Rezension

„Der Fiskus“ – Wahnsinn, Wunder und das Amt

Das Finanzamt: ein Ort des Schreckens, unbezahlter Rechnungen und Mahnschriften. Vielleicht aber auch ein Ort der sozialen Gemeinschaft und Gemeinsamkeit? Das hinterfragt die aktuelle Inszenierung von Felicia Zellers „Der Fiskus“ am Metropoltheater München.

Von Christopher Bertusch; Bilder: © Metropoltheater München/Marie-Laure Briane

Nebeneinander stehen sie regungslos auf der Bühne. Es wird „Beamtenmikado“ gespielt: Wer sich zuerst bewegt, verliert. So lernen wir unsere Figuren für diesen Abend kennen, eine bunte Mischung aus Finanzbeamt*innen. Der eine kleidet sich wie ein Informatiklehrer mittleren Alters, mit Pferdeschwanz und Hosenträger. Der nächste scheint einem Hipster-Meme aus dem Jahr 2013 entflohen zu sein. Eine andere springt schwanger über die Bühne und der vierte kramt aus seiner Bauchtasche die unterschiedlichsten Gegenstände heraus. Bei weitem nicht alle Figuren sind so markant getrennt: Nicht immer wird klar, wo die eine aufhört und die nächste anfängt – gewollt.

Fun-Faktor Finanzamt 

Es regnet Papier. Aus Ordnern fällt ein Sammelsurium an Zetteln herunter. Bis die heutige Aufführung endet, werden sich noch einige Objekte auf dem Bühnenboden wiederfinden. Kein Wunder, so aktiv wie das Ensemble über den limitierten Platz verfügt. Ein kleiner grauer Würfel, der wie ein Aufzug aussieht, dient ihnen als Fläche. Darüber Elektro-Warnschilder, dahinter unerklärliche Knöpfe und davor eine Schubkarre voller Bier. Es ist die Kraft des Theaters, die einen die fahle Luft und die kahlen Wände einer deutschen Behörde sehen lässt. Und es ist die Kraft dieser Inszenierung, wie sie diese Bilder vielfältig heraufbeschwört. Es wird gesungen, getanzt und sich um die Bühne geschwungen. Immer wieder gleich- und vielstimmig ergänzen und widersprechen sich die Figuren.

Auch ihre Themen wandern: Existenzielle Angst versprüht ein Vereinsvorstand, dessen Gemeinnützigkeit vom Finanzamt aberkannt wird. Angst, die schnell zu Hass wird und sich gegen Beamt*innen richtet, die doch ‚auch nur ihren Job machen‘. Ein Wirtschaftskrimi entfaltet sich, als eine der Figuren einem millionenschweren Betrug auf die Schliche kommt. Erstaunlich tief sind dabei die Hintergründe: So manch eine*r, der oder die sich selbst im öffentlichen Dienst wiederfindet, muss über versteckte Bemerkungen schmunzeln. Jede*r andere darf ebenso in vollen Zügen lachen, denn genug Humor bietet dieser Abend allemal.

Der Glaube an das Steuersystem

Trotz der gar nicht so kurzen Aufführungsdauer von 1:30 Stunden und des entschleunigt wirkenden Arbeitsalltags der Beamt*innen passiert alles in einer erstaunlichen Schnelligkeit. Die Figuren führen ihre Sätze kaum aus, lassen Verben und Randbemerkungen fallen, die immer wieder neue Themen an- und abschneiden. Ausgeführt wird vieles nicht, dafür nachgedacht in den Köpfen der Zuschauer*innen und zwar auch nachdem sie das Theater verlassen haben. Manchmal wirft „Der Fiskus“ gar zu viele Fragen auf.

Und dann gibt es diese Momente, die aus dem Bombast der Inszenierung und dem Humor der Aufführung heraustreten. Die mal hochdramatisch, mal ganz niederschwellig hinter die Kulissen blicken lassen. Auf dieses Konstrukt der Steuern, das uns schließlich alle vereint. In diesen Augenblicken wird eine Kritik deutlich bewusst: an den Menschen da oben, an Egoist*innen, geizigen Chefs und arroganten Investor*innen. An denjenigen, die sich nicht am Sozialsystem und der Gemeinschaft beteiligen.

Fernab allem Witz und bürokratischen Wahnsinn liegt diesem unglaublichen Apparat namens Finanzamt nämlich ein Gedanke zugrunde: Jeder Mensch ist gleich, denn jeder von uns hat eine Steueridentifikationsnummer.

„Der Fiskus“ ist noch bis zum 19. Dezember im Metropoltheater München zu sehen. Je nach Sitzreihe und Ermäßigung 20-10 EUR. Mit der Junior Flat können alle in Ausbildung bis zum 27. Lebensjahr für 25 EUR pro Jahr alle Vorstellungen des Metropoltheaters genießen. Weitere Informationen zum Stück gibt es hier.

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