Interview Kulturphilter Online

Kunst machen oder Gemüse

Hast Du einen Ratschlag an Theaterneulinge? Ich glaube, viele fühlen sich überfordert und werden dadurch davon abgeschreckt, wiederzukommen.

Im Theater kann man lernen, sich hinzugeben. Den Geschichten, den Menschen, den Erzählern, den Werken. Es sind Momentaufnahmen, die genau und nur so im Jetzt passieren. Es wird sich nicht mehr wiederholen. Diese Endgültigkeit kann beängstigend für die Zuschauer sein, bis sie darin auch eine Befreiung finden. Aber selbstredend kann man sich auch gegen das Theater entscheiden. Das überlasse ich jedem Menschen.

Kann man, auch wenn man überhaupt nichts über Theater weiß, Theater trotzdem verstehen?

Foto: Matthias Horn/ Residenztheater

Natürlich! Wenn wir in Madagaskar vor einem umgedrehten Brotbaum einen Sonnenuntergang sehen würden, ist doch egal, ob du weißt, was das ist oder nicht, uns würde doch trotzdem die Kinnlade runterklappen, wir würden denken: „Keine Ahnung, was das ist, aber: Hammer!“ Und wenn ich rauskomme, hab ich auch noch Malaria. Spitze, also irgendwas ist auch noch infizierend. Und so müsste Theater eigentlich auch sein!

Film, Fernsehen, Kino – wie ist da Deine Einstellung?

Fernsehen ist natürlich klasse. Das erzählt mit so einer Einfachheit und Direktheit ungefiltert Geschichten. Das ist in seiner bunten Vielfalt als Fläche irgendwie eine riesige Installation im Jetzt. Ich bin einmal im Hotel aufgewacht, da habe ich den Fernseher angemacht, um nicht allein zu sein und damit der Teppich nicht ganz so dreckig ausschaut und dann stürzt ein Giraffenbaby aus seiner Mutter raus. Ich hab’ grad’ die Augen aufgemacht und da fällt ein glibschiges Etwas drei Meter in Zeitlupe in den Steppenstaub! Das ist echt ein Erlebnis! (Lacht.) Und das siehst du nicht im Zoo und auch nicht aufgemalt irgendwo, du musst ins Museum gehen, um so eine Kräftigkeit an Bildern zu haben. Aber im Fernsehen hast du daneben auch ganz leicht erzähltes Liebes-Blabla, Nachrichten und so weiter. Alles zusammen ergibt ein Welt-Bild. Das ganze Ding ist wie ein Fußabdruck, der gleichzeitig auch verweht. Und selbstverständlich bildet sich dieser Fußabdruck nur so, wie Fernseh-Macher wollen, dass Fernsehen ist.

Und in Bezug auf Deine Arbeitsweise als Schauspielerin?

Fernsehen zu machen ist eine ganz andere Art zu spielen, viel schmaler, die Kamera ist dichter dran. Für Kino kannst du dir ganz andere Bilder leisten und langsamere Bilder machen. Es macht Spaß. Ich finde es auch aberwitzig cool, manche Geschichten im Film zu erzählen. In letzter Zeit beobachte ich, wie Fernsehen sich selber sieht, zum Beispiel bei Preisverleihungen: Auf der einen Seite verleihen sie einen Preis und gleichzeitig werden stumpfe, abwertende Witze über das Fernsehen gemacht. Warum entschuldigt sich eine Gesellschaft für etwas, das doch klasse ist und einen Kollektivgeist anspricht, wie etwa sonntagabends der Tatort?

Siehst Du in der Zusammenarbeit zwischen Residenztheater und Kammerspielen auch die kreative Befruchtung, wie sie in den Medien gerade beschworen wird?

Ja, und ich find’ das sehr gut. Wenn das Der-Andere-Macht-Das-Anders-Gequäke losgeht, da fang ich echt an zu gähnen. Dass Intendanten wie Johan Simons und Martin Kušej gesagt haben: „Lass uns produktiv arbeiten, du bei mir und ich bei dir“, ist toll. Wir brauchen endlich einen Zebrastreifen auf der Maximilianstraße und nur für Schauspielerinnen und Schauspieler! (Lacht.) Der ART-Zebrastreifen, wo wir dann alle immer rüber gehen können, damit wir sicher sind, weil wir eh immer betrunken sind. Also brauchen wir einen extra Zebrastreifen, damit wir auch gut versichert bleiben, auch wenn wir bei den anderen spionieren. (Lacht.) Nein, es ist ein Geschenk!

Das Interview führte Christiane Meiser.

Philtrat dankt Frau Beglau herzlich für das Gespräch und dem Residenztheater für die Bereitstellung von Fotos.

Für dich vielleicht ebenfalls interessant...