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Nutze die Chance, die du nicht hast

„Maybe means vielleicht?“

Die Atmosphäre der Schule ist lockerer und vertrauter als gewöhnlich, und auch sonst ist vieles anders. SchlaU-Schüler können nicht sitzenbleiben. Zwei Stockwerke im Münchner Bahnhofsviertel belegt die Schule. Einen Pausenhof gibt es nicht, wenn sie frei haben, gehen die Schüler runter auf die Schwanthalerstraße. Roland Waegner steht vor der Tafel in einem der kleinen Klassenzimmer. Im Schnitt sind 15 Schüler in einer Klasse, gerade sitzen nur fünf bei ihm im Raum. Fünfte Stunde, Englisch. Es geht um Weltsprachen. Waegner hält die Stunde komplett auf Englisch. Sonst wird an der SchlaU-Schule ausschließlich Deutsch gesprochen. „Maybe means vielleicht?“, fragt Sara. Sie ist 23 Jahre alt und kommt aus dem Iran, Deutsch kann sie besser als Englisch. Wer sich unsicher ist, fragt einfach nach; ob man sich davor meldet, ist nicht so wichtig. Waegner erklärt, fragt die Schüler nach Beispielen, veranschaulicht Futurformen anhand anhand eines Horoskops und der Wettervorhersage. Die Klasse trägt dazu bei, dass der Unterricht zum Austausch auf beiden Seiten wird.

„So reibungslos läuft das nicht immer“, sagt Waegner nach der Stunde. „Besonders der Unterricht bei Schülern, die gerade erst angefangen haben, sieht anders aus.“ Wenn Jugendliche unterschiedlichen Alters und Reife in einer Klasse zusammengewürfelt werden, nehmen nicht alle immer Rücksicht aufeinander, erklärt er. „Wer mit 16 oder 17 erst Dinge lernt, die ein Zweitklässler können sollte, der muss erst einmal eine große Hürde überwinden.“ Einige bekommen deshalb eigene Nachhilfe, zum Beispiel von Studenten.Copyright Trägerkreis Junge Flüchtlinge e.V._2

Im Widerspruch zur Asylpolitik

Die SchlaU-Schule scheint jedoch ein Rezept gefunden zu haben, wie Integration funktionieren kann. Ganz im Gegensatz zur deutschen Asylpolitik. Während besonders Bayern mit überfüllten Notunterkünften für Flüchtlinge negative Schlagzeilen macht, ist man in der Schwanthalerstraße schon weiter. „Mittlerweile sehen sich auch staatliche Schulen gezwungen, extra Flüchtlings- und Migrationsklassen zu entwickeln“, sagt Waegner. „Doch sie fangen bei null an.“ Der Ansatz kommt spät. Denn lange wollten regierende Politiker nicht wahrhaben, dass die jungen Flüchtlinge bleiben – und ihnen daher eine Basis dafür geschaffen werden sollte. Michael Stenger und seine SchlaU-Schule hat bereits zu einem frühen Zeitpunkt einen Weg gefunden, wie die Jugendlichen „ihr volles Potenzial entfalten“, so nennt Stenger das, „wenn ihnen eines der grundlegenden Rechte gewährt wird“ – das Recht auf Bildung.

Der Erfolg der Schule zeigt sich auch an den zahlreichen Preisen, mit denen die Institution ausgezeichnet wurde, wie dem Deutschen Schulpreis und zuletzt dem Bambi für Integration, und daran, wie sie bisher wuchs und weiter wächst. Am besten aber ist er ablesbar an den Lebenswegen der einzelnen Schüler und an ihrer Dankbarkeit. So wie bei Heidar und Reza, die nun an sich selbst glauben – und an eine Zukunft in Deutschland.

 

Wer an der SchlaU-Schule ein Praktikum machen oder die Schüler als Nachhilfelehrer unterstützen möchte, findet weitere Informationen unter http://www.schlau-schule.de/.

Philtrat bedankt sich bei den Mitarbeitern und Schülern der SchlaUschule für ihre Gesprächsbereitschaft und dem Trägerkreis junge Flüchtliche e.V. für die Bereitstellung von Fotos.

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