Eine Kolumne über die Achterbahnfahrt der Kulturen, Erfahrungen und Lernprozesse meiner letzten 5 Lebensjahre. Komm mit zu den unterschiedlichen Stationen meiner beruflichen und persönlichen Reise durch die ganze Welt – neben meinem Online-Studium.
Text und Bilder: Leonie Stoll
Prägende Tage zwischen Faultieren und Regenschauern – wie ich zur Dolmetischerin und Rehntierpatin wurde
Meine Zeit in Mittelamerika war voller spannender Selbstexperimente: Wie geht ein Mensch, der eigentlich nur bei Sonnenschein und wolkenlosem Himmel richtig funktioniert, mit der tropischen Regenzeit und Dauer-Nässe ab 17 Uhr nachmittags um? Wie hilfreich kann ich bei der Pflege und Betreuung von hilfsbedürftigen Tieren sein, wenn ich komplett ohne Haustiere aufgewachsen bin? Und wie verträgt mein Körper das Ganze bei dreimal täglich Bohnen und Reis?
Meine Zeit in Costa Rica trat ich nicht, wie noch in der USA, betreut von persönlichen Kontakten an, sondern ich buchte meinen Trip über eine Freiwilligenorganisation online. Bezüglich Versicherung, Wohnung und Verpflegung hatte ich nun also gar keinen Aufwand mehr, dafür jedoch immense Kosten. Leider kann also jeder potenzielle Freiwillige hiermit schon mal vorgewarnt sein, dass vor einer Freiwilligenarbeit außerhalb der Heimat gespart werden muss.
Das ,,pura vida“ mit 10 Freiwilligen aus 6 Nationen
Das Haus, in dem ich schlief, aß und meine Freizeit während der zehn Regenstunden am Tag verbrachte, gehörte voll und ganz zu meiner freiwilligen Organisation und beherbergte dementsprechend neben mir viele weitere Voluntarios. Abends das Haus zu verlassen, wurde uns aufgrund der Kriminalitätsrate übrigens nicht empfohlen. Das war aber nicht schlimm, denn egal, ob aus China, Kanada oder Frankreich – meine Mitbewohner*innen bildeten einen so spannenden Kulturmix, dass wir auch als Fremde bei jeder Mahlzeit und jedem Spaziergang interessante Gespräche über unsere Heimatorte führen konnten. Wusstet ihr zum Beispiel, dass in Frankreich Freiwilligenarbeit am häufigsten von Rentner*innen bestritten wird?
Ausbüxende Affen, magersüchtige Leguane und neugierige Touristen
Täglich unterstützen wir sechs Stunden die Mitarbeiter*innen in einem öffentlichen Tierheim. Die Freiwilligenarbeiten erstreckten sich von Tierfutter zubereiten über Käfige putzen bis hin zum Leiten der Führungen durch die Anlage für die zahlreichen internationalen Tourist*innen (hier konnte ich meine Spanisch-Kenntnisse praktischerweise gut anwenden). Ich bin immer noch beeindruckt von der Stimmung im Refugio, denn die Leidenschaft für den Beruf und die Zuneigung zu den Tieren war tatsächlich bei allen Angestellten stets zu spüren.
Auch wenn den Voluntarios vielleicht das medizinische Know-how fehlte, Unterstützung und Zuneigung für die Tiere wurde an allen Ecken gebraucht. Und die Kombination von körperlicher Arbeit mit und für Tiere sowie das abendliche, meditative Schreiben und Lernen mit Regenfällen als Hintergrundmusik nahm ich als einen sehr erfüllenden Alltag war. Selbst wenn mir das Rentier Chispas einmal ausbüxte oder Leguan Samuel einfach nicht essen wollte, weil keine Papaya auf seinem Teller lag.
Dahin, wo die Sonne aufgeht
Nun wird man von freiwilliger Arbeit leider auch nicht reich, also beschloss ich nach einigen Wochen, die sich wie Tage anfühlten, zu meinem alten Betrieb zurückzukehren – welcher mir direkt eine Stelle an einem neuen Standort in der Türkei anbot, wieder in der Kinderanimation und dieses Mal als Koordinatorin des ganzen Bereichs. Also buchte ich meinem nächsten Flug, jedoch nicht, ohne davor offiziell zur Tierpatin des querschnittsgelähmten Faultiers Mali zu werden.
Übrigens, für alle, die sich selbst für eine Teilnahme an einem solchen Projekt interessieren: die Organisation Volunteer World im Allgemeinen und meine Projektkoordinatorin in Costa Rica im Speziellen bieten immer noch viele Angebote für Interessierte rund um Tierpflege und -rettung, Ozean-Säuberung und Co an.