In der modernen Filmbranche gibt es kaum ein ikonischeres Duo als die Coen-Brüder. Auch solo wagen die beiden ab und an einen Streifen. Etwa jetzt der jüngere, Ethan Coen, mit seiner Tragikomödie „Honey Don’t!“. Aber kommt der an das gemeinsame Werk der Brüder heran?
von Pavel Fridrikhs; Bilder © Universal Pictures
Der mysteriöse Tod einer jungen Frau, ein am Drogenhandel beteiligter Sektenführer und zwei junge Frauen mit gestörten Beziehungen zu ihren Vätern. Allein schon die Kurzfassung von Ethan Coens neuem Film ist handlungstechnisch ein wilder Ritt. Im Zentrum steht die Privatdetektivin Honey, gespielt von Margaret Qualley, die sich eine bescheidene Existenz im kalifornischen Bakersfield erarbeitet hat. Honey ist umgeben von einer Ansammlung illustrer, exzentrischer Gestalten. Keine Überraschung, dass „Honey Don’t!“ eine entsprechend überspitzte Geschichte erzählt.
Neo-Noir im Tageslicht
In seinem Kern ist der Film allerdings nicht nur eine Tragikomödie, sondern hat auch viele Elemente eines Krimis an sich. Der Autounfall, dessen Nachspiel der Film in seiner allerersten Szene zeigt, legt den Grundstein für Honeys Ermittlungen und wird immer wieder aufgegriffen. Gleichzeitig führt Ethan Coen, der sowohl Regie geführt als auch gemeinsam mit seiner Ehefrau Tricia Cooke das Drehbuch geschrieben hat, gleich mehrere krimiartige Nebenhandlungen ein. Darunter sind die intensive Beziehung zwischen Honey und ihrer Polizeikollegin MG Falcone (Aubrey Plaza), die Machenschaften des Drogensyndikats von Pfarrer Drew Devlin (Chris Evans) und die Suche nach Honeys entlaufener Nichte Corinne (Talia Ryder). Ein Mischmasch, der sowohl unterhält als auch zahlreiche unbeantwortete Fragen hinterlässt.

Die 90 Minuten, die der Film dauert, vergehen wie im Flug. Es geschieht immer etwas, einer der vielen charismatischen Charaktere trägt „Honey Don’t!“ stets weiter nach vorne. Dazu steuert auch Devlin mit seinen manipulativen Sexaffären bei, die der Streifen mit seiner unbeholfenen Art kontrastiert, seine Lakaien herumzukommandieren. Chris Evans schlüpft hier mal wieder in die Rolle eines ruchlosen Egoisten und als Zuschauer*in merkt man ihm diesen Genuss deutlich an. Wenig überraschend, kreuzen sich seine Wege dabei auch mit Honeys, als sie ihn zum Autounfall befragt. Anders als in einem herkömmlichen Neo-Noir lässt diese Begegnung aber nur wenig Spannung aufkommen. Ihre Interaktion ist kurz und transparent. Zu Devlins Schicksal am Ende des Films hat Honey weder dazu beigetragen noch interessiert sie sich dafür. „Honey Don’t!“ will kein kohärentes Narrativ knüpfen, sondern ein Spektakel präsentieren.
Resolute Sinnlichkeit
Auf visueller und auditiver Ebene gelingt das dem Film trotz seiner kleinräumigen Handlung meistens ganz gut. Zwischen dem blauen Himmel Kaliforniens und seinen gelben Wüsten gibt es viel zu bestaunen. Das bewusst hyperstilisierte Filmplakat im Retro-Look ist da keine Mogelpackung, sondern ein vertrauenswürdiger Vorbote für die knalligen Farben und dynamischen Perspektiven. Entsprechend ist Rock an der Tagesordnung, während die eigens für den Film komponierte Musik von Carter Burwell dezent bleibt – stimmungstechnisch passt alles. In diesem Umfeld wirkt Hauptdarstellerin Margaret Qualley mit ihrer entschlossenen, aber kalten Art zunächst noch wie ein Fremdkörper, aber sie navigiert das beschauliche Bakersfield mit einer Sicherheit, die nur eine Einheimische haben kann. Die spiegelt sich nicht nur in der Handlung, sondern auch in Qualleys Performance wider: Sie bringt von allen Darstellenden die stärkste Leistung und überzeugt die Zuschauer*innen davon, dass Honey fähig ist, kontinuierlich an ihren romantischen und beruflichen Beziehungen zu arbeiten. Zugleich schafft sie es, nicht wie eine wandelnde Karikatur zu wirken. Das lässt sich nur leider nicht von dem gesamten Cast behaupten.

Dabei ist die Problematik gar nicht, dass die Schauspieler*innen nicht die nötigen Fähigkeiten haben; die Besetzung ist erstklassig. Hingegen lässt „Honey Don’t!“ kaum einer Figur wirklichen Spielraum, sich zu entwickeln und zu wachsen. Weder Falcone noch Devlin haben sich zum Ende des Films so wirklich verändert – bestenfalls haben sie für ihre Fehler gebüßt, aber mehr ist nicht drin. Die übrigen Figuren erhalten nur wenig Screentime oder bleiben Vehikel für meist mittelmäßige Gags. Schade, denn die Gags untergraben Honeys dezente Charakterentwicklung hin zu einem Menschen, der andere mehr in sein Leben lässt und Verantwortung auch abgeben kann. Das Skript ist auch insgesamt fragwürdig löchrig dafür, dass mit Ethan Coen ein Meister seines Fachs beteiligt war.
Plumpe Queerness
So bleibt auch die Darstellung der lesbischen Beziehung zwischen Honey und MG Falcone eher ein Wink mit dem Zaunpfahl als ein organisches Miteinander. Die beiden kennen sich schon länger über ihre Arbeit, kommen sich aber bei einem Barbesuch sprunghaft nahe. Je nach Zuschauer*in kann die Szene sowohl selbstbestimmt als auch gegenstandslos wirken, in einem Neo-Noir tendiert sie aber leider zu Letzterem. Im weiteren Verlauf macht ihre Beziehung dann tatsächlich eine Entwicklung durch, die aber beim Höhepunkt des Films schlagartig entwertet wird. Dieser Twist in Kombi macht das zunichte, was am ehesten noch einem Handlungsbogen gleichkäme. Darüber hinaus bietet „Honey Don’t!“ keinen nennenswerten intelligenten Umgang mit Queerness oder queeren Figuren. Die Tragikomödie ist am Ende weniger als die Summe ihrer Teile.
„Honey Don’t!“ wird in Deutschland von Universal Pictures Germany vertrieben und erschien am 11. September 2025 in den deutschen Kinos. In München zeigen ihn das Museum Lichtspiele in der Originalversion sowie das Monopol-Kino mit Untertiteln.

