Kulturphilter

Uncle Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben

Apichatpong Weerasethakuls Gewinnerfilm der Filmfestspiele von Cannes in den Münchner Kinos

Das Atlantis Kino an der Schwanthaler-straße. Es ist Freitag 18 Uhr. Der Film läuft hier einmal täglich. Das Publikum: 15 Personen, Altersdurchschnitt ca. 50 Jahre. Uncle Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben läuft erst seit zwei Wochen in den deutschen Kinos.

Diese Tatsachen mögen erstaunen, wenn man bedenkt, dass dieser Film die goldene Palme – den Hauptpreis eines der wichtigsten Filmfestivals der Welt – gewonnen hat.

In dem knapp zweistündigen Film begleiten wir den thailändischen Uncle Boonmee (gespielt von einem Laiendarsteller) in den letzten Tagen seines Lebens. Zu Beginn befinden wir uns in einer Hütte irgendwo im Urwald von Thailand, er sitzt mit seiner Schwester und einem Verwandten beim Abendessen. Um den Tisch stehen fünf Stühle, zwei von ihnen sind noch unbesetzt. Nach einigen Minuten sehen wir, dass sich auf einem der leeren Stühle langsam der Umriss einer Frau abzeichnet, bis schließlich nach ein paar weiteren Minuten Boonmees verstorbene Ehefrau am Tisch sitzt. Als dann noch ein Affenmensch erscheint, der berichtet, Boonmees Sohn zu sein und sich mit Affengeistern gepaart zu haben, aber sehr an Chewbacca aus Star Wars erinnert, kann sich eine Zuschauerin ein kurzes Lachen nicht verkneifen. Die Komik dieser Situationen entsteht aus der Tatsache, dass die Thematik und diese Art der Darstellung solcher Themen uns in unserem Alltag nicht begegnen.

Die folgenden zwei Stunden sind wie eine Meditation, man muss sich fallen lassen und eintauchen in die wundervollen Bilder, die uns Weerasethakul anbietet. Zugegebenermaßen ist das oft nicht einfach, man ist als Stadtmensch einfach nicht damit vertraut, eine ruhige Szenerie über mehrere Minuten zu beobachten. Keine Effekte, kaum Dialoge, nur hauchzarte Interaktion zwischen den Darstellern. Man muss aufmerksam sein, um von diesem Film zu profitieren.

Es gibt auch verstörende Momente, etwa wenn eine mit Schmuck behängte Dame an einem Wasserfall von ihrer Sänfte steigt, um ihr Spiegelbild zu betrachten und anschließend einen Dialog mit einem Wels führt, mit dem sie dann auch noch Geschlechtsverkehr hat.

Die Frage „was soll das eigentlich, was will uns der Regisseur sagen?“ bringt uns bei diesem Film nicht weiter. Es werden Themen verhandelt, die keine klare Botschaft erkennen lassen. Es geht um Seelenwanderung, Sterben, Tod und Leben. Es geht in diesem Film um Bilder und um Symbole, darum etwas Unbekanntes zu erahnen, zu spüren.

Der Durchschnittsbesucher wünscht sich wohl etwas anderes von einem Kinofilm, vielleicht einfach nur Unterhaltung, Ablenkung, ein paar spannende Stunden, aber vor allem keine langatmigen Filme mit „schweren“ Themen. Der Film bietet das Gegenteil – dies ist wohl auch die Ursache für die geringen Besucherzahlen. Minutenlange Kameraeinstellungen, die zur Kontemplation einladen, Bilder die um das Leben und den Tod kreisen.

Für Besucher, die sich auf diese Gefühlsebene einlassen und dessen Ungewöhnlichkeit aushalten können, kann der Film zu einem beglückenden Erlebnis werden.

Weerasethakul ist sich der Außergewöhnlichkeit seines Filmes wohl bewusst. Er äußerte sich in einem Interview zum Film so:

“I think the audience will feel, mhh when they come out of the theatre: What was that?”

(Bild: Der Geist Boonmees verstorbener Ehefrau Huay (Natthakarn Aphaiwonk) erscheint am Tisch der Familie. © Sayombhu Mukdeeprom / Illumination films (past lives) & kickthemachine)

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