Über die letzte Etappe meiner Reise und darüber, wie ich den Weg zurück zu meinen Wurzeln fand…
Text und Bild: © Leonie Stoll
Ein weiteres Quartal ging vorbei und schon wieder stand ich vor folgenden Fragen: Wo soll’s denn nun als Nächstes hingehen? Was machst du aus den kommenden Monaten? Wie wird dein Alltag die nächste Zeit aussehen? Das Planen, das Ausprobieren – das Horizont-Erweitern – der vergangenen Jahre bereute ich zwar keineswegs, jedoch spürte ich nun langsam aber sicher, dass meine Lust nach Tapetenwechseln und fremden Kulturen allmählich gestillt war. Nach der Sicherheit des Altbekannten suchend bewarb mich bei einigen bekannten Betrieben in meiner Heimat München. Ich wollte der Branche treu bleiben und eine Ausbildung im Hotel- und Gastgewerbe beginnen.
Innere Wärme trotz Kälteschock
Angekommen in den Breitengraden meiner Kindheit musste sich mein Biorhythmus natürlich erst an mangelnde Licht- sowie Sonnenzufuhr und ein Vitamin D-Defizit anpassen. Und ich mich wieder an die deutsche Spießigkeit, das Extra-genau-sein und die wertenden Blicke gewöhnen. Natürlich ist das Einleben in eine komplett unbekannte Kultur aber nochmal komplexer gewesen als dieses Wiederreinfinden in die Normen und Verhaltensweisen meiner Heimatstadt. Dementsprechend lebte ich, wenn auch der heimischen Kultur gegenüber kritischer eingestellt als vor meinen Reisen, meinen Alltag in einer sehr ruhigen, entspannten Grundstimmung.
Alles stabil, alles unter Kontrolle
Das Interesse an Auszubildenden ist im Allgemeinen immens hoch – deshalb bekam ich schnell die Möglichkeit, in einem kleinen Gastronomie-Betrieb meine Ausbildung zu starten. Und es sollte nur einige Wochen dauern, da war ich schon wieder mittendrin im Alltagstrott: arbeiten, soziale Kontakte pflegen, den Haushalt führen – und dabei bloß nicht auffallen. Welcome back to good old Germany. Egal ob beim Sport, im Supermarkt oder beim Hobby, jeder Schritt ist abgesichert. Da ist diese vorgegebene Norm, diese unausgesprochene Zwangsjacke, der alle folgen. Pünktlich essen und schlafen, beim Altbewährten bleiben, 90% der Kontakte heterosexuell und wohlverdienend, dabei ja nicht laut und revolutionär. Nicht sehr aufregend, aber sicher. Stabil und ruhig. Angenehm, diese eine Routine für zwei ganze Jahre? Nein, das wird mir nicht leicht fallen, aber einige nicht zu ändernde Umstände würde ich wohl akzeptieren müssen.
Zukunftsgedanken und Reflexionen
Denn ich habe nur wenig Wahl. Wo sollte schließlich meine Zukunft liegen, wenn nicht in Deutschland? Ich suche sowohl wirtschaftliche Stabilität und Infrastruktur als auch eine offene, möglichst wenig in Klischees und Vorurteilen gefangene Gesellschaft. Das ist mir nach meinen bisherigen Erfahrungen nun bewusst. Ohne handfesten beruflichen Abschluss will ich das Land jedoch nicht verlassen. Dementsprechend heißt es für mich erst einmal Augen zu und durch – das Kleinspießertum akzeptieren und leben. Mit seinen Höhen und Tiefen, bis dass der Ausbildungsabschluss uns scheidet.