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Ein Sender wird 15

Zur ausladenden Geburtstagsfeier des Radiosenders M94.5. Von Sabrina Kammerer

Die Werbung des Münchner Studentensenders, mit Jens Friebe in lasziver Pose...

Zu einem Geburtstag gehören eine Torte, Geschenke und je nach Alter des Jubilars auch das ein oder andere Gläschen Sekt. Beim 15. Geburtstag des Aus- und Fortbildungsradiosenders M94.5 gibt es zwar keine Torte, dafür aber Geschenke für diejenigen, die imstande sind, einen leicht ausufernden Fragebogen zu beantworten. Trotz der Minderjährigkeit des Geburtstagskindes sieht man auch das ein oder andere Bier in den Händen der, laut M94.5 Facebook-Seite, über 700 Partygäste, die sich an diesem schönen Abend im Ampere versammelt haben.

Doch nicht nur das gemeine Fußvolk feiert an diesem Abend den Indieradiosender, dessen Programm hauptsächlich von Studenten der Münchner Universitäten gestaltet wird, auch andere illustre Gratulanten sorgen dafür, dass so schnell niemandem langweilig werden dürfte.

Den Anfang machen Ebow, die im Vorfeld bereits, durchaus tollkühn, als die deutschen M.I.A. betitelt wurden. Es gilt also große Schuhe zu füllen. Was Ebow jedoch auf der Bühne abliefern, das braucht sich des Vergleichs nicht scheuen. Zu teilweise orientalischen Klängen, in jedem Fall sehr guten Tracks, die sich schön im Spannungsfeld zwischen HipHop und Elektro bewegen, rappt Frontfrau Ebow über Multikulturalität rund um den Hauptbahnhof (Quebab), Gigolos im Glockenbachviertel (Am Glockenbach)  und prangert die amerikanische bzw. westliche Politik im Zuge der Globalisierung an (Oriental Dollar). Auf der Bühne wird Diversität und das Wandeln zwischen nationalen Identitäten gefeiert. Es ist egal ob Max, Moritz, Mehmet oder Murat, Männer sind sowieso alle gleich und der Papa meint eh, sie sei ein Punker. Ebow rebelliert gegen das stereotype Bild eines türkischen Mädchens, spielt auf intelligente Weise mit Klischees und reißt mit ihrer Energie die frühen Vögel der Geburtstagsgesellschaft mit. Ein rundum gelungener Beginn also. Das nächste Konzert von Ebow wird übrigens voraussichtlich in einer Tram stattfinden. Genaueres steht noch nicht fest, aber auch das verspricht ein überaus interessantes Konzert zu werden.

 

Vor dem Ampere bei der Geburtstagsfeier von M94.5

Nach dem Auftritt von Ebow folgt das unvermeidbare Zwischengeplänkel, das auf einer Geburtstagsfeier wohl einfach nicht fehlen darf. Reden werden geschwungen, Leuten wird gedankt und zur allgemeinen Erheiterung singt dann noch eine leicht maskulin anmutende Marilyn Monroe „Happy Birthday“. M94.5 Moderator Andi Speth beweist bei seinem Auftritt als Roberto Blanco/Shaggy/Lenny Kravitz außerdem auf klamaukartige Weise seine Wandelbarkeit. Es folgt die Umbaupause, die von den Zuschauern mit einem fluchtartigen Verlassen der Lokalität quittiert wird. Trotz Gewitter will die Nikotinsucht des Münchner Indievolks befriedigt werden und selten dürften sich derart viele Menschen unter einen Sonnenschirm gedrängt haben. Einige kriechen sogar unter Bambussträucher, um dem Regen zu entfliehen.

 

 

Gott sei Dank beginnt dann der Auftritt der zweiten Band dieses Abends: Joasihno. Ein junger Mann mit „Nerd-Brille“, der, unterstützt von seinem Schlagzeuger, Musik macht, die in ihren ruhigen Passagen manchmal an Belle & Sebastian erinnert, manchmal mit mehr Intensivität im Stile von Portugal the Man daherkommt. Er selbst sieht seine musikalischen Wurzeln in Island und in Afrika, aber auch in einem kleinen Dorf bei Eichstätt, wo er aufgewachsen ist. Der Instrumentenwechsel zwischen Keyboard und Gitarre, mit denen er in eine Art Duell mit dem fast schon aufdringlichen Schlagzeug tritt und die tragenden Melodien erzeugt, schafft Abwechslung und eine Atmosphäre, in der man sich gerne zurücklehnen oder auf den Boden setzen würde. Auch, dass er tatsächlich die Blockflöte herausholt, wirkt eher interessant und avantgardistisch, als abschreckend.

Kontrastprogramm im Vergleich zu Ebow also, aber dennoch nicht zu verachten. Und als Joasihno endet, da geht die Masse an Geburtstagsgästen schon etwas in sich ruhender hinaus zum Rauchen. Und wie durch ein Wunder hat es auch aufgehört zu regnen.

 

Die Umbaupause dauert diesmal ein wenig länger. Inzwischen haben sich scheinbar auch die letzten Nachzügler eingefunden, denn jetzt wird es durchaus noch eng. Bevor der Hauptakt des Abends die Bühne betreten darf, werden erst noch die Gewinner des bereits erwähnten Fragebogens ausgelost. Sieben von ihnen dürfen sich über Musikpakete freuen, der Hauptpreisgewinner erhält kostenlosen Eintritt zu drei von M94.5 präsentierten Konzerten seiner Wahl. Die Bemühungen der Moderatoren, das Publikum zu lauten Begeisterungsbekundungen ob dieser Verleihung zu bewegen, müssen als ‚eher gescheitert‘ bezeichnet werden, dennoch ist die Stimmung weiterhin hervorragend.

 

Jens Friebe bei seinem Auftritt

Dann ist es endlich so weit, Jens Friebe & Band werden angekündigt, lauter Applaus. Doch halt, der Schlagzeuger ist noch auf dem Klo. Also wird noch schnell auf die M94.5 Facebook-Seite hingewiesen, und dann kommen sie schließlich doch heraus auf die Bühne. Jens Friebe, der im Laufe des Abends gut und gerne an die 5-10 Mal als „letzer Dandy“ bezeichnet wurde und der sich darüber hinaus äußerst lasziv auf dem Veranstaltungsplakat räkelt, hat den weiten Weg von Berlin auf sich genommen, um M94.5 zu gratulieren. Obwohl das Werk des Wahl-Berliners bereits vier, von der Musikszene durchaus mit Begeisterung aufgenommene Alben umfasst, gilt er doch bei vielen immer noch als Geheimtipp. Einige der Gäste können seine Text mitsingen, andere lassen sich einfach von Liedern wie „Lawinenhund“, „Rauch ohne Feuer“ oder „Frau Baron“ mitreißen und wippen freudig auf und ab. Letzteres Lied, das wohl auch zu seinen bekanntesten zählt, wird bereits, wie dem Künstler vor dem Konzert mitgeteilt wurde, von motivierten Lehrkräften im Geschichtsunterricht verwendet, um die Gewohnheit mancher Lehnsherren, oder auch Lehnsfrauen, zur Zeit des Feudalwesens sexuelle Gefälligkeiten als Ersatz für monetäre Zahlungen zuzulassen, zu illustrieren. Jens Friebe gibt sich ob dieser Entwicklung erfreut: „Wenn ich es in die Schulbücher geschafft haben, dann weiß ich, dass doch nicht alles umsonst war.“

 

Als umsonst kann sein Musikschaffen der letzten Jahre jedoch in keinem Fall bezeichnet werden. Die meisten seiner Lieder sind tanzbar, alle erzählen Geschichten, keinen fehlt es an Substanz und Texte, wie die von Herrn Friebe, findet man kaum noch im deutschen Musikraum. Allein die Liedzeile „Wie eine Stimme, die beim Tischfußball zu dir spricht: Klapp deine Männchen weg, den Rest mach ich.“ dürfte so manchen Möchtegernpoeten vor Scham erröten lassen. Und so spielen Jens Friebe, Bassistin und Alleskönnerin Julie Mies und Chris Immler, der am Schlagzeug mal ein schmerzverzerrtes, mal ein erheitertes Gesicht macht, jedoch immer eine perfekte Figur abgibt, ein Geburtstagsständchen für M94.5 nach dem anderen. Der einzige Wermutstropfen sind die technischen Probleme, die des Öfteren auftreten und so zum Beispiel Jens Friebe zu der Bitte veranlassen, das Lied „Charles de Gaulle“ doch bitte aus der Aufnahme herauszuschneiden. Trotzdem wird ausgelassen getanzt und nach zwei Zugaben ist das Hauptprogramm dieser Geburtstagsfeier beendet.

 

Der Festgemeinde bleiben zwei Optionen: noch eine letzte Zigarette und dann die Hoffnung, dass man das eine kostenlose, von M94.5 organisierte Taxi nach Hause abstaubt, oder noch eine Zigarette, und dann zu den Klängen der, von den M94.5 DJs aufgelegten, Musik den Abend ausklingen lassen. Egal welche Option schließlich wahrgenommen wird, ein rundum gelungener Geburtstag war es allemal.

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