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Honeymoon – and doom?

In Großbritannien inszeniert die neue Regierung unter David Cameron ein Bild von Ordnung und Einigkeit – nach Tagen aufgeregter Diskussion und Unsicherheit präsentiert sich die Koalition aus Tory-Partei und Liberal Democrats als stabile politische Führung für die parlamentarische Monarchie.

Akt I – Geordneter Rückzug

Die Bühne der britischen Politik ist am Montagabend die Downing Street No. 10. Vor der schwarzen Eingangstüre wartet ein Rednerpult. Der Chor von Mitarbeitern Gordon Browns im Hintergrund. Nummer 10 öffnet sich: Brown tritt ans Mikrofon und  erklärt seinen Rücktritt.

Seine unmittelbare Reaktion auf das Wahlergebnis vom Freitag war offen genug formuliert gewesen. Er wolle eine stabile Regierung sicherstellen. Nachdem sich die Verhandlungen zwischen Labour und den Liberal Democrats schnell als erfolglos herausgestellt hatten, bleibt nur noch, Cameron gezwungenermaßen den Vortritt zu lassen.

Brown scheint aber nicht als Geschlagener zu gehen. Nun endlich könne er sich dem wichtigsten Job zuwenden: dem Beruf des Ehemanns und Vaters.  Dann, in aller Ruhe, gehen die Browns die Downing Street hinunter – und somit aus dem Fokus der Öffentlichkeit.

Akt II – ‚Adel’ verpflichtet

Dort steht nun David Cameron. Er wird auf dem Weg zum Buckingham Palace gezeigt, wo ihn die Queen bittet, eine Regierung zu bilden. Dieses monarchische Zeremoniell ist die Voraussetzung für die Amtsübernahme.

Cameron ist ein Bild von einem britischen Conservative. Der Eton– und Oxford-Absolvent ist ein Nachfahre von William IV und somit ein entfernter Verwandter der Königin. Der 43-Jährige hat mehrere Jahre in der privaten Medienindustrie gearbeitet und sich dort einen ambivalenten Ruf verdient. Während seine Vorgesetzten ihn schätzten, charakterisierten Journalisten ihn als ‚aalglatt’ und nicht vertrauenswürdig. Seine Nähe zum traditionellen britischen Establishment der Mächtigen und Reichen macht ihn für viele zum Antagonisten der einfachen Bevölkerung. Nun beginnt seine Arbeit im Auftrag der Queen – und 36 Prozent der Bevölkerung.

Akt III – Downing Street renewed

Nur etwa eineinhalb Stunden, nachdem die Browns Nummer 10 verlassen haben, gehen David Cameron und seine Frau Samantha denselben Weg die Downing Street hinauf. Der Auszug des abgewählten und der Einzug des neuen Premierministers in den berühmten Amtssitz ist ein Symbol für den Wechsel. Keiner verlasse gern die ‚Nummer 10’, so sagt man hier; Maggie Thatcher habe sogar ihre Fingernägel im Teppich zurückgelassen, als man sie aus dem Haus gezogen habe.

Die Position hinter dem Rednerpult gehört jetzt Cameron. Doch seine Macht ist beschränkt. Ohne absolute Mehrheit im Unterhaus ist Cameron auf einen Partner angewiesen. Sein Amt beinhaltet nun die Führung einer Koalition. Gemeinsam mit Nick Clegg und den Liberal Democrats will Cameron eine stabile Regierung bilden. Im Dienste des Gemeinwohls sollen, so Cameron, nicht mehr politische Gegensätze die Politik dominieren, sondern Gemeinsamkeiten.

Akt IV – Honeymoon. Doomed to fail?

Am nächsten Morgen wird das entsprechende Symbol für die Medien inszeniert: Nick Clegg fährt vor, und auch er geht zu Fuß die Downing Street hinauf zur No. 10.  Auf den Stufen vor dem Eingang wird das Zeichen für die versprochene Zusammenarbeit zelebriert – ein Händedruck der Koalitionspartner.

Die Conservatives müssen den Lib Dems einiges bieten, um sie im Boot zu behalten. Es soll Einigungen bezüglich Steuersenkungen, mehr Raum für Bürgerrechte und Transparenz und Verantwortlichkeit im Parlament geben. Die großen Forderungen von Seiten der Liberalen stoßen jedoch auf gegenteilige Überzeugungen bei den Tories: In Bezug auf Atomwaffen, Europa und Wahlsystem herrschen große Unterschiede. Es sind wohl die fünf Kabinettsposten, darunter das Wirtschafts- und Umweltministerium, die die Liberal Democrats auf künftigen politischen Einfluss hoffen lassen.

Die große Frage und zugleich Sorge in Großbritannien lautet dennoch: Wie lange tragen die Hochgefühle der sogenannten ‚new politics’, die nun anbrechen sollen – und wann beginnen die signifikanten politischen Unterschiede zu stören?

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