München

Was brauchen wir wirklich? – Die Münchner TEDx-Konferenz zur Zukunft des Konsums

Dieses Jahr feiert das TEDxMünchen sein zehnjähriges Jubiläum und das TEDxYouth@München hinkt mit dem fünfjährigen kaum hinterher. Um das zu zelebrieren, gab es eine große gemeinsame Veranstaltung zur „Zukunft des Konsums im Werksviertel-Mitte. Philtrat war mit dabei.

Text und Bilder: © Annika Stanitzok

TED Talks haben wir bestimmt alle schon mal gesehen, ob durch Videoempfehlungen, TikToks, Freunde, oder von unseren Professor*innen aus, weil der Talk gerade so gut zum Kursthema passt. Dabei geht es in der Regel darum, Expert*innen aus allen möglichen Fachrichtungen einzuladen und ihnen für kurze Vorträge eine Bühne zu geben. Sie sollen Entwicklungen vorstellen, Ideen teilen und Diskussionen anregen.  Hier in München gibt es zwei unabhängig organisierte TEDx-Gruppen: TEDxMünchenund TEDxYouth@München. Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums von TEDxMünchen und des fünfjährigen Jubiläums von TEDxYouth@München dieses Jahr gab es eine große, gemeinsame TEDx-Konferenz im Werksviertel zu dem Thema „Zukunft des Konsums“.

Konsum wird immer mehr zu einem Kernthema von gegenwärtigen gesellschaftlichen Debatten. Konsum steckt in Menschenrechtsdebatten um faire Arbeitsbedingungen und der Ethik des Kaufens; es steckt im Diskurs um Klimawandel und Umweltschutz durch die Themen Kreislaufwirtschaft, Grüner Konsum, und Recycling. Es steckt in Fragen um mentale Gesundheit und Technologie durch Abhängigkeiten von Drogen-, Pornografie- und Gamingkonsum. Diese TEDx-Konferenz hat viele dieser Themen aufgegriffen.

Vortragshighlights: Bekannte Gäste und eindrucksvolle Talks

Der Hauptteil der Veranstaltung holte fünfzehn Gäste live oder digital im Rahmen von Vorträgen und kurzen Interviewsegmenten auf die Bühne. Darunter gab es viele bekannte Namen wie Fernseharzt und Wissenschaftsjournalist Eckert von Hirschhausen, Hip-Hop Sängerin Nura, Investigativjournalist Felix Rohrbeck, das Podcast-Duo von Sucht und Süchtig und Pornografieregisseurin Paulita Pappel. Einer der eindrücklichsten Talks war von Dominik Bloh, einem ehemaligen Obdachlosen, der von seinem Leben auf der Straße und ohne die Möglichkeit von überflüssigem Konsum erzählt hat. „Ich hab auf meine Würde verzichtet. Ich hab’ auf der Straße auch auf meine Grundrechte verzichtet“, erzählte er. Und verzichten ist das Gegenteil von konsumieren. „Ich hab hochgeguckt und ich hab das Licht der Straßenlaterne gesehen. Und ich hatte irgendwie sofort eine Verbindung dazu. Denn das war über zehn Jahre hinweg das einzige Licht, was ich konsumieren konnte.“

Als er endlich die Straße verlassen hatte, stand er in seiner eigenen Wohnung und stellte fest, dass er wohnen verlernt hatte. Die Fragen, nach denen er sein Leben wieder aufgebaut hat, sind gute Leitfäden dafür, wie wir alle mit unserem Konsumdenken umgehen können: „Was brauche ich?“, „Was hat einen Wert für mich?“ und „Was gönne ich mir?“. Für seinen Beitrag bekam Dominik eine Standing Ovation.

Eine Einkaufswagenskulptur in der Tonhalle.

Von akademischer Seite sprach unter anderem Wirtschaftswissenschaftler und Postwachstumsforscher Nico Peach von der Universität Siegen. In seinem relativ theoretischen Beitrag veranschaulichte er, wie eine konsum- und kontinuierlich wachstumsorientierte Gesellschaft letztendlich zum Kollaps verurteilt ist. „Wer den Kapitalismus abschaffen will, muss vorher die Konsumgesellschaft bändigen“, erklärt er in seinem Vortrag. Eine Möglichkeit, das zu tun, ist mit Suffizienz – einem Begriff, der in vielen Talks und später auch bei den Infoständen immer wieder aufkam. Suffizienz ist eine Strategie des „Genugs“ und es geht hauptsächlich darum, sich aktiv zu fragen: Was brauche ich wirklich? Und, vor allem in Hinblick auf das Konzept einer Kreislaufwirtschaft: Was muss ich nicht neu kaufen, sondern kann es gebraucht bekommen oder mir vielleicht ausleihen?

Ein Stand von Circular Futures hat genau dieses Konzept später visualisiert.

Das TEDx-Festival

Nach diesem Hauptblock, mit einer Vielzahl von weiteren spannenden Talks und einer musikalischen Pause durch das Nils Kugelmann Jazz Trio, ging das TEDx-Festival in der Tonhalle nebenan weiter. Dort wurde es dann persönlicher und interaktiver: Etwa mit verschiedenen Ständen zu Themen, die in den Vorträgen vorgekommen sind, einer Ask-Me-Anything Stage, auf der ein paar Gäste nochmal zu Publikumsgesprächen vorbeigekommen sind, und einer Podcast-Stage für ausführlichere Gespräche über Konsum. Essen wurde von der Community Kitchen bereitgestellt und in kleinen Workshops konnte man unter anderem alte Pampers-Plastikpackungen zu kleinen Geldbörsen bügeln, Siebdruck ausprobieren, und einem Gespräch aus dem Jahr 2073 lauschen. An dem spannenden Stand von urgewald wurde man zum Beispiel über Geldflüsse und grüne Investitionen aufgeklärt und konnte gleichzeitig etwas über ihre Doku erfahren.

Infografiken vo Circula Futures zum Thema Suffizienz und Kreislaufwirtschaft.

Einer der auffälligsten Workshops war ein riesiger Selbsttest, der wie ein Teppich auf dem Boden in der Mitte der Halle ausgerollt worden war. Er stellte die „Gemeinwohl-Matrix dar, ein Evaluationsverfahren, das Gemeinwohl Ökonomie hauptsächlich für Unternehmen entwickelt hat. Die Idee dabei ist, einen Überblick über die Werte von Unternehmen in den Bereichen Menschenwürde, Solidarität/Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit und Transparenz/Mitentscheidung zu schaffen sowie gleichzeitig aufzuzeigen, wo noch Verbesserungen nötig sind.

Auf der TEDx-Konferenz gab es also viele gute Beiträge zu unserem gegenwärtigen Konsumdenken, wie sich unser jetziger Konsum auf die Zukunft auswirken kann und was wir ändern können. Manchmal scheint die Ausgangslage deprimierend, darum hat Eckart von Hirschhausen in seinem Vortrag auch den folgenden Schlussgedanken gefasst: „Es ist schwer, die Welt ehrenamtlich zu retten, solange andere sie hauptberuflich zerstören. Das Wichtigste, was ein Einzelner heute tun kann, ist nicht alleine zu bleiben, sich zu vernetzen und sich schlaumachen und den Mund aufmachen.“

Auf der Webseite von TEDxYouth@München gibt es bald Mitschnitte aller Talks und Gesprächsformate online: https://www.tedxyouth-muenchen.com/.

Im Thumbnail zu sehen: TikTok-Comedian Jordan Prince.

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