Kaffeesatz

Frau im Cafe

Kaffee verbindet. Kaffee trinken kann die Grundlage und Gelegenheit für so vieles sein. Man trifft sich zum Kaffee trinken mit (noch) fernen Bekannten, mit den engsten Freund:innen, zum ersten Date oder um sich zu trennen. Man kommt ins Gespräch miteinander, lacht, weint, philosophiert und teilt Persönliches. Diese Kolumne will einige der Geschichten, die beim Kaffee erzählt werden, teilen und damit das Gefühl des „Kaffeetrinkens“ einfangen.

P.S.: Tee darf auch getrunken werden.

Von Johanna Mayer

Hohe Bäume, deren knorrige Äste sich leicht im Herbstwind wiegen, säumen die enge Straße in der kleinen Stadt. Einzelne rot und braun gefärbte Blätter lösen sich und fliegen sacht in Richtung des dunklen Horizonts hinab, bis sie auf dem nassen, dunklem Gehsteig vor dem hell erleuchteten Cafe liegen bleiben. 

Die Tür des Cafes geht auf und zu, und während ein Großteil der Blätter von fremden Schuhen zertreten wird, trägt der Wind die kleinsten Blätter bis durch die Tür des Cafes und lässt sie sanft auf dem Holzboden ab. Im Cafe ist es behaglich, warmes Licht erhellt den Raum und zu einem leichten Holz-Geruch gesellt sich der durchdringende Geruch von frisch gemahlenem Kaffee. Hinter dem Tresen steht ein Barista, der dabei ist, Kaffee in eine Tasse zu gießen. Er schaut kurz auf, als ihn der kalte Wind von draußen streift. 

Am Tisch direkt neben dem Tresen sitzt eine der Stammgäste, die ich nur vom Sehen kenne. Das soll sich heute ändern. Wir kommen ins Gespräch. Sie komme täglich um Punkt 17 Uhr und geht um 18:30 Uhr, am Wochenende etwas früher. Meistens bestelle sie einen Milchkaffee, den sie immer erst ausgetrunken hat, wenn der Kaffee schon kalt ist. Meistens habe sie ein Buch dabei, aber sie erzählt lächelnd, dass sie lieber den Leute im Cafe oder durch die Fenster dem Strom der Menschen zuschaue. 

Heute ist sie – zusammen mit mir – wieder unter den letzten Gästen, wieder habe sie den Tag damit verbracht, den Menschen zuzusehen, die ins Cafe strömen, sich unterhalten, lachen. Manche, erzählt sie mir, während sie ihren Kaffee mit einem Löffel umrührt, kommen täglich oder mindestens dreimal die Woche. Andere sieht man einmal und nie wieder. Das Cafe hat für sie die wunderbare Eigenschaft, das Leben selbst aufzufangen: Die Tatsache, dass nichts sich verändert, indem sich alles verändert. Die Menschen schlendern ins Cafe und wieder hinaus wie kleine Wassertropfen, die in einem großen Fluss immer weiter fließen. Und auch wenn man ein fleißiger Kaffee-Trinker ist – sie nippt an ihrer Kaffee-Tasse und verzieht leicht das Gesicht, denn „der Kaffee ist schon kalt“ – so ist man doch bei jedem Besuch ein veränderter Mensch, der auf sein Vortags-Ich nur zurückschauen, aber niemals wieder zu diesem werden kann. 

Das Cafe sei ihr Beweis, dass sich immer alles andauernd ändert, dass das große Ganze, in dem sich die Menschen wie Spielfiguren hin und herbewegen, aber immer gleich bleibt. Mehr noch, dass dieses große Ganze wie ein Fluss nur durch Veränderung existieren kann. Vielleicht – bemerkt sie, während ihre Augen den fliegenden Blättern draußen folgen – ist das Cafe für sie nicht nur Beweis, sondern viel mehr ein Hoffnungsschimmer in einer Welt, die sich jeden Tag schneller dreht: Die Hoffnung darauf, dass auch in 10 Jahren die Menschen, auch sie selbst, ein und ausgehen, ihren Kaffee trinken, lachen und sich unterhalten werden. Und sich daran – sie zwinkert mir zu, bevor sie den für heute letzten Kaffee-Schluck trinkt – nichts ändern wird. 

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