Interview

Anna Grey und ihre erste Solo-Tour – Über Lampenfieber und Mental Health

Anna Grey hat es von einer kleinen Stadt nahe Hamburg an die große Bühne verschlagen. Die Sängerin und Songwriterin verfolgt ihre Leidenschaft für die Musik seitdem sie klein ist – trotz gewisser Hürden. Und das mit Erfolg, denn am 07. März 2025 ist sie im Technikum (München) zum Start ihrer ersten großen Solotour zu sehen. Im Gespräch mit philtrat spricht Anna über mentale Erkrankungen, ihre Schwangerschaft, Avril Lavigne und die speziellen Momente auf Tour.

Das Gespräch führte Christopher Bertusch; Bilder: © Oke Albrecht

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Hallo, Anna. Schön, dass du da bist! Als Münchner Magazin müssen wir zuerst natürlich fragen: Freust du dich nach München zu kommen?

Anna Grey: Unglaublich, ja. Ich war schon oft da und es macht immer Spaß. Ich komme ursprünglich aus Hamburg und beide Städte werden gerne so dargestellt, als wären wir ein bisschen kalt. Vielleicht ist das, weil ich aus dem Norden komme, aber ich finde München immer schön und fühle mich willkommen. Und ich habe ein absolutes Ding: Immer wenn ich in München bin, muss ich Kaiserschmarrn essen.

Der erste Tourstopp ist sowieso immer aufregend. Ich werde vorher wahrscheinlich keine Sekunde schlafen und danach auch nicht. Das werde ich für immer mit München verbinden.

Es ist deine erste große Solo-Tour. Du bist aber schon mit 18 Jahren für eine Schauspielrolle nach Hamburg gegangen und standest auf einigen Bühnen. Hat man dann noch Lampenfieber? 

Auf jeden Fall. Egal wie oft man auf der Bühne steht, man hat trotzdem diese Art Lampenfieber. Wenn ich das je verliere, dann würde es mir einfach leidtun. Weil genau das macht es so besonders. Und es ist immer nur der Moment vorher. Sobald ich auf der Bühne stehe, merke ich, ich bin mit jeder einzelnen Person verbunden. Und es ist das schönste Gefühl auf der Welt.

Ich durfte dieses Jahr die Kontra K Tour eröffnen und das waren so 20.000 Leute. Das ist anders als eine kleinere Show, wie es meine Tour auch sein wird. Man ist viel nervöser, je kleiner es ist. Die große Menge verläuft sich, aber in der kleinen, da sieht man wirklich jedes Gesicht. Das ist ganz persönlich, nahbar, intim. Das macht einem etwas Angst, aber es ist auch das Schöne daran.

Wie bist du damals nach Hamburg gekommen?

Das war ein bisschen Glück oder Fügung. Ich wusste schon früh, ich wollte so schnell wie möglich in eine Stadt ziehen, beispielsweise Hamburg. Dann habe ich eine Anfrage vom Theater bekommen und die Schauspielrolle durchgezogen. Ich war eigentlich viel zu jung, habe zu weit weg gewohnt. Als ich genommen wurde, konnte ich aber schon nicht mehr zurück. Dann wurde ich drei Jahre im Mainensemble behalten und konnte tagsüber an meiner Musik arbeiten.

Du hast vorhin kurz über die Tour mit Kontra K gesprochen. Dabei warst du im achten Monat schwanger. Was war das für eine Erfahrung?

Unfassbar schön. Als ich gehört habe, dass ich die Show von Kontra K eröffnen darf, wusste ich: Ich werde am Ende im achten oder neunten Monat schwanger sein. Meine generelle Sicht im Leben ist aber, dass ich mich durch Sachen durchkämpfen möchte und auch muss. Ich bin extrem dankbar, dass das ganze Team von Kontra und seine Fans, mich so herzlich aufgenommen haben.

Bei einem männlichen Rapper als schwangere, junge Frau als Voract aufzutreten, das war für mich gar nicht selbstverständlich. Ich habe auch viel darüber gelernt, wie man über seine eigenen Grenzen gehen kann. Gesundheitlich hat alles geklappt und es wurde auch von meiner Frauenärztin abgesegnet.

Gab es negative Reaktionen?

Ich habe mir an keiner Stelle meiner Schwangerschaft gedacht, ich muss meinen Bauch verstecken. Ich war stolz schwanger zu sein und finde jede schwangere Frau wunderschön. Ich habe aber gemerkt, dass es bei den Öffentlich-Rechtlichen scheinbar ein Problem dargestellt hat. Ich war bei einem Auftritt in der MDR in einem für mich komplett normalen Outfit. Ehrlich gesagt, es war für mich mein Outfit, das von allen am wenigsten Haut gezeigt hat.

Mir wurde an diesem Tag von der Probe am Morgen bis Nachmittag immer ein Oversized-Shirt gegeben, das ich anziehen sollte. Für mich ist es aber wichtig gewesen, trotzdem so auf die Bühne zu gehen, wie ich es wollte. Und das auch offen anzusprechen, damit Menschen wissen: Hinter den Kulissen ist oft so viel los.  Kein Mensch, ob schwanger oder nicht, sollte sich verstecken müssen.

„Wir wissen ja alle, dieser Hate ist nur die Unzufriedenheit der Menschen mit sich selbst. Niemand von uns normalen Menschen würde sich hinsetzen und anonym haten.“

Hast du als Künstlerin öfter das Gefühl, dich verstellen zu müssen?

Gerade im Musikbusiness ist es ein großes Thema, dass Menschen denken, sie können einem sagen, wie man zu sein hat. Gerade als junger Mensch – Mann oder Frau – ist es wichtig zu lernen: So wie ich mich zeigen möchte, zeige ich mich auch.

Menschen, die glauben, da was zu sagen zu haben, haben sich halt geschnitten. Das sind Sachen, die ich versuche, gerade an jüngere Menschen weiterzugeben. Man muss sich nicht verstecken, nicht verbiegen und nicht mehr anziehen, als man möchte. Egal in welchem Business. In der Musikindustrie ist das sehr extrem, aber auch im normalen Leben.

Wie kamst du zur Musik? 

Ich habe vermehrt angefangen Musik zu machen, als ich selbst in der Klinik aufgrund von mentalen Krankheiten war. Ich habe in der Zeit gemerkt, Musik gibt mir noch mehr als jede Form von Therapie. Ich habe gemerkt, wenn es mir so geht, dann wird es vielen anderen auch so gehen. Da ich den Prozess der Heilung sehr früh erleben durfte, kam ich mit so 18, 19 Jahren an den Punkt, dass ich gesagt habe: Ich werde jetzt Musik machen.

Selbst wenn sich nur eine Person dadurch weniger allein fühlt, das ist mein Ziel. Wenn sich nur eine Person denkt: der geht es genauso wie mir und ich bin nicht allein. Und das, was ich hier durchmache, das ist real. Für diese Art von Verbindung mache ich Musik. Die Community, die dabei entsteht, ist zu einer richtigen Familie geworden. Das merkt man auch live. Der Kern dieser Gruppe kommt immer, egal wohin, und ist vorne in der ersten Reihe.

Du teilst viel auf Social Media zum Thema Mental Health. Denkst du, es ist einfacher geworden, darüber zu reden?

Das ist ein Problem, worüber ich viel nachdenke. Ich würde sagen, es ist 50/50. Ich bin persönlich auf dem Dorf aufgewachsen und in meiner Jugend war es das nicht. Es war eher so: Anna ist jetzt in der Psychiatrie, das müssen wir geheim halten und keiner darf das mitbekommen. Ich habe mir damals gewünscht, dass es offener wäre und man leichter darüber sprechen könnte. Dass Menschen auch mehr darüber wissen. Suchterkrankungen oder Essstörungen werden zum Beispiel nicht gelöst, wenn man sagt: Iss doch mal was. Es sind Krankheiten, die ernst genommen werden müssen. In Teilen läuft dieser Prozess über Social Media sehr gut, weil mehr darüber gesprochen wird.

Dennoch gibt es so viel Missinformationen auf Social Media und jeder Zweite diagnostiziert sich selbst auf TikTok mit irgendwelchen Dingen. Das macht es wiederum schwierig, weil die Menschen es dadurch nicht ernst nehmen. Ich bin ein Riesenfan von allen Menschen, die ernsthaft darüber aufklären und fundiertes Wissen haben. Oder wenn sie Videos machen, vorher sagen: Ich bin kein Psychologe, aber ich kann euch das und das an die Hand geben.

Du bist in einem kleinen Ort nahe Buxdehude aufgewachsen und hast damals selbst eine mentale Erkrankung am eigenen Leib erfahren. Wie hat dein Umfeld darauf reagiert?

Meine Mama musste da auch reinwachsen und das auch erstmal lernen. Wenn man nichts damit zu tun hatte, dann weiß man auch erstmal nichts darüber. Was ich sonst erfahren habe, ist schon die typische Dorfdynamik, wie man sie sich vorstellt. Mobbing war super früh ein Thema. Spätestens als ich angefangen habe, offener mit meinen mentalen Problemen umzugehen und Gesangvideos hochzuladen, ging das Cybermobbing sofort los. Von „Bring dich um“ bis keine Ahnung was für Nachrichten. Ich habe unfassbar viel Hass aus meinem nahen Umfeld erlebt. In dieser Zeit, in der es mir mental nicht gut ging, war das natürlich nicht hilfreich. Ich glaube aber, das hat mich einfach super vorbereitet. Danach habe ich eine Stärke entwickelt: Ich versuche, alles im Leben als Challenge zu sehen oder einen Sinn darin zu finden.

„Man muss sich nicht verstecken, nicht verbiegen und nicht mehr anziehen, als man möchte.“

Ich habe gedacht, gerade wenn ich in die Musikbranche möchte, wird mich immer jemand kritisieren. Und eigentlich ist es doch super, dass ich so aufwachse und lerne, mit der Kritik umzugehen. Wir wissen ja alle, dieser Hate ist nur die Unzufriedenheit der Menschen mit sich selbst. Niemand von uns normalen Menschen würde sich hinsetzen und anonym haten. Kritik nehme ich gerne an, vor allem von Menschen, die wissen, wovon sie sprechen. Aber Hate habe ich schon früh in meinem Kopf einfach umgewandelt und wusste, diese Person tut mir nur leid.

Du hast dir selbst das Gitarrenspielen beigebracht. Wie kann man sich das vorstellen: die kleine Anna mit Gitarre vor dem Youtube-Tutorial? 

Ich war einfach ein riesiger Avril Lavigne Fan und mit elf oder zwölf habe ich von meinem Taschengeld meine erste Gitarre gekauft. Danach habe ich mich immer bei Oma und Opa ins Zimmer eingesperrt und gegoogelt, wie man die Griffe macht. Und so habe ich die Akkorde Stück für Stück gelernt. Ich bin absolut kein Pro. Aber was mir immer geholfen hat, ist einfach die Sachen zu spielen, die ich spielen wollte. Daheim habe ich auch ein Klavier stehen und das bringe ich mir bis heute noch selbst bei.

Worauf freust du dich im neuen Jahr?

Letztes Jahr meinte ich immer, es wird eine Riesenüberraschung geben. Das war damals mein Baby. Dieses Jahr: Auf jeden Fall auf die EP, die vor der Tour erscheint. Auch unabhängig davon wird es einige neue Songs geben. Noch ehrlicher, aber auch noch stärker, mit noch mehr Power als zuvor. Und natürlich auf die allererste Tour. Ich will nicht zu viel vorwegnehmen, aber ich werde mein Allerbestes geben, so viele unvergessliche Momente wie möglich reinzubringen.

Das Wichtigste für mich ist es, jeder Person, die im Raum ist und bei meiner Tour dabei ist, etwas zu geben. Dass sie danach denkt: Ich will öfter raus aus dieser Social-Media-Welt und noch öfter raus in die echte Welt. Weil dieser Moment etwas ist, was man nie wieder sieht, das kann man nicht filmen oder ersetzen. Das kann man nicht auf Social Media nachgucken. Es ist ein Gefühl, das man nur hat, wenn man in dem Moment ist.

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1 Kommentar

  1. Fabian sagt:

    Anna Grey ist ein unglaubliches Vorbild als Mensch und Persönlichkeit sie hat es geschafft Menschen eine Stimme zu geben die ihre verloren hatten sie ist ein unglaublich toller Mensch ihre Musik half mir in dem letzten Jahr unglaublich mit gewissen Dingen zurecht zu kommen ich bin dieser Frau unglaublich dankbar dass sie durchgezogen hat alles was sie erreicht absolut verdient für diesen tollen Menschen dahinter so bodenständig und Menschlich zu bleiben ist unfassbar selten 🖤🖤🖤

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