Girl on the Go

Dirty Hands and Crazy Cows (3): Eine Reisekolumne von Leonie Stoll

Eine Kolumne über die Achterbahnfahrt der Kulturen, Erfahrungen und Lernprozesse meiner letzten 5 Lebensjahre. Komm mit zu den unterschiedlichen Stationen meiner beruflichen und persönlichen Reise durch die ganze Welt – neben meinem Online-Studium.

Text und Bild: Leonie Stoll

DIRTY HANDS AND CRAZY COWS  – meine Zeit als freiwillige Farmerin in Hudson

Bevor es tatsächlich mit meiner Ausbildung – sprich dem Ernst des Lebens – weitergehen sollte, zog es mich doch wieder zu den rein praktischen Tätigkeiten des Lebens. Und nachdem ich mich in Österreich sehr eingeengt vom mitteleuropäischen, konservativen Kastendenken gefühlt hatte, wollte ich es dieses Mal ganz exotisch. Da es sowieso beruflich in die USA gehen sollte, nutzte ich eine persönliche Verbindung aus der Vergangenheit, um im Land der endlosen Träume zuerst als Freiwillige Fuß zu fassen: auf einer Farm der Eltern einer ehemaligen Mitschülerin, die ein Auslandssemester in meiner bayerischen Heimat absolviert hatte. Nach meinem ersten Langstreckenflug auf eigene Faust landete ich in New  York und 2 Stunden später auf einer Wiese im ländlichen Hudson, von Unkraut und muhenden Kühen umgeben.

Fremde, die Familie werden

Nach meinen ersten Stunden in den USA sah ich direkt einige Klischees erfüllt, die ich aus den Filmen meiner Jugend, wie „Highschool Musical“ oder „Gregs Tagebuch“ kannte: eine übermäßige Freundlichkeit, die vielleicht etwas vorgeschoben wirkte (,,hello how are you, sweetie? You look amazing!“) und eine große Spontanität – direkt an meinem ersten Abend besuchte ich trotz Jetlag eine örtliche Theateraufführung.

Das Ankommen fällt unter diesen Umständen sehr leicht, denn bist du vor Ort, gehörst du dazu, wenn auch nur oberflächlich. Selbst wenn mir das frühe Aufstehen und die körperliche, ökologische Arbeit auf der Farm zuerst fremd waren, genoss ich befreit die Einfachheit und Bodenständigkeit dieser Tätigkeit. Das Gefühl, etwas geleistet und nebenbei Spaß gehabt zu haben, einmal nicht auf die Uhr zu gucken, sondern auf die Bedürfnisse der umherrennenden Hennen.

Sommer-Sonne und Arbeiten im Gewächshaus war aber nicht immer eine kreislauffreundliche Kombination.

In der Früh und am Nachmittag wurde gearbeitet, am Abend bewusst gemeinsam geruht und gequatscht – überraschend oft über politische Themen und Trumps Corona-Politik. Nach nur einer Woche waren sowohl mein kultureller Horizont als auch meine Oberschenkelmuskeln breiter und stärker.

Keep it healthy

Am meisten muss ich die Ernährung meiner Gastfamilie hervorheben, gekocht und gegessen wurde nämlich ganz nach der Devise: alles selbst machen, was geht. Vom Joghurt in der Früh über die Gemüsepfanne am Abend bis hin zur Avocado auf dem Brot am Abend. Die monatlichen Ausgaben meiner Familie für Lebensmittel hätten dieser Familie wahrscheinlich ein halbes Jahr lang gereicht.

Die Farmer leben komplett saisonal, beispielsweise im Sommer vegetarisch und im Winter eher fleischlastig. Meine ehemalige Schulkollegin, die gerade ihr erstes Semester an der Universität hinter sich hatte, fand es dementsprechend ungewohnt, dass es in ihrer Mensa das ganze Jahr über das gleiche Angebot gab. Aber eins ist klar, die Blutwerte der sonnengeküssten, immer selbst kochenden Farmer hätten sicher jeden Arzt glücklich gemacht. Und auch ich flog ohne die im Vorhinein erwarteten extra Fast-Food-Kilos nach Hause.

New York, New York 

Natürlich kam ich mit dem festen Vorhaben in die Staaten, mir „the city that never sleeps“ einmal genauer anzuschauen, und zwar ganz alleine. 12 Stunden lang laufen und erkunden – Augen auf und der Nase nach. Einen anderen Plan hatte ich tatsächlich nicht. Am intensivsten zog es mich bei meinen Streifzügen nach Brooklyn, ein Viertel mit Musik in jeder Ecke und einem stark ausgeprägten multikulturellen Touch. Und die größten Probleme hatte ich mit dem System der Subway-Stations, dem New Yorker Underground. Denn die Ausschilderung in den kalten Schächten des amerikanischen Untergrunds ist bei weitem nicht so genau, wie ich es aus europäischen Großstädten kenne. Im Gegensatz zu den gemütlichen Farmern in Huson, hatten die meisten New Yorker auch einfach keine Zeit, sich um mich und meinen mangelnden Orientierungssinn zu kümmern.

Abschließend kann ich sagen, dass in dieser vielfältigen Stadt etwas mehr Planung nötig gewesen wäre. Jedoch genoss ich die Freiwilligenarbeit in den Staaten so sehr, dass ich mich nach einem weiteren Projekt als Hilfskraft umsah – und zwar auf einem neuen Kontinent, in einem Tierheim in Costa Rica.

Wie sich meine Spanisch-Sprachkenntnisse auf dem nächsten Stopp meiner Reise beweisen, lest ihr in der nächsten Episode.

Für dich vielleicht ebenfalls interessant...