Kulturphilter Rezension

Last Night

Ein Manifest zum Thema Untreue

Joanna (Keira Knightley) wirft bei einer Party einen Blick aus dem Panoramafenster auf den Balkon und sieht wie eine Frau, die sie nicht kennt, ihrem Mann Michael (Sam Worthington) eine Hand auf die Schulter legt. Eine Geste, die vertraut wirkt und eindeutig Nähe sucht. Wie sich herausstellt, handelt es sich bei der Unbekannten um Laura (Eva Mendes), eine Arbeitskollegin ihres Mannes mit der er seit drei Monaten zusammenarbeitet. Auf dem Heimweg konfrontiert sie ihn, bedrängt ihn, klagt ihn an, bis er ihr schließlich eine gewisse körperliche Anziehung gegenüber der Designerin gesteht. Ein heftiger Streit ist die Folge, doch das Ehepaar versöhnt sich schnell wieder bei einem Mitternachtssnack.

Am nächsten Morgen macht sich Michael, als wäre nichts passiert, auf nach Philadelphia zu einem geschäftlichen Treffen, bei dem auch Laura anwesend ist. Währenddessen trifft Joanna in New York auf Alex (Guillaume Canet), einen Ex-Freund und erfolgreichen Schriftsteller, den sie in Paris kennengelernt hat, als sie lange vor ihrer Heirat die Beziehung zu Michael zwischenzeitlich beendet hatte. Der Clou: Sie hat ihrem Mann nie von dieser kurzen Affäre erzählt. Schnell ist ein Abendessen verabredet und die Funken beginnen zu sprühen. Aber auch Michael und Laura kommen sich gefährlich nahe.

Last Night ist ein ruhiger Film der kleinen Gesten. Schnitte, die zunächst etwas wirr wirken und das ein oder andere Déjà-vu hervorrufen, sind eigentlich unauffällige Beobachtungen und sollen auf bestimmte Reaktionen hinweisen oder verdeutlichen Blickwinkel ohne dabei aufdringlich zu wirken. Diese Art der filmischen Inszenierung fügt sich wunderbar in das Gesamtkonzept: Das Geschehen eines Tages und einer Nacht wird in bloß 90 Minuten zusammengefasst, wobei die beiden Handlungsstränge der Ehepartner permanent gegenübergestellt und miteinander verflochten werden. Der Zuschauer gewinnt beinahe den Eindruck, es werde abgewogen, verglichen, beurteilt.

Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet

Und das ist auch die eigentliche Agenda des Films. Das große Thema ist der Ehebruch beziehungsweise die Treue an sich und die Diskussion, was denn nun schlimmer ist: emotionales oder physisches Hintergehen des Lebenspartners. Last Night maßt sich dabei jedoch kein Urteil an, verweigert es genaugenommen sogar und überlässt es dem Richterspruch des Zuschauers selbst. Was Recht ist und was Unrecht, schreibt der Film nicht vor. Er zeigt lediglich die Geschehnisse und wie sehr die beiden Protagonisten ihren Gefühlen und Regungen unterworfen sind.

Die Drehbuchautorin und Regisseurin Massy Tadjedin, eine Amerikanerin mit iranischer Herkunft, hat mit Last Night auf jeden Fall ein bemerkenswertes Regiedebut abgeliefert. Ihr internationaler Cast – Knightley ist Britin, Worthington Australier, Mendes Amerkanerin und Canet Franzose – trägt dazu durch seine wundervolle schauspielerische Leistung bei. Das Ringen der Protagonisten ist ihnen an jeder Gesichtsregung und jeder Bewegung anzusehen, genauso wie Mendez und Canet mit ihrer Darstellung alter Wunden und nicht überwundener Liebe glänzen.

Last Night ist rundum gelungen. Das einzige, was dem Film zum Vorwurf gemacht werden könnte, ist eben die Nichtlösung des Konflikts. Dadurch wirkt das Ende etwas gewollt und, so wünschenswert es auch sein mag, dass der Zuschauer nach dem Film noch damit beschäftigt bleibt, wäre vielleicht die eine oder andere Frage doch zu beantworten gewesen. Inwiefern diese Nichtlösung nun gut oder schlecht ist, muss also auch jeder für sich selbst entscheiden.

Unabhängig davon ringen Keira Knightley und Sam Worthington ab dem 30. Dezember auch in den deutschen Kinos mit den Ereignissen der letzten Nacht.

(Bild: Gaumont und NFP Marketing & Distribution)

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