Mit ihrer Debütsingle möchte die Freisinger Musikproduzentin und Sängerin ihren Zuhörer*innen ein Licht in die Dunkelheit werfen. Auch neben ihrem Studium der Musikwissenschaft ist Laras Leidenschaft für das Musikalische tief zu spüren – wir reden über ihren ersten Indie-Pop-Track, nationale Unterschiede in der Musikszene und deutsche Sprichwörter.
Das Gespräch führte Christopher Bertusch; Bilder: © Matthias Wunderl/Lara Tahm
Was versteckt sich hinter deinem Künstlernamen Lara Tahm?
Lara Tahm: „Tamm“ ist ein typisch estnischer Nachname, das H habe ich selbst hinzugefügt und den Namen damit etwas „verdeutscht“. Ich bin sehr eng mit der estnischen Kultur und Musikszene verbunden. Während meinem Freiwilligendienst in Tallinn habe ich mir einen Traum erfüllt: Neben meiner Arbeit im Jugendzentrum habe ich viel im Chor gesungen, Gesangsunterricht genommen und mit örtlichen Musiker*innen geredet. Ich habe sie ausgefragt: Wie macht ihr das mit der Musik, weil ich möchte selbst auch Musik machen! Die Leute dort sind sehr nahbar, gefühlt macht jeder Musik und du kannst auch jeden ansprechen. Das war unglaublich erfrischend.
Ein Kollege hat mir damals erzählt, dass „Tahm“ Ruß bedeutet. Das fand ich sehr passend für meine Künstlerfigur, die etwas mysteriöser und dunkler daherkommt.
Du scheinst generell eine starke Verbindung zu den eher nordischen Ländern aufzuweisen, unter anderem in deiner Debütsingle „Shine“…
Genau, die Single habe ich in Helsinki geschrieben und auch da habe ich ein Auslandsjahr [Erasmus] gemacht. Ich habe an der Universität Helsinki Musikwissenschaft und Finnisch studiert. Die haben dort ein gutes Musikstudio, deswegen bin ich auch dahingegangen. Ich wollte nämlich lernen, wie es funktioniert, im Musikstudio zu arbeiten. Meine Affinität zu Estland ist zuerst im Studium entstanden, denn im Nebenfach SLK [Sprache, Literatur, Kultur] hatte ich Estnisch gelernt und dann als Schnapsidee noch Finnisch dazu genommen. Meine Lehrerin hatte mich dazu ermutigt, einen dreiwöchigen Sprachkurs in Finnland zu machen. Danach wusste ich schon ein bisschen, wie es ist, im Norden zu leben und dort den Winter zu überstehen – daher wollte ich dann unbedingt nach Helsinki.
„Shine“ habe ich während meinen dunkelsten Wintertagen geschrieben. Die Single ist Anfang Januar entstanden, während alle meine Freunde aus dem ersten Semester nach Hause gegangen sind. Ich habe mich sehr einsam gefühlt und gefragt, was mache ich jetzt dagegen? Der Song hat mir geholfen und gezeigt, dass man auch aus den dunkelsten Gefühlen heraus etwas tun kann, damit es einem besser geht. Dass es immer noch einen Leuchtturm gibt, auch wenn es einmal kurz dunkel ist. Dieser Leuchtturm soll auch den Hörer*innen den Weg zeigen.
Wie würdest du deinen musikalischen Weg bis dahin beschreiben?
Für mich war es ein sehr langer, aber auch wichtiger Prozess. Ich brauchte sechs Jahre, um dazustehen, wo ich heute stehe und Musik zu veröffentlichen. Auch um Musikproduktion zu lernen, weil ich das nicht an der Uni lerne, sondern mir alles selbst beigebracht habe. In Helsinki habe ich meinen Musikproduktion-Lehrer Lauri Mäntynen gefunden. Er ist Finne, lebt in Berlin und hat schon mit vielen bekannten, finnischen und estnischen Künstler*innen zusammengearbeitet. Durch ihn haben sich meine Lieder so unglaublich verbessert.
Du singst auf Englisch. Hast du je über Deutsch, Finnisch oder Estnisch nachgedacht?
Ich habe lange überlegt, in welcher Sprache ich Musik machen möchte. Englisch war die Sprache, mit der ich mich am wohlsten fühlte. Auf einem Songwriting Camp habe ich letztens einen Song auf Estnisch geschrieben und es gab ein paar Zeilen, bei denen mich die anwesenden estnischen Musiker*innen gefragt haben: Lara, was meinst du damit? Wir haben ja zum Beispiel im Deutschen die Wendung „Der Weg ist steinig“ und so etwas habe ich auch auf Estnisch geschrieben. Das haben die anderen aber nicht verstanden.
Wenn ich den richtigen Partner finde, kann ich mir auch vorstellen, mehr auf Estnisch zu schreiben. Generell hat mir das Camp gezeigt, wie toll es ist, mit anderen Menschen Musik zu machen.
Mittlerweile bist du wieder in Deutschland. Wie würdest du die estnische, finnische und deutsche Musikszene miteinander vergleichen?
Ich war viel in Berlin und München und hier ist der Trend, auf Deutsch Musik zu machen. Ich kenne aber auch viele Künstler*innen, die Deutsch und Englisch mischen. Die Musikszene in München fühlt sich eher klein an, die Szene in Estland wächst und wächst in den letzten Jahren. Die Jazzszene hat sich zum Beispiel vergrößert, es gibt immer mehr Konzerte und auch Hip-Hop wird durch den Soundcloud-Rap beliebter. Die Indie-Musik war jahrelang primär das, was man in Estland gehört hat, und sie ist heute noch sehr groß.
Die Metal- und Rock-Szene sind in Finnland natürlich sehr beliebt. Das Rockfestival Ruisrock ist das beliebteste Festival im Land. Eine Managerin hat mir erzählt, dass in Finnland auch Indie-Musik in den letzten zehn Jahren größer wird.
Gibt es Dinge, die dir in der Musikindustrie generell sauer aufstoßen?
Es wird schwieriger als Musiker*in Geld zu verdienen. Seit Corona wird auch die Logistik teurer und sogar große Künstler*innen sagen ihre Deutschlandtouren ab, weil sie einfach zu teuer sind oder das Personal fehlt. Früher hieß es immer, man muss auf Tour gehen, um Geld zu verdienen. In London gibt es zum Beispiel sogar schon Orte, bei denen man selbst zahlen muss, um aufzutreten. Dabei sollte es doch eigentlich andersrum sein.
Auf Spotify muss man erst eintausend Streams haben, bis man Geld bekommt. Man merkt auch, wie sehr man sich an den Algorithmus anpasst. Deswegen mache ich auch Covers auf Instagram oder TikTok, die erreichen einfach mehr Leute. Man fühlt hier einen gewissen Disconnect: Irgendwie macht man mehr Musik für den Algorithmus als für die Menschen. Deswegen ist es aber letztendlich so wichtig, dass man Musik macht, von der man überzeugt ist und die einem selbst gefällt.
Du warst vor einigen Wochen auf der Female Producer Collective Convention. Wie nimmst du deine Rolle als FLINTA*-Künstlerin in der Musikszene wahr?
Ich bin sehr dankbar, dass es in den letzten Jahren viele Initiativen für FLINTA-Künstler*innen gibt. In Deutschland zum Beispiel auch Keychange, Female Pressure, oder Music by Women Germany. Weil ich ansonsten wahrscheinlich keine Musik produzieren würde. Vor sechs Jahren hat alles angefangen, als ich in Berlin auf der Beats by Girls bei einem Ableton-Beginnerkurs war. Für mich sind diese Räume, in denen sich Frauen untereinander austauschen können, sehr wichtig. Ich merke, dass es mir hier leichter fällt, über meine Arbeit zu reden und zu sagen, dass ich Musik mache. Sie sind auch super, um sich Tipps über die Branche und Szene zu holen.
Was versteckt sich in Lara Tahms Zukunft?
Meine nächste Single heißt „Moon“ und sie kommt wahrscheinlich im Januar raus. Ich habe sie in Zusammenarbeit mit dem estnischen Rapper Taavi Sink geschrieben. Es ist der Gegenpol zu „Shine“. Denn es ist ein melancholisches Liebeslied, es geht um die Fürsorge zu einem Partner. Für mich ist es ein sehr tiefgründiges Lied und eines der besten, das ich bislang produziert habe.
Zu sehen ist Lara Tahm am 19.11 beim MILLA SONG SLAM. M94.5 präsentiert hier die neusten Acts der Stadt aus allen Genres. Mehr Informationen und Tickets gibt es hier: https://t.rausgegangen.de/tickets/milla-song-slam-18.