…an dem Frauen Auto fahren werden.“
In Saudi-Arabien haben Frauen wenig Rechte. Sie haben einen männlichen Vormund, der für sie die wichtigsten Entscheidungen fällt. Nicht einmal alleine einkaufen fahren können sie. Eine Geschichte aus einem Land, in dem bis heute die Geschlechter-Apartheid herrscht.
Saudi-Arabien ist das einzige Land der Welt, in dem es Frauen untersagt ist, selbst Auto zu fahren. Die Familie muss entweder einen Chauffeur anstellen oder die Frauen sind auf männliche Verwandte angewiesen, die sie zur Arbeit oder zum Einkaufen bringen. Das Fahrverbot im Königreich stützt sich nur auf Edikte konservativer Religionsgelehrter, es ist aber nirgendwo gesetzlich festgelegt. Es wird nicht mit der Religion begründet, sondern mit den Traditionen des Landes Saudi-Arabien. Sollten Frauen Autofahren dürfen, so die Begründung, bestünde die Gefahr, dass sie mit Männern in Kontakt kommen, etwa mit Polizisten oder Mechanikern. Außerdem wird befürchtet, dass Frauen dann öfter aus dem Haus gehen und die Straßen überfüllt wären.
Inspiriert durch den arabischen Frühling versucht seit Juni 2011 eine Gruppe von Aktivistinnen um die Saudi-Araberin Manal al-Scharif gegen das Fahrverbot im Land zu protestieren. Mit einer Kampagne auf Youtube und Facebook kämpft Manal al-Scharif gegen das Verbot. Sie veröffentlichte ein Video im Internet, auf dem sie selbst am Steuer eines Autos zu sehen ist. Anschließend wurde sie dafür verhaftet und landete neun Tage im Gefängnis. Auf Facebook gründete sie zusammen mit ihren Mitstreiterinnen die Gruppe „Bring mir Autofahren bei, damit ich mich selbst schützen kann“, in der sie die Behörden auffordert, das Verbot aufzuheben. Auf ihrer Seite erklärten die Frauenrechtlerinnen den 17. Juni 2011 zum „Tag des Autofahrens“ und forderten Frauen dazu auf, sich ans Steuer eines Autos zu setzen und durch die Innenstadt von Riad zu fahren. Die Aktion gelang und die Frauen filmten sich gegenseitig und veröffentlichten die Videos im Internet. Durch den gelungenen Protest fuhren immer wieder Frauen mit dem Auto durch die Stadt. Wurden sie von der Polizei erwischt, durften sie meist wieder gehen, nachdem sie schriftlich zugesichert hatten, künftig nicht mehr selber zu fahren. Doch im September änderte sich das.
Die 34-jährige Schajma Dschastania wurde in Jedda beim Autofahren erwischt. Im anschließenden Prozess wurde sie zu zehn Peitschenhieben verurteilt. Dieses Urteil entfachte großen Protest, sowohl bei Frauenrechtlern im Land, als auch bei der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Aufgrund des öffentlichen Drucks setzte König Abdullah die Strafe schließlich aus.
Noch zwei Tage vor dem Urteilsspruch hatte König Abdullah den Frauen das aktive und passive Wahlrecht für die nächsten Kommunalwahlen 2015 zugesprochen. Abdullah begründete sein Dekret damit, dass es in der islamischen Geschichte viele Beispiele gebe, in denen Frauen wertvolle Ratgeber gewesen seien. Diese Reform ließ sich islamisch relativ leicht legitimieren. Das Gremium, um das es geht, berät den König nämlich nur und entscheidet nichts. Dennoch reagierten die Frauen äußerst positiv auf die neugewonnen Rechte, insbesondere da sie hoffen, dass dies erst der Anfang war. Umso erstaunlicher, dass wenige Tage danach das harte Urteil über Schajma Dschastania verhängt wurde.
Generell steht es um die Frauenrechte in Saudi-Arabien äußerst schlecht. Eine Frau benötigt die Erlaubnis ihres Ehemanns, wenn sie arbeiten oder verreisen will, selbst für eine medizinische Operation braucht sie eine Genehmigung. Behörden und Banken haben getrennte Eingänge für Männer und Frauen. In der Universität müssen die Professoren ihre Studentinnen per Video-Schalte unterrichten, da diese sich nur im Nachbarhörsaal aufhalten dürfen. In Einkaufszentren gibt es „weibliche Stockwerke“, wo nur Frauen einkaufen, und in Firmen, in denen Frauen arbeiten, müssen Räume und Geschosse nur für sie eingerichtet werden. Die bekannte saudische-Bloggerin Iman al-Nafschan nennt das herrschende System „Geschlechter-Apartheid“.
Diese oft geradezu lächerlich erscheinende Strenge der Geschlechtertrennung zeigt sich auch beim Fahrverbot. 2010 schlug der anerkannte islamische Gelehrte Abdul Mohsen Obeikan vor, dass Frauen ihren Fahrern jeden Tag fünf große Portionen Muttermilch geben sollten. Der Grund: Eigentlich ist der Kontakt zwischen Fahrer und Frauen ja verboten, aber durch die Muttermilch würde der Mann zu einer Art Sohn der Spenderin werden. So steht es schließlich schon im Koran. Wegen dieses Vorstoßes, der als „Muttermilch-Fatwa“ bekannt wurde, gab es einige Diskussionen. Obeikan schlug vor, dass die Einnahme im Glas erfolgen solle. Doch ein Kollege widersprach ihm und erklärte, dass islamisch korrekt die Muttermilch direkt von der Quelle eingenommen werden müsse. Daraufhin starteten saudische Bloggerinnen die Kampagne: „Lass uns endlich Auto fahren oder wir werden unsere Fahrer stillen“.
Die saudischen Frauen wünschen sich, dass ihnen bald erlaubt wird sich ans Steuer eines Autos zu setzen. Grund zur Hoffnung haben sie. König Abdullah, der 2005 den Thorn bestieg, verkündete damals: „Ich glaube fest an die Rechte der Frauen. Der Tag wird kommen, an dem Frauen Auto fahren werden.“ Der König ließ sich sogar mit unverschleierten Frauen fotografieren, was in Saudi-Arabien ein Tabubruch ist. Er erlaubte Frauen im Fernsehen aufzutreten, ernannte eine Frau zur stellvertretenden Bildungsministerin und gründete eine Universität, an der sowohl Männer als auch Frauen zusammen unterrichtet werden. Beobachter sind der Meinung, dass König Abdullah den Frauen gerne mehr Rechte zusprechen würde.
Doch er kann es nicht. Nach wie vor ist der Einfluss der Religionsgelehrten beträchtlich. Seit Saudi-Arabien 1932 gegründet wurde, bilden sie mit dem Herrscherhaus eine Symbiose der Macht. Die Imame haben ein hohes Mobilisierungspotenzial. „Wenn sie meinen, dass der König unislamisch regiert, werden 50.000 Imame im ganzen Land ihre Anhänger aufrufen, ihm nicht mehr zu gehorchen“, sagt der britische Saudi-Arabien-Kenner Robert Lacey.
Einer der mächtigsten Widersacher Abdullahs ist sein Halbbruder und jetziger Thronfolger Prinz Naif Bin Abd al-Asis. Er präsentiert sich bisher als Vorreiter der Konservativen, sollte er an die Macht kommen droht dem Land eine Rückkehr in die komplette Geschlechter-Apartheid. Von Frauenrechten hält der Prinz wenig. Die Zukunft scheint nicht sehr rosig auszusehen für die Frauen in Saudi-Arabien. Man kann nur hoffen, dass König Abdullah noch einige Reformen durchsetzen kann.