unterwegs sind und Leute suchen und finden. Die reisen hier an und es gibt schon Vorsprechen… aber wie das genau funktioniert…

Moritz: Die sehen und kennen uns teilweise. Für uns ist natürlich der Vorteil, dass wir zu den Kammerspielen gehören, die Institution daran angebunden ist: So werden wir eventuell von Dramaturgen und Regisseuren gesehen. Trotzdem ist es nicht so, dass wir jetzt schon großartigen Jobs haben.

Was machen für euch die MK aus?

Moritz: Für mich ist es die Erfahrung, der Zugang zu sehr gutem Theater, den ich drei Jahre lang genießen durfte. Insofern wird es schwierig für mich sein, wenn ich mal an einem kleineren Haus sein werde. Die Münchner Kammerspiele sind ein Theater, das sehr mutig ist, immer wieder was ausprobiert und haben schon einen sehr großen Stellenwert für mich. Das ist auch der Schatz der Schule, dass man großes Theater hier so hautnah erleben darf.

Anna: Es übertrifft alles, eigentlich. Die vielen Leute, die für die Sache brennen, für das, was sie tun – in allen Abteilungen. Das erste Mal, als ich in die Garderobe gegangen bin, eine, die nur für mich vorbereitet war, da musste ich weinen. Ein Irrsinn, man denkt, es kann nicht sein. Großartig.

Wie sehen eure Pläne für die Zeit nach der Otto-Falckenberg-Schule aus? Wäre das Fernsehen für euch eine Option?

Moritz: Mein Traum wäre es, nach der Schule in ein Festengagement zu gehen, an ein schönes, tolles Haus zu kommen. Film interessiert mich total, und in der Fernsehbranche steckt natürlich das Geld. Aber man möchte auch nichts spielen, was einem nicht gefällt – das ist genauso wie im Theater.

Anna: Ich denke, wenn man vier Jahre hier eine Ausbildung gemacht hat, würde man nicht anfangen, Richter Alexander Hold zu spielen, einfach, weil man einen gewissen Anspruch an sich selbst hat.

Zum Schluss die Standardfrage: Wo seht ihr euch in zehn Jahren?

Anna: Hoffentlich in dem Job: Als Schauspielerin.

Moritz: Hoffentlich glücklich – und hoffentlich beides.

 

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