Daniel Holzberg nähert sich in „Don’t Think Twice“ am Metropoltheater dem Phänomen Bob Dylan. Unterstützt von diversen Instrumenten gibt er Einblicke in Dylans Leben und lädt zum Mitsingen ein.
Von Johanna Jank & Janina Schindler; Bild: © Metropoltheater München/Fotograf: Joel Heyd
Das Saallicht geht aus, das Publikum sinkt in die gemütlichen Samtsessel und wartet gespannt auf das, was kommen soll: eine Verneigung vor Bob Dylan, ein Abend, der in ca. 90 Minuten das Leben und vor allem das umfassende Gesamtwerk von über 800 Songs umspannen will. Dieser Mammutaufgabe nimmt sich der Schauspieler Daniel Holzberg an, der E-Gitarre, Akustik-Gitarre, Klavier, Schlagzeug – und natürlich drei verschiedene Mundharmonikas – beherrscht und mit diesen Instrumenten sicher die ausgewählten Songs begleitet, die das Herzstück des Abends bilden. Ohne Dylans Stimme imitieren zu wollen, singt Holzberg Dauerbrenner wie Unbekannteres und deckt dabei auch die verschiedenen musikalischen Phasen der letzten sechs Jahrzehnte ab.
Holzberg ist mal Bob Dylan, mal Daniel Holzberg – er spielt Haupt- wie Nebenfiguren in Dylans Leben, alle Instrumente und zollt dem Musiker Tribut: Innerhalb von knapp 90 Minuten werden biografische Meilensteine vom schulischen Atomschutzbunker, über geschichtsträchtige Interviews und Touren mit Joan Baez abgehandelt.
Mit LED Jesus und E-Gitarre
Gelingt diese Zeitreise? Man braucht schon durchaus ein funktionstüchtiges Kopfkino, wenn man sich durch das Stück in die 60er Jahre versetzen lassen will – visuell gesehen ist das Bühnenbild schlicht, eigentlich nur Holzberg und seine Instrumente. Doch trotz des reduzierten Bühnenbilds reichen einige Requisiten, um punktgenaue Anspielungen und Charakterwechsel einzuleiten: So symbolisiert ein LED-Jesus beispielsweise Dylans Hinwendung zum christlichen Glauben. Dylan also als Stimme einer Generation – als Sprachrohr, Zeuge des Zeitgeists oder doch als Star mit Allüren und erlogener Biografie? Diese Fragestellungen werden oft mit einem Augenzwinkern in den Raum gestellt, aber nicht ausdiskutiert, ganz nach dem Motto „Gott schütze Bob Dylan und seine schlechten Manieren“, wie Holzberg den Abend beschließt.
Hat man sich nach kurzer Zeit in das Stück eingegroovt, bekommt man ein besseres Gefühl für das Ziel des Abends und es ergeben sich – gerade auch aus dem Setting der One-Man-Show – lustige Momente voll Situationskomik. Holzberg macht augenzwinkernd auf die Dreifaltigkeit aufmerksam, die sich da auf der Bühne auftut: Er habe drei Mundharmonikas im Gepäck, drei Getränke vor sich – und Dylan habe sein Leben lang nur drei Griffe gespielt.
Wieviel Dylan passt in 90 Minuten?
Generell geht das Gesamtkonzept des Abends gut auf und bleibt kurzweilig: Biografische Anekdoten bereichern die Rollenwechsel und Zeitsprünge, das Publikum reagiert wohlwollend und bereits beim ersten Song stimmen einige Zuschauer – erstaunlich textsicher – aus dem Off mit ein. Wer ein klassisches Theaterstück über Dylans Leben erwartet, könnte zunächst irritiert sein: Holzberg wechselt so unangekündigt zwischen Dylan, seiner Künstlerfigur und dem authentisch wirkenden Schauspieler selbst, dass die Grenzen verwischen und es schwer wird, den Überblick zu behalten. Statt nach einer stringenten Dramaturgie zu suchen, sollte man sich einfach auf diese kaleidoskopische Reise durch Dylans Leben einlassen und den Abend genießen.
Während die älteren Vollblut-Dylan-Fans unter den Zuschauer*innen jede Anspielung verstanden, über noch so kleine Witze lachten und textsicher jeden Song mitsangen, waren wir an diesem Abend eindeutig die Out-Group, trotz eingängiger Recherche und längeren Spotify-Shuffle-Sessions im Vorhinein. Es empfiehlt sich also, Eltern, Patentanten oder gleichaltrige Folkfans einzupacken (möglicherweise als Last-Minute-Weihnachtsgeschenk?) und sich in der gemütlichen Bar des Metropoltheaters bei einem Getränk danach die Wissenslücken auffüllen zu lassen.
Wer von zu viel Mundharmonika partout Kopfweh bekommt, sei hier außerdem an die weiteren “Verneigung an…”-Veranstaltungen der kommenden Monate verwiesen, die sich immer einem oder einer berühmte*n Künstler*in widmen.
Wenn man dann, nach einem letzten pfadfinderartig anmutenden, ums imaginierte Lagerfeuer gemeinsam gesungenen „Knocking On Heaven’s Door” den Saal verlässt, bleibt ein wohlig warmes Gefühl – irgendwie ist es ja auch mal schön, einen Theatersaal zu verlassen und tatsächlich das Gefühl zu haben, alles verstanden zu haben.
Das Stück, das am 12. Dezember Premiere feierte, ist noch bis Ende Februar im Metropoltheater zu sehen. Je nach Sitzreihe und Ermäßigung 20-10 EUR. Mit der Junior Flat können alle in Ausbildung bis zum 27. Lebensjahr für 25 EUR pro Jahr alle Vorstellungen des Metropoltheaters genießen. Weitere Informationen zum Stück gibt es hier.