Kulturphilter

Münchens freie Kunstszene: „Tanz – oder gar nicht”

„10 Jahre HIER=JETZT: Tanz – oder gar nicht” hieß die Feier zum zehnjährigen Jubiläum der Münchner Initiative für zeitgenössischen Tanz, HIER=JETZT („hier ist jetzt”), am 6. Februar 2025. Doch die Feier des Jubiläums ist getrübt von Unsicherheit über die Zukunft der Initiative. 

Von Annika Stanitzok; Bilder: © HIER=JETZT/Mehmet Vanli

HIER=JETZT ist eine Münchner Initiative für junge Nachwuchs-Choreograf*innen und -tänzer*innen. Sie entstand vor genau zehn Jahren aus einer Notwendigkeit heraus: Es passiert nicht viel. Alle warten nur auf Unterstützung, auf Geld, …”, meint Birgitta Trommler. Es gab keinen Ort in München, an dem sich junge Choreograf*innen ausprobieren und sich mit anderen Künstler*innen vernetzen können. Das wollten die beiden Gründerinnen Birgitta Trommler und Johanna Richter ändern und so gründeten sie zusammen HIER=JETZT. Beide Gründerinnen waren bereits damals schon bekannte Choreografinnen und Tänzerinnen.

Geborene Münchnerin Birgitta Trommler hat unter anderem mit großen Namen aus der zeitgenössischen Tanzszene in USA, Lateinamerika und Europa zusammen gearbeitet und war Mitgründerin oder Leiterin zahlreicher weiterer Tanzeinrichtungen und -wettbewerbe in Deutschland. Johanna Richter, auch Absolventin der Theaterwissenschaften an der LMU, ist ebenfalls eine preisgekürte Choreografin und Tänzerin mit einem internationalen Repertoire an Stücken und unter anderem auch Lehrende an der Otto-Falckenberg Schule, der Fachakademie der Münchner Kammerspiele.  

Schaffen, fast ohne Budget 

Wir wurden nicht bezahlt, die Tänzer*innen wurden nicht bezahlt. Aber was großartig war: Alle wollten trotzdem helfen.” Ohne Budget begann die Initiative mit Weinverkäufen, um die Technik finanzieren zu können. Mit weiterer Hilfe von Spender*innen und die Unterstützung von anderen Tanzeinrichtungen in München, wie dem Tanztendenz e.V. und der Iwanson International School of Contemporary Dance, wuchs daraus HIER=JETZT. Es entstanden jährliche Workshops mit anschließenden Aufführungen im Münchner Spiel- und Vernetzungsort schwere reiter, bei denen junge Künstler*innen ihre Ideen frei ausprobieren können, ohne ein Richtig-oder-Falsch, einfach um zu sehen, was möglich ist. Durch die Norbert-Janssen Stiftung wurde später auch ein Publikumspreis eingeführt, der seit 2022 durch eine private Spenderin mit einem zusätzlichen Arbeitsstipendium ergänzt wird. 

HIER=JETZT bietet außerdem eine Plattform, über die Choreografien zugänglich gemacht werden, professionelle Fotoshootings, die sehr wichtig für die Arbeitsportfolios von jungen Künstler*innen sein können, und ein Netzwerk von Choregraf*innen und Tänzer*innen, die immer bereit sind weiterzuhelfen. Dabei existiert die Initiative hauptsächlich durch die Motivation und Liebe zum Tanz der beiden Gründerinnen. Über die letzten zehn Jahre ist HIER=Jetzt ein Kernstück der freien Münchner Kunstszene im zeitgenössischen Tanz geworden. 

Und darin liegt auch das Problem: HIER=JETZT hat inzwischen so viele Bewerber*innen, dass die Initiative entscheiden muss, wen sie unterstützt. Gleichzeitig werden aber die Raummieten teurer und die Stadt München plant zusätzlich, das Budget für die freie Kunstszene erheblich zu kürzen. Das bedeutet für die Initiative, dass die Räume bald wegfallen könnten. Ob es HIER=JETZT in Zukunft überhaupt noch geben kann, steht hier also auf der Kippe und gab der Feier eines erfolgreichen zehnjährigen Bestehens einen bittersüßen Beigeschmack.

Ein Spielplatz für Künstler*innen

Bei dem zehnjährigen Jubiläum sprachen auch einige Künstler*innen, die durch die Initiative den Sprung in die choreografische Karriere geschafft haben. Das erste Künstlerduo, welches sich vorgestellt hat, war Nada, bestehend aus Jin Lee und Jihun Choi. Die Plattform hat es ihnen ermöglicht, mit einem schweizerischen Komponisten zusammenzuarbeiten, den sie sehr bewundern. Wir als junge Künstler*innen brauchen viele Informationen und HIER=JETZT war da, um uns alles zu geben, was wir brauchen”, sagt Jin Lee. Jihun Choi schließt sich an und erklärt, dass es auch vor allem für zugezogene Kunstschaffende eine große Chance sein kann. Es ist für mich wie ein Spielplatz für junge Künstler*innen: Wir können Dinge ausprobieren, wir können mit Requisiten spielen, für unseren Tanz und für die künstlerische Idee dahinter.” Der Workshop ist ein Spielplatz, auf dem man vor allem auch nicht den Druck hat, dass es am Ende perfekt sein muss.

Chris Pascal Englund, Gewinner des Publikumspreises 2024, ist schon seit 2018 bei HIER=JETZT dabei, noch bevor es irgendwelche Preise oder Stipendien gab. Es ging nur um das Teilen von Ideen und jetzt ist es noch größer geworden. Aber es kommt von dem selben Aspekt: etwas teilen zu wollen.” 

Was alle Künstler*innen betonen, ist dass HIER=JETZT ihnen beim Anfangen unglaublich geholfen hat, ob durch das Netzwerk und die moralische Unterstützung, die technischen Möglichkeiten, oder die Erfahrung und das Wissen, was ihnen weitergegeben wurde. 

Mit Blick in die Zukunft

Durch die Gespräche mit den Choreograf*innen und Tänzer*innen der Initiative wurde deutlich klar, wie viel HIER=JETZT geleistet hat; und wie viel verloren gehen würde, wenn sie aus finanziellen Gründen ihre Initiative einschränken oder sogar aufgeben müssten. Aus der anschließenden Diskussion zu Zukunftsperspektiven ist hervorgegangen, dass das Wichtigste vermutlich ist, unabhängige Förder*innen zu finden. Ansonsten wird es für die Initiative schwierig durchzuhalten und den künstlerischen Nachwuchs in München weiter zu unterstützen. Denn eines ist klar: Sie würden auf jeden Fall gerne weitermachen. 

Disclaimer: 

Die Veranstaltung war auf Englisch. Alle direkten Zitate in dem Artikel wurden von der Autorin in Deutsche übersetzt.

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