Endlich wieder eine hervorragende Animation und eine gute Geschichte. Das gibt es in Chris Sanders neuem Film „Der Wilde Roboter“ zu sehen, in dem ein Serviceroboter auf einer einsamen Insel überleben muss.
Von Jonas Hey; Bilder: © DreamWorks
In einer stürmischen Nacht stürzt ein Flugzeug in der Nähe einer Insel ab. Dabei wird der Roboter Roz (gesprochen von Sandra Maischberger) herausgeschleudert und erleidet eine Bruchlandung. Sie ist verwirrt und sucht vergeblich nach einer Aufgabe, die sie erfüllen kann. Die ersten Begegnungen sind furchtbar und auf der Flucht vor einem Braunbären stürzt sie beinahe von einer Klippe. Die Verfolgungsjagd ist rasant gefilmt, doch die Spannung wird sofort durch ruhige Szenen kontrastiert. Denn Roz rettet ein Gänseküken vor dem Fuchs Flint.
Animation vom Profi
Der Film ist eine Adaption des Buches „The Wild Robot“ vom amerikanischen Bestseller-Autor Peter Brown. Das Buch erschien 2016 und wurde wohlwollend aufgenommen. Produziert wird der Film nun von Chris Sanders, der noch als Designer an den großen Disney-Produkten der 90er-Jahre mitarbeitete und schließlich die Figur Stitch erfand, die er in seinem ersten Film „Lilo & Stitch“ 2002 auf die Leinwand brachte. Sein bekanntestes Werk ist „How to Train Your Dragon“ (deutsch „Drachenzähmen leicht gemacht“) von 2010. Nun kehrt er zum Animationsstudio Dreamworks zurück und bringt sein Wissen über die Animation von Tieren in den neuen Film ein.
Die Ausgestoßenen
Nach dem stürmischen Beginn geht es um das Aufwachsen des Kükens, das den Namen Brightbill erhält. Zwischen Fuchs, Roboter und Küken entsteht eine wunderbare Freundschaft. Doch gerade der Anfang ist schwer für Roz, die sich nur allmählich von den Beschränkungen ihrer Programmierung befreien kann. Alle drei sind aufgrund ihrer Andersartigkeit auf der Insel verhasst: Flint wird als Dieb und Lügner verachtet, Roz bleibt unverstanden und Brightbill findet keinen Anschluss an die Gänseschar. Der Film erzählt hier ein klassisches Märchen, bei dem die Protagonist*innen durch Widrigkeiten Anerkennung von der Gesellschaft erlangen müssen.
Nachdem die Motive der Figuren erklärt sind, geht der Film seinem Höhepunkt entgegen. Roz ist programmiert, eine Aufgabe zu erfüllen, was sich in der Wildnis als schwierig erweist. Doch als Flint ihr erklärt, dass Brightbill zum Überleben in den Süden fliegen muss, nimmt sie dies als Aufgabe an. Danach hofft sie zu ihrer wahren Bestimmung in der Welt der Menschen zurückzukehren. Es gelingt ihr und Brightbill fliegt mit den Gänsen davon. Roz und Flint retten im tiefen Winter die Tiere des Waldes und werden in deren Gemeinschaft aufgenommen. Das könnte nun ein schönes Ende sein, aber der Film will noch erklären, dass auch Roz eine richtige Heimat findet.
Ein Film für Kinder
In dieser Phase ist der Film sehr vorhersehbar: Roz und der Gänserich müssen sich den Respekt der anderen Tiere verdienen und am Ende siegt das Gute. Diese einfach gestrickten Narrative zeigen, dass der Film vom Studio für Kinder produziert wurde, die in ihrem Reifeprozess nicht überfordert werden sollen. Denn für Erwachsene erscheint die Geschichte linear aufgebaut und die Protagonist*innen bewegen sich nur selten in moralischen Grauzonen. Hier unterscheidet sich der Film stark von den Klassikern des Studio Ghibli. So wird der Gegensatz zwischen der Welt der Menschen und der Wildnis in „Prinzessin Mononoke“ von Hayao Miyazaki deutlich nuancierter dargestellt. Dagegen bleibt Roz ein Fremdkörper auf der Insel.
Der Fokus auf ein junges Publikum wird noch durch eine starke Emotionalisierung unterstützt. Selbst Roboter Roz erhält durch ihre Augen und das Farbenspiel aus ihrem Körper Gefühle. Hier spielt der Animationsfilm auch die Stärken seines Genres aus, denn Gesichter und Bewegungen werden immer wieder stark überzeichnet oder herangezoomt. So versteht jeder, wenn der Fuchs trauert oder Roz jubiliert.
Nachdem der Film seinen Höhepunkt erreicht hat, geschieht allerdings Seltsames. Roz kehrt zurück in die Welt der Menschen und wird scheinbar auf ihre Fabrikeinstellung zurückgesetzt, Brightbill hingegen wird Anführer der Gänse. Ging es zuvor noch darum, die Andersartigkeit zu überwinden, ist doch wieder jeder Teil seiner eigenen Art. Was will uns der Film damit sagen? Geht es um das Überwinden von Grenzen oder die Rückkehr zur Norm?
Der Film feierte im September 2024 auf dem Toronto Filmfestival Premiere und kam am 3. Oktober 2024 in die deutschen Kinos. Er wird von Universal Pictures Germany vertrieben.