Kulturphilter Rezension

Tamara Drewe

Von Liebe, Hass und Schriftstellern

Endlose stille Hügellandschaften, Sonnenuntergänge und Kuhweiden, was braucht ein Schriftsteller mehr? Im Writer’s Retreat des erfolgreichen Krimiautors Nicholas Hardiment (Roger Allam) genießen Kollegen, wie etwa der chronisch schreibblockierte Amerikaner Glen McCreavy (Bill Camp), die Idylle des Landhauses, wo sie von Nicholas’ Frau (Tamsin Greig) verwöhnt werden. Jedoch bleibt es nicht lange bei diesen paradiesischen Zuständen.

Nicholas ist ein Schürzenjäger, der seine Frau ständig betrügt, so manch anderer ist heimlich verliebt oder mit der Ehe unzufrieden. Da braucht es nur einen Katalysator, der das Fass zum Überlaufen bringt: Tamara Drewe (Gemma Arterton), erfolgreiche Journalistin und aufstrebende Schriftstellerin. Vor allen Dingen ist sie aber auch in diesem verschlafenen Dörfchen aufgewachsen. Kaum zurück, mit einer neuen oder vielmehr besseren Nase – dank Schönheits-OP versteht sich – verdreht das ehemalige „hässliche Entlein“ den Männern der kleinen Farm den Kopf, allen voran ihrem Jugendfreund Andy Cobb (Luke Evans). Dessen Familie gehörte einst das Haus von Tamaras Mutter, welches diese nun geerbt hat. Die Geschichte nimmt schnell Fahrt auf, als auch noch Ben (Dominic Cooper), der Drummer einer erfolgreichen Indie-Rockband, sowie zwei gelangweilte und gnadenlos rücksichtslose Dorf-Gören ins Spiel kommen. Chaos vorprogrammiert.

Tamara Drewe ist das neueste Werk des Regisseur Stephen Frears und – was man kaum glauben möchte, sobald man den Trailer gesehen hat – eine Comicverfilmung. Die wöchentlichen Comic-Strips von Posy Simmonds, auf denen der Film basiert, wurden zunächst im Review-Teil des Guardian veröffentlicht und später auch zusammengefasst in einem eigenen Comicband. Die Umsetzung ist dem Regisseur durchaus gut gelungen, was die wechselnden Erzählperspektiven und die romantischen Verwicklungen angeht. Allerdings ist der Film eher als Komödie angelegt, wohingegen der Comic um einiges tragischer und nicht ganz so brav ausgeht. Bei Woody Allen, an den die Machart teilweise erinnert, wäre es vielleicht anders gekommen.

She got a nose-job

Die Charaktere sind allesamt erstaunlich ausgefeilt und wirken nicht nur ehrlich, sondern wahrhaftig menschlich. Und doch sind sie dabei restlos und ohne Ausnahme Stereotypen, wie der verwegene Drummer, der arrogante Trivialschriftsteller, seine liebevolle (Haus-)Frau, der heiße Typ vom Land oder der verkopfte Schreiberling mit Schreibblockade. Ihre Geschichten sind jedoch sehr komplex und liebevoll verknüpft, sodass man nicht anders kann, als mit ihnen zu lachen und mitzufühlen. Im Vergleich zu seiner Vorlage hält sich der Film aber stellenweise eher zurück, was Tragödie und Nachdenklichkeit angeht. Das Interesse Frears scheint es eher gewesen zu sein, eine beinahe (aber nur beinahe) schwarz angehauchte Komödie abzuliefern, wodurch sich einige Änderungen im Plot ergeben. Allerdings wäre eine andere Umsetzung nur schwer vorstellbar gewesen, da der Comic ganz anders mit unterschiedlichen Erzählern und Perspektiven spielen kann.

Unabhängig davon, ob man den Comicstrip nun kennt oder nicht, ist Tamara Drewe aber auf alle Fälle ein gelungener Film. Es ist für jeden etwas dabei, nicht zuletzt dank der zahlreichen Charaktere, und man kommt auf seine Kosten, zumal der Film auch gegen Ende noch eine nahezu moralische Wendung nimmt. Trotz Lachern, Romantik und Dramatik tritt man dann aus dem Kinosaal und fragt sich, ob es wirklich stimmt, dass die Wahrheit manchmal besser verschwiegen wird.

Ab dem 30. Dezember führt Tamara Drewe auch hierzulande die Männer an der Nase herum.

(Bild: Ruby Films, BBC Films und Notting Hill Films)

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