Rezension

„Lichtspiel“ – Alles geht vorbei, aber die Kunst, die bleibt.

Das Werk des Regisseurs G.W. Pabst ist umstritten – zu Zeiten der Weimarer Republik wurde er „Der Rote Pabst“ genannt, während der NS-Zeit drehte er Filme für die Nazis. Christian Stückl bringt mit „Lichtspiel“ eine beeindruckende Inszenierung, die Fragen über Kunst, Anpassung und Schuld in G.W. Pabsts‘ Werk und Leben aufwirft, auf die Bühne.

Von Anna Weber; Bilder: © Arno Declair

Erzählt wird die Geschichte des österreichischen Filmregisseurs Georg Wilhelm Pabst (1885–1967), gespielt von Silas Breiding. Seine größten Erfolge feierte Pabst während der Weimarer Republik mit Filmen wie „Die freudlose Gasse“ (1925) und „Die Büchse der Pandora“ (1929). Während der NS-Zeit kehrte er nach einem erfolglosen Versuch in Hollywood Fuß zu fassen, zurück nach Deutschland und drehte dort linientreue Spielfilme. Buch und Theaterstück vermischen dabei beide fiktionale und faktuale Elemente seines Lebens. Mit „Lichtspiel“ bringt Regisseur Christian Stückl erstmals Daniel Kehlmanns gleichnamigen Roman (2023) auf die Theaterbühne im Münchner Volkstheater.

Filmschnitt und Theater

Wie ein Ufo scheint die riesige Lampe, die über dem Bühnenbild hängt, zu schweben. Sie taucht die Bühne mal in weißes, mal in gelbes, in violettes oder in rotes Licht und beeinflusst dabei nicht nur die entstehende Stimmung eindrucksvoll, sondern markiert auch die Szenenwechsel des Stücks: das ist notwendig, denn das Bühnenbild bleibt durchgehend dasselbe, der Vorhang schließt sich kein einziges Mal – nicht einmal zur Pause.

Was dadurch entsteht, ist ein stetiger Fluss an Handlung, eine Szene geht nahtlos in die nächste über. Dies entspricht auch dem für Pabsts Filme so charakteristischen Schnitt. Sein Credo dazu lautete, wie er es im Stück immer wieder betont: „Jede Einstellung muss mit der nachfolgenden verbunden sein.“ Etwas Filmisches bekommt das Stück dadurch dennoch nicht, es wirkt vielmehr rastlos.

Insgesamt ist die Stimmung – dem Thema entsprechend – eine düstere. Zahllose Filmrollen liegen in Türmen unterschiedlicher Größe aufgestapelt herum. Die Schauspieler*innen stolpern darüber, werfen sie herum, das Chaos nimmt im Verlauf der Inszenierung zu. Dazwischen stehen Schreibtische und Stühle, in der Mitte eine überdimensional große Filmkamera, die Farben Schwarz und Weiß dominieren. Der hintere Bühnenbereich ist durch eine transparente Wand mit Türrahmen vom vorderen abgetrennt. Die ohnehin schon große Bühne erhält so noch mehr Tiefe, die Filmausschnitte – größtenteils in Schwarz-Weiß, die fast durchgehend auf der Bühnenrückwand gezeigt werden, sind beklemmend. Zu sehen sind dort auch Szenen aus Leni Riefenstahls „Tiefland“ (1940), dessen Statist*innen aus einem NS-Zwangslager für Sinti und Roma zwangsrekrutiert wurden.

Goebbels Schattenspiel

Als der Reichspropaganda- und Kulturminister Joseph Goebbels, der im Stück nur „der Minister“ genannt wird Pabst zum Gespräch auffordert, stoppen die Filmausschnitte im Hintergrund. In rotes Licht getränkt, bleibt Goebbels zunächst hinter der transparenten Wand, vom Publikum abgewandt stehen. Sein Gesicht sieht man nicht, einziger Orientierungspunkt ist seine riesenhafte Silhouette, die sich gleich einem Schattenspiel bewegt und so seinem gesprochenen Text Ausdruck verleiht. Umso stärker ist der Bruch dieses diabolisch anmutenden Auftritts, als „der Minister“ irgendwann zu Pabst nach vorne tritt. Er spricht mit ihm in freundschaftlichem Tonfall, humorvoll, etwas tollpatschig. Das Publikum lacht und im nächsten Moment bleibt ihm das Lachen im Hals stecken, zum Beispiel wenn Goebbels auf Pabsts zögerliches Verhalten schulterzuckend mit der Drohung antwortet: „KZ, jederzeit, kein Problem!“

Nils Karsten © Arno Declair

Wer Kehlmanns Roman bereits kennt, dem wird auffallen, wie eng sich die Inszenierung an der Buchvorlage orientiert, Textausschnitte werden zum Teil wortwörtlich zitiert, die Chronologie der Handlung entspricht dem Roman. Einzig die Figur Rosenzweig, dem Urenkel eines ehemaligen KZ-Häftlings, gespielt von Jawad Rajpoot, wurde von Regisseur Stückl ergänzt. Dieser beobachtet das Geschehen auf der Bühne, gibt Hintergrundinformationen oder stellt moralische Fragen in den Raum und bewertet Pabsts Verhalten aus einer kritischen, modernen Perspektive. Leider wirkt das jedoch mitunter forciert, die Fragen repetitiv und unterkomplex. Die Zuschauenden werden Zeuge davon, wie Pabst sich immer tiefer mit dem NS-Regime verstrickt – und das nicht unbedingt unfreiwillig. Schließlich lässt er selbst beispielsweise immer wieder verlauten: „Wichtig ist, Kunst zu machen unter den Umständen, die man vorfindet. All das geht vorbei, aber die Kunst, die bleibt.“ Spätestens als Pabst für die Dreharbeiten am Film „Der Fall Molander“, der bis heute als verschollen gilt, etwa 700 KZ-Häftlinge als Statisten ans Set holen lässt, bekommen diese Sätze einen zutiefst bitteren Beigeschmack. Am Ende stellt Rosenzweig die Frage: „War Pabst ein Nazi?“

Ob es eine Antwort auf diese Frage gibt, soll nicht verraten werden, doch so viel sei gesagt: Die dreistündige Inszenierung von „Lichtspiel“ stimmt nachdenklich, ist intensiv und wirkt lange nach.

 

Weitere Aufführungen von „Lichtspiel“ finden am 2. und 3. Februar, am 9. und 14. März, sowie am 9. April im Münchner Volkstheater statt. Je nach Sitzreihe und Ermäßigung 15-39 EUR. Mit dem Abo „Jung ganz vorn!“ können Schüler*innen, Studierende und Auszubildende unter 30 Jahren für nur 15 EUR drei Vorstellungen ihrer Wahl besuchen. Weitere Informationen zum Stück gibt es hier.

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1 Kommentar

  1. Christine Pietsch sagt:

    Spannende und eindrucksvolle Beschreibung! Spiegelt die Stimmung bestimmt sehr gut wieder. Animiert auf alle Fälle zum Besuch des Lichtspiels!

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