Interview Politikus

„Wer grapscht, der fliegt“

Die Aktion «Sichere Wiesn für Mädchen* und Frauen*» bekämpft sexualisierte Gewalt auf dem Oktoberfest und feiert ihr 20. Jubiläum.  

Von Elena Dima

Bei dem sogenannten «Safe Space» handelt es sich um eine kostenlose Anlaufstelle direkt auf dem Oktoberfestgelände. Dort wird Hilfe geleistet für Mädchen und Frauen in jeglichen Krisen- und Notsituationen. Anstoß für die Aktion gab eine Gruppenvergewaltigung auf dem Oktoberfest im Jahr 2002. Ein Jahr später haben sich die Einrichtungen Amyna, Imma und der Frauennotruf München vereinigt und die Aktion „Sichere Wiesn für Mädchen* und Frauen*“ gegründet. Somit wurde im Jahr 2003 das erste Mal der „Safe Space“ auf dem Oktoberfestgelände errichtet. „Bereits am Eröffnungsabend suchte eine Frau* Hilfe, die erst kurz zuvor von einer Gruppe von Männern auf dem Oktoberfest überfallen und vergewaltigt worden war.», so in der Pressemitteilung vom August dieses Jahres zu vernehmen. Heute ist die Aktion fester Bestandteil des Oktoberfests und hat seit seiner Gründung 3.068 Frauen zur Hilfe gestanden.

Der „Safe Space“ ist weder ein Zelt noch ein Stand

Bei der Anlaufstelle handelt es sich um einen fixen Raum im Servicezentrum, welches sich auf dem Oktoberfestgelände hinter dem Schottenhammel-Zelt befindet. Beim mittleren Eingang «Erste Hilfe» werden die Frauen von zwei Mitarbeiterinnen der Aktion in Empfang genommen. Diese begleiten die Frauen ins Gebäude und direkt zum «Safe Space». Vor Ort befinden sich mehrere Mitarbeiterinnen, welche für Unterstützung und Rat beiseite stehen. Kristina Gottlöber ist Pädagogin und seit neunzehn Jahren Teil der Aktion. Im Gespräch erklärt sie, dass Frauen in allen möglichen Krisen- und Notsituationen zum «Safe Space» kommen dürfen. Sei es ein betrunkener Zustand, das Verlieren des Handys oder aufgrund eines akuten Übergriffes auf dem Oktoberfest. Die Mitarbeiterinnen vor Ort sind darauf geschult, bei jeder möglichen Situation Hilfestellung zu leisten.

Präventionsarbeit soll Aufklären

Die Zahlen stellen fest: immer mehr Frauen suchen beim «Safe Space» Hilfe. Waren es im Jahr 2003 noch insgesamt 28 Frauen, waren es bei der letzten Wiesn an einem durchschnittlichen Abend genauso viele. Laut der Pressemitteilung haben an der Wiesn 2022 450 Frauen Hilfe gesucht, von denen 41 Frauen Opfer körperlicher und sexualisierter Gewalt waren. Da man von einer hohen Dunkelziffer ausgeht, ist die genau Anzahl unklar. Zum Anstieg der Fallzahlen erklärt Gottlöber: «Die Zahlen führen wir nicht darauf zurück, dass mehr Vorfälle stattfinden, denn die Anzahl der polizeilichen Anzeigen bleiben stabil. Dass mehr Frauen bei uns Hilfe suchen, liegt wahrscheinlich am erhöhten Bekanntheitsgrad der Aktion.» Die hohe Resonanz wird auf die Präventionsarbeit der Aktion zurückgeführt. Diese ist ein grosser Bestandteil der Aktion und besteht laut Gottlöber aus Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Durch die Sozialen Medien, Berichterstattung in der Presse aber auch in Form von Aufklärungsarbeit an Münchner Schulen („Pausenhofprojekt“), wird daran gearbeitet, die Gesellschaft auf das Thema sexualisierte Gewalt zu sensibilisieren. Letztes Jahr hat die Aktion durch die Öffentlichkeitsarbeit, im Vorfeld des Oktoberfests, 3.5 Millionen Menschen erreicht.

Die Nachfrage steigt, die Ressourcen stagnieren

Die Aktion wurde bisher größtenteils von der Stadt München und durch Spenden finanziert. Jedoch ist den Mitarbeiterinnen bewusst, dass desto bekannter die Aktion wird und desto mehr die Nachfrage steigt, umso mehr auch die Ressourcen und das Personal wachsen müssen. Zukunftspläne gibt es viele. Ganz oben auf der Liste steht eine wachsende Sensibilisierung des Personals auf der Wiesn. Das noch viel gemacht werden muss für die Bekämpfung von sexualisierter Gewalt ist eindeutig. Auf die Frage hin, was ihr ideales Endziel für die Aktion wäre, sagt Gottlöber folgendes: «Wir wollen eine Null Toleranz gegenüber sexualisierter Gewalt auf dem Oktoberfest. Ganz nach dem Motto: Wer grapscht, der fliegt.“

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