Ein italienischer Kultfilm, der Lust auf Sommer macht. Im September verbrachte ich selbst meinen Urlaub im süditalienischen Drehort Castellabate. Ein Vergleich mit den Erlebnissen des Protagonisten eröffnete spannende Einblicke.
von Sophie Lendrich; Bilder © Pathe Film
Es ist Oktober und ich sitze mit einer Tasse Tee auf meinem Sofa, um mich aufzuwärmen. Ich schaue aus dem Fenster – natürlich regnet es. Nichts wünsche ich mir eher, als wieder zurück in Süditalien zu sein. Keine Aufgaben, außer sich am Meer zu bräunen, Gelato zu essen und die wundervolle Aussicht der Urlaubsunterkunft mit einem Glas Wein in der Hand zu genießen.
Bei dieser Tagträumerei erinnere ich mich direkt wieder daran, dass uns „Benvenuti als Sud“ empfohlen wurde. Ein Film, der genau dort gedreht wurde, wo ich mit meinem Freund den Sommerurlaub verbrachte. Da ich genug davon habe zu frieren, mache ich den Fernseher an und tauche ein in den italienischen Sommertraum.
Willkommen im Süden
Alberto Colombo, gespielt von Claudio Bisio, arbeitet bei der Post und strebt eine Versetzung nach Mailand an, um dort mit seiner Familie zu leben. Stattdessen erhält er die schockierende Nachricht, dass er im süditalienischen Castellabate nahe Neapel arbeiten wird. Alberto reagiert entgeistert auf die Neuigkeiten: „Das überlebe ich nicht.“
Angekommen in Castellabate ist er seinen neuen Kolleg*innen gegenüber misstrauisch. Alberto lehnt die Traditionen des Dorfes ab und besitzt kein Verständnis für dessen Kultur. Erst, als er die Gastfreundlichkeit und Offenheit der Gemeinde kennenlernt, ändert sich sein festgefahrenes Bild. Seine anfängliche Kritik verwandelt sich schließlich in wahre Liebe, als er die Aussicht seiner Wohnung auf die Küste erblickt. Er muss sich selbst eingestehen, dass seine Vorurteile ihn blind machten.

Lügen haben kurze Beine
Über den Verlauf des Films wird der Spannungsbogen gelungen aufgebaut, indem sich der Protagonist immer mehr in seinen Lügen verstrickt und zwei Persönlichkeiten aufrechterhalten will. Auf der einen Seite gibt er vor, den Süden nicht ausstehen zu können und bestärkt dabei die Vorurteile seiner Mitmenschen. Auf der anderen Seite genießt er sein neues Leben in Castellabate und macht sich die süditalienischen Gewohnheiten zu eigen.
Diese Doppelidentität kann er nicht mehr aufrechterhalten, als seine Frau Silvia beschließt, ihn zu besuchen. Die Spannung steigt und es scheint so, als gäbe es keinen Ausweg für Alberto. Damit seine Lüge nicht auffliegt, beginnen die Dorfbewohner*innen die Inszenierung eines gefährlichen Castellabates. Als Silvia ihrem Ehemann nach kurzer Zeit allerdings auf die Schliche kommt, gibt es einen großen Streit, der sich zum Abschluss des Films am Strand unter einem Feuerwerk schnell wieder auflöst. Ein Happy End für alle.

La dolce vita
„Wer hierher kommt, wird zweimal weinen: Wenn er ankommt und wenn er geht“, beteuert Kollege Mattia dem zu Beginn misstrauischen Alberto.
Ähnlich wie für den Protagonisten waren die Sitten und Bräuche auch für uns ungewohnt, als wir im September nach Süditalien reisten. Unser Urlaub begann in Neapel, von wo wir weiter nach Castellabate reisen wollten. Die Stadt ist belebt und der konstante Lärmpegel des Verkehrs war definitiv neu für mich. Auch wenn Neapel Alberto vermutlich nicht in Begeisterung versetzen würde, kann ich von mir nicht das Gleiche behaupten. Die Stadt strahlt mit ihren hohen Häusern und unterschiedlich geschmückten Balkonen einen einzigartigen Charme aus. Vor allem das Essen – damit meine ich natürlich neapolitanische Pizza – ist überall zu finden und unfassbar lecker. Ein paar Tage später verließen wir Neapel und machten uns auf die Weiterreise. Während Alberto auf seinem Umzug nach Castellabate stundenlang im Stau feststeckte, durften wir das Glück einer schnellen, angenehmen Zugfahrt genießen.

In Castellabate angekommen, mussten wir uns auch hier an neue Gepflogenheiten gewöhnen. Beispielsweise als wir mittags durch die kleinen Gassen schlendern wollten, aber weit und breit keine Menschen auf den Straßen sahen und alle Läden geschlossen waren. ’Mittagsruhe von 13 bis 16 Uhr’ lasen wir auf einem Schild vor einer verriegelten Tür.
Es dauerte jedoch nicht lange, bis wir uns dort zurechtgefunden hatten. Irgendwann war es also selbstverständlich für uns, dass Nonnos und Nonnas um 11 Uhr abends einen Espresso tranken oder kleine Kinder noch auf den Straßen spielten. Je mehr Zeit wir dort verbrachten, desto mehr Leben und Gemeinschaft strahlte der Ort für uns aus. Ähnlich wie bei Alberto, stahl Castellabate unser Herz, als wir einen Roller ausliehen, um die umliegenden Dörfer und Küsten zu erkunden.

Alte Leier oder zeitloser Hit?
Der Film wird von einem klischeehaften Handlungsstrang bestimmt und ist vielen Filmliebhaber*innen vermutlich bereits bekannt. Schließlich basiert diese Geschichte auf dem französischen Klassiker „Bienvenue chez les Ch‘tis“, besser bekannt unter dem deutschen Titel „Willkommen bei den Sch’tis“. Auch der italienische Film bildet Themen wie Behinderung, Rollenbilder oder kulturelle Unterschiede nur oberflächlich und stereotyp ab und vertritt dabei veraltete Positionen.
Dennoch ist der Film ein Produkt seiner Zeit und man könnte argumentieren, dass die Handlung und Pointe einen zeitlosen Hit darstellen. Ein zuerst mürrischer, engstirniger Protagonist mit vielerlei Vorurteilen wird schließlich in einen lebensfrohen, versöhnlichen Menschen verwandelt. Die Kernbotschaft ist eindeutig: „Liebe siegt über Alles“.
Humorvoll und charmant
Der Film begleitet Alberto stetig und gewährt uns damit Einblick in seine Gedankenwelt. Wir lernen Alberto immer besser kennen und können seine Meinung oder Handlungsmotive gut nachvollziehen, obwohl seine Ansichten festgefahren und veraltet sind. Genau über diese Charaktereigenschaften wird sich als Publikum lustig gemacht, da Alberto durch seine ungenierte, schroffe Art viele unangenehme Konfrontationen bewältigen muss. „Benvenuti als Sud“ ist eine Komödie im klassischen Sinn und eignet sich für die gesamte Familie. Lacher garantiert.
Die Handlung wird durchgehend von passender italienischer Musik untermalt und atemberaubende Drehorte versetzen die Zuschauer*innen ins Staunen. Durch diese Kombination schafft es der Film hervorragend, den süditalienischen Charme authentisch darzustellen. Nicht ohne Grund ist der Tourismus in Castellabate aufgrund von „Benvenuti al Sud“ extrem angestiegen und prägt den Ort bis heute.
Für mich eine eindeutige Filmempfehlung, vor allem, wenn man Süditalien bereits kennt und sich in trüben Momenten an einen ganz bestimmten, einzigartigen Ort zurückerinnern will.
Der Film feierte im Juli 2010 beim Giffoni Film Festival Premiere und kam im Oktober desselben Jahres ins Kino. Der Film wird von Pathe Film vertrieben und ist bei Amazon Prime (Abo) und Rakuten TV abrufbar.

