Professioneller Humor zweier mutiger Freunde gegen einfache Lösungen und Passiertes
Die Themen sind ernst. Das wissen sowohl die Besucher der im Münchner Kafe Marat abgehaltenen Veranstaltung, als auch die beiden an diesem Abend als satirischen Leser auftretenden politischen Urgesteine. „Eine Mischung aus frei Erfundenem und juristisch geprüften Zitaten soll eventuell zum Lachen animieren.“ Das Publikum erfährt, es kursiere der Vorwurf gegenüber dem schon öfters aufgeführten Programm es sei „regressiv“, also wohl für manche stagnierend gegenüber der politischen Wirklichkeit. Dem ist nicht so, nimmt man ernst, dass es sich um Satire gegenüber Gegenständen der gesellschaftlichen Wirklichkeit handelt, die genau oder in ähnlichen Spielarten bis heute immer wieder auftreten. Fremdenhass. Kriegstreiberei. Populismus, Nationalismus, Gewalt, Angstmache und Ausbeutung. Es wird viel gelacht an diesem Abend, an der einen oder anderen Stelle wird es auffällig ruhig im Saal, zum Beispiel wenn die Episode „Abschiebeflug“ einem relativ drastisch vor Augen führt, wie es bei einer solchen nun einmal zugeht. Hier wird eine Reportage über den politischen Alltag am Frankfurter Flughafen, einst in einer renomierten Zeitung erschienen, vorgelesen und mit Hilfe verschiedener Leserollen eigeninterpretiert. So ein großes, kulturbeflissenes und dem Zeitgeist entsprechend psychologisierendes Blatt wie es an dieser Stelle herangezogen wird, lässt es sich nicht nehmen auch die Perspektive der Beamten zu berücksichtigen, zu deren Berufsbild es gehört immer mal wieder den Geruch von Urin und Erbrochenem der aus dem jeweiligen Land Abgewiesenen aushalten zu müssen. Das Mitleid der Zuschauer für die Polizisten, die ihren Beruf selbst gewählt haben, hält sich allerdings in Grenzen.
Mit Hilfe der Montagetechnik wird dem Alltag der Spiegel vorgehalten
Mit Hilfe einer neuen, freien und so noch nie dagewesenen Montagetechnik wird dem politischen Alltag der Spiegel vorgehalten. Schauerlich geht es weiter, aber so soll es wohl sein. Vielleicht wird auch ein gewisser geistig-moralischer Abstand zwischen erwähnten Kuriositäten der Geschichte und dem Wissenschafsbetrieb vorausgesetzt, wenn beispielsweise auf einen Mythos aufmerksam gemacht wird, welcher besagt der deutsche Staat hätte Köpfe von RAF-Aktivisten geöffnet um dem „biologischen Ursprung des Bösen“ auf die Schliche zu kommen und „abweichendes Verhalten“ zu studieren. Die Nationalsozialisten – auch manche Mütter und Väter von Aktivisten der Roten Armee Fraktion hatten bekanntermaßen eine braun gefärbte Vergangenheit – haben in der Tat derartige Versuche an ihren Opfern und an Unerwünschten durchgeführt. „Bei denen wurde aber nicht im Hirnkästchen nachgeguckt ob alles rund läuft.“ Der Abend ist ein Feuerwerk an Sarkasmus und überfordert wahrhaftig. Nicht in dem Sinne, wie das typische, von Fremdworten nur so ächzende Professorendeutsch, auf das übrigens auch angespielt wird und welches den bildungsdurstigen Zuhörer am Ende mit Phrasen wie „Sprache und Wissen sind einfach nicht zu greifen, sind wohl schlicht nichts“ in den Feierabend verabschiedet, sondern ganz anders: bei Trampert und Ebermann wird dem politisch Interessierten aufwühlend schwindelig, lehnt er sich nicht einfach starr zurück und nimmt Satire nackt und nur als eben solche.
Der Abend gleicht einem Feuerwerk an Sarkasmus
Die beiden Vortragenden laden das Publikum dazu ein an blitzschnellen Gedankensprüngen teilzunehmen und präsentieren Episode um Episode professionell dargebotenen Hohns gegenüber der politischen Realität. Sprung vom Deutschen Herbst und dem falsch verstandenen „Wissen“ der Nationalsozialisten um die triebeigenen Kräfte des menschlichen Körpers hinein in die Kinderstuben der Nation: Nachdem anhand von Beispielen überzeugend dargestellt wurde, dass so manches Märchen oder manche Geschichte, die den Kleinen traditionell immer noch gerne vorgelesen wird, alles andere als aufbauend oder beruhigend wirkt, kommt die Frage auf, was den Kindern da eigentlich suggeriert werden soll wenn, wie bei Max und Moritz, von Mord und Totschlag an Altersgenossen erzählt wird. Demut? Vor was und wem eigentlich? Wozu? Der Philosoph Baruch de Spinoza hat das im 17. Jahrhundert so formuliert: „Demut ist keine Tugend, das heißt sie entspricht nicht der Vernunft.“ Wohl möchte man annehmen, der Abend will auch sagen diese Gesellschaft sei von vorne bis hinten alles andere als vernünftig organisiert. Die beiden spielen mit einem ernstzunehmenden und fundierten Wissen über Ökonomie, Politik, Soziologie und ferner einfach mit der ihnen zuzuschreibenden sozialen Intelligenz gegenüber dem Wahnsinn des allgegenwärtig in den Medien auftretenden Populismus. Da sieht man zu wie Pfandgutsammler das Straßenbild mehr und mehr beherrschen, da wird eine ganze Nation von Seiten der Politik mehr und mehr verarmt und Der Spiegel, als ein bildungsbürgerliches Magazin unter zahlreichen, bringt einen Titel mit dem Schlagwort „Optimismus“ heraus. Das finden die zwei Freunde wohl doch immer noch irgendwie selbst zynisch und zitieren frei weiter: „Der Optimist eignet sich besser für das Wirtschaftswachstum“. Populismus in Reinform. Trampert und Ebermann wollen hier wohl eher darauf abzielen, dass es fast psychotisch anmutet ganze Generationen in immer neue Kriege zu schicken, Wirtschaftskrisen und deren fundamentale Bedeutung für das eigene haushalten der Leute wie eine Sinuskurve kommen und gehen zu lassen als wäre dies das Verständlichste auf der ganzen Welt und bei all anderen Gemein- und Widrigkeiten, die das „Leben“ und dessen Chroniken hier so mit sich bringen noch an den „ureigenen Optimismus“ der arbeitenden Massen zu appellieren.
„Der Optimist eignet sich besser für das Wirtschaftswachstum“
Stärke entdecken die Leser im Umgang der Gesellschaft mit einem neuen Selbstbewusstsein gegenüber der eigenen Nationalität und betiteln die Fußball-Weltmeisterschaft aus dem Jahre 2006, samt ausländerfeindlichen Ausschreitungen, die leider an deren Rande stattgefundenen haben, zynisch als „größte Flaggenparade seit den Nürnberger Reichsparteitagen zwischen 1933 und 1938“. Witzig und mit wahrem Kern: Man könnte es wirklich als außergewöhnlich bezeichnen wie die Leute im Rahmen der Fußballfeierlichkeiten ausflippen dürfen, ja gar geduldet den Verkehr lahm legen, während die Straßenverkehrsordnung im normalen Alltag normalerweise schon das Anbringen eines bunten Aufklebers an seinem Fahrzeug als störend und gefährlich zu interpretieren weiß. Und wieder ein Geistesblitz, diesmal in Form einer eher leisen vorgetragenen Frage: „Kann ein mehr an Nationalbewusstsein ein negatives Gefühl hindern, dass von einem verletzten Nationalgefühl herrührt?“ Ernsthafte Erläuterungen und eine tiefergehende Beantwortung bleiben an diesem Abend aus. Es liegt eben nur ein Teilaspekt der politischen Arbeit von Ebermann und Trampert vor. Die satirische Lesung „20 Jahre großes Deutschland“, die hoffentlich bald wieder auf – den beiden Freunden wohlwollend gegenüberstehenden Bühnen – zu sehen sein wird.